In seiner Ideengeschichte Schule des Südens (Matthes und Seitz) erschließt Onur Erdur eine neue Geografie des französischen Denkens, das die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts prägte. Anlass für Fragen:
Worum geht es in dem Buch?
Onur Erdur: Rauchend in Pariser Cafés sitzen und über die Freiheit debattieren – so stellen wir uns gerne französische Intellektuelle vor. Sartre und Beauvoir lassen grüßen. In meinem Buch „Schule des Südens“ geht es dagegen auf die andere Seite des Mittelmeeres nach Casablanca, Algier und Tunis: In acht Einzelporträts erzähle ich die existentiellen und intellektuellen Abenteuer von bedeutenden französischen Philosophen wie Michel Foucault, Jacques Derrida und Hélène Cixous. Meine Protagonisten waren biografisch eng mit Nordafrika verbunden. Manche unter ihnen sind in den französischen Kolonien geboren und aufgewachsen, andere wiederum reisten dorthin, weil sie den Süden als exotischen Sehnsuchtsort aufsuchten oder gar in den blutigen Algerienkrieg einberufen wurden. Bei meinen Porträts interessiert mich besonders die klassische Frage nach der Verschränkung von Leben und Werk: Wie lässt sich das Menschlich-Erfahrene so nah an das Geistig-Theoretische heranrücken, dass man das eine in das andere hinübergleiten sieht?
Wie entstand die Idee zum Thema?
Am Anfang war zunächst ein ganz profaner Moment: Ich stand kurz vor dem Abschluss meines vorherigen Buches über Frankreich und musste nur noch ein Personenregister erstellen. Für die Hunderte von Personen aus Politik, Kultur und Wissenschaft benötigte ich bloß die Lebensdaten, was ich durch einfache Internetrecherche ermittelte. Für jeden Namen jeweils das Geburts- und Todesjahr notieren – und weiter geht’s. Beim Seitenblick auf die jeweiligen Geburtsorte wurde mir das erste Mal bewusst, wie viele Persönlichkeiten des französischen Geisteslebens eigentlich in den ehemaligen Kolonien geboren waren: Saigon, Rabat, Oran, Algier, Casablanca… War das mehr als eine biografische Koinzidenz? Ich kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Als ich merkte, dass es dazu keine nennenswerte Literatur gab, wusste ich sofort: Dazu muss ich etwas schreiben.
Welche drei Wörter beschreiben es perfekt?
Sonne, Strand und Gewalt
An welche Leserschaft richtet es sich?
An alle, die sich für abenteuerliche Lebensgeschichten von klugen Köpfen interessieren. An alle, die gern historisch und philosophisch aufklärende Bücher lesen. An alle mit einem Faible für den Süden.
Da ich im Buch außerdem entlang der Intellektuellenporträts Themen behandle, die uns auch heute immer noch beschäftigen (Nationalismus, Identitätspolitik, Terror, Gewalt, Exotismus, Antisemitismus, Rassismus, Sexismus usw.), richtet sich das Buch an alle, die angesichts der großen politischen Diskussionen unserer Gegenwart über mehr historisches Orientierungswissen froh wären.
Mit welchem Argument kann der Buchhandel das Buch im Laden gut verkaufen?
Es ist ein schön gemachtes Buch mit einladendem Cover. Ein erzählerisches Sachbuch, das wissenschaftlich fundiert, bemerkenswert aktuell und gleichzeitig leicht zu lesen ist. Last but not least: Nach der Lektüre ist man garantiert schlauer!
Wie sähe ein Schaufenster dazu schön gestaltet aus?
Ich könnte mir vorstellen, dass ein großes Bild des Covers eine schöne Wirkung im Schaufenster erzielen könnte. Großformatige Versionen der im Buch abgedruckten Abbildungen wären ebenfalls denkbar. Das Buch könnte man auch problemlos in bestimmte thematische Schwerpunkt-Reihen (Frankreich, Nordafrika, Kolonialismus, Philosophie) einbauen und ausstellen.