Aldi & die Stiftung? