Abschlussdossier des Mediators der Gespräche Börsenverein und eBuch in Sachen Strafanzeige gegen Börsenvereis-Spitze liegt vor

Es war ein Paukenschlag vor den Buchtagen in Berlin: Die eBuch stellt Strafanzeige gegen Börsenvereins-Verantwortliche wegen „Schädigung des Vermögens der Vereins-Mitglieder“ ([mehr…]. Zu den Buchtagen in Berlin wurde angekündigt, daß dazu eine Aussprache stattfinden werden. Die fand am 9. Juli im Buchhändlerhaus in Frankfurt zwischen der eBuch und den Spitzen des Börsenvereins statt. Das Gespräch wurde geleitet von Matthias Heinrich, der die Funktion des Mediators übernahm.

Von der eBuch nahmen deren Vorstand, Lorenz Borsche, und Geschäftsführer Julian Müller teil, von Seiten des Börsenvereins Vorsteher Prof. Dr. Gottfried Honnefelder, Hauptgeschäftführer Alexander Skipis und Personalchef Oliver Schlimm, der die Prozesskoordination in Sachen BAG-Geschäftsführung für den Börsenverein in Händen hatte. Als ‚Ombudsmann‘ fungierte Hermann-Arndt Riethmüller.

Das Dossier im Wortlaut:

1) Ziele des Gesprächs waren, seitens des Verbands lückenlos über die Hintergründe und Abläufe der Klagen und Prozesse im Zusammenhang mit Haftung und Schadenersatzpflichten der BAG- Geschäftsführung aufzuklären, und der Versuch, den im Vorfeld entstandenen Bruch zwischen der Genossenschaft eBuch und dem Börsenverein zu kitten. Ein weiterer Beweggrund der Initiative zur Aussprache war der Versuch, in einem informellen Rahmen die Vorwürfe gegenüber Haupt- und Ehrenamt der Börsenvereins-Gruppe aus der Strafanzeige der eBuch auszuräumen. Explizit ging es nicht um eine Aufarbeitung der BAG-Entwicklungen ab Januar 2007, sondern nur um die Sachverhalte im Zusammenhang mit der gestellten Strafanzeige.

Herr Borsche hatte im Vorfeld der Aussprache Herrn Heinrich und Herrn Riethmüller einen Fragenkatalog zugehen lassen, der beantwortet werden sollte. In einem mehrstündigen sachlichen, fairen und offen geführten Gespräch erläuterten die Vertreter des Börsenvereins anhand des Fragenkatalogs die Beweggründe für und die Logik der Klageerhebungen, die Bedeutung der Urteile und die Gründe für eine Berufung. Herr Skipis skizzierte anhand eines Organigramms die Verantwortlichkeiten in der Börsenvereinsgruppe und schilderte mit Hilfe einer stichwortartigen Chronik das gewählte Vorgehen/Verfahren. Herr Riethmüller bestätigte Feststellungen von Herrn Skipis anhand der ihm vorliegenden Rechtsgutachten, Dossiers und Protokollnotizen. Diskutiert wurden ausführlich die juristischen und kaufmännischen Aspekte und Hintergründe der Entscheidungen.

Die Vertreter der eBuch sensibilisierten den Börsenverein in dem Gespräch insbesondere, zukünftig in der externen Kommunikation hin zu den Mitgliedern etwas mehr Fingerspitzengefühl zu zeigen und für mehr Transparenz zu sorgen. Ferner erging der Appell an die Börsenvereinsspitze, den Kontakt zur Breite der Mitgliederbasis nicht zu verlieren.

Alle Beteiligten waren sich darüber einig, dass die in der Aufarbeitung der Erfahrungen des Sachverhalts und im Gespräch am 9.7.2012 gewonnene Erkenntnisse dazu genutzt werden sollten, Lehren für die Zukunft zu ziehen. Die Vertreter der eBuch bestätigten am Ende des Gesprächs, dass der Fragenkatalog nahezu vollständig beantwortet wurde. Offen waren noch Fragen zu Aussagen im Howe-Gutachten und zur Grundlage für die kaufmännische Sinnhaftigkeit der Klageerhebungen (siehe Punkt 2).

Alle Beteiligten stellten fest, dass auch nach der Aussprache vom 9.7.2012 kein Konsens über die Entscheidungen und das Vorgehen bestehen muss oder wird, dass aber die Beweggründe für das gewählte Vorgehen (mit Ausnahme Punkt 2) im Gespräch sauber und präzise dargelegt worden
seien.

2) Im Nachgang nahm Herr Riethmüller am 24.7.2012 zu den offen gebliebenen Fragen der Kollegen der eBuch schriftlich Stellung. Aufgrund des Persönlichkeits- und Vertrauensschutzes der Betroffenen wird die Stellungnahme in diesem Abschlussdossier nur auszugsweise zitiert.

Das Gutachten, das von Herrn Schild bei der Rechtsanwaltskanzlei Heuking, Kühn, Lüer, Wojtek zur Klärung der Haftungsfragen im Oktober in Auftrag gegeben und im Februar vorgelegt wurde (Howe-Gutachten), arbeitet systematisch alle Pflichtverletzungen und Haftungsmöglichkeiten der Gremien und Geschäftsführung des BAG-Verbunds (von BAG, FGM und ZVM) ab und kommt dabei zu sehr differenzierten Aussagen. Während es z.B. die Haftungsansprüche, die aus Verhaltensweisen bis zum 31.12.2005 entstanden sind, verneint, bejaht es Haftungsansprüche gegen die Geschäftsführer des BAG-Verbunds für die Folgejahre, insbesondere wegen des Verdachts der Insolvenzverschleppung.

Die relevanten Kernaussagen des Gutachtens waren, dass

o der vereinbarte Verzicht auf Ansprüche gegenüber den ausgeschiedenen Geschäftsführern nicht für die Geschäftsführung der FGM galt,

o die Geschäftsführer laut Gutachten pflichtwidrig keinen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hatten und für Vermögensverminderungen innerhalb des BAG-Verbunds haften,

o nach BGH-Rechtsprechung die vorstehenden Überlegungen und Aussagen in den Spiegelstrichen eins und zwei zu der Schlussfolgerung führen, dass die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegenüber Geschäftsführern die Regel sein muss.

Auf Basis dieser Kernaussagen wurde nach Abstimmung der Gremien die Klageerhebung eingeleitet. Den Unterzeichnern liegen die Zahlen eines Wertgutachtens vor, das die Rückstellungen der Pensionsverpflichtungen der BAG zum 31.12.2009 bewertet. Bilanziell wurden die Pensionen der Beklagten nach EStG mit insgesamt hohen sechsstelligen Beträgen bewertet und waren nach HGB als Rückstellung in der Bilanz aufgenommen, der Marktwert wurde in Berechnungen der R+V- und Allianz-Versicherung mit noch deutlich höheren sechsstelligen Werten beziffert.

Demnach war das Vermögen, das zur Befriedigung von Schadensersatzansprüchen bestand, höher als die Prozesskosten. Deshalb ist die Entscheidung, zur Vermeidung späterer Anschuldigungen, die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen fahrlässig unterlassen zu haben, eine Gerichtsentscheidung herbeizuführen, nachvollziehbar. Es kam bei der Güterabwägung nicht darauf an, ob die Schadensersatzansprüche insgesamt befriedigt werden könnten, sondern ob zumindest das Prozesskostenrisiko abgedeckt wäre.

Den Adressaten der Stellungnahme zu Punkt 2) dieses Dossiers wurde angeboten, in die zitierten Unterlagen / Gutachten Einsicht zu nehmen.

Schlussbemerkung:

Es geht nach Meinung der Unterzeichnenden nicht um die Fragestellung, ob die Entscheidung zur Prozessführung richtig oder falsch war. Auch wenn in den Urteilen von Landgericht und Oberlandesgericht, mit jeweils sehr unterschiedlicher Begründung, die Schadensersatzklagen abgewiesen wurden, ist das Bedürfnis der entscheidenden Personen, zur Klarstellung eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen, nachvollziehbar. Auch innerhalb der befassten Gremien des Börsenvereins gab es zur Erfolgsaussicht der Prozesse sehr unterschiedliche Auffassungen. Es bleibt aus Sicht der Unterzeichnenden festzustellen, dass die entscheidenden Gesichtspunkte in der buchhändlerischen Öffentlichkeit weitestgehend bekannt waren und diskutiert wurden, alle befassten Gremien ordnungsgemäß eingebunden waren und den entscheidenden Personen keine strafrechtlich relevanten Vorwürfe gemacht werden können.

(Aufzeichnung des Dossiers: Matthias Heinrich / Hermann-Arndt Riethmüller am 25.7.2012)

Kommentare (0)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert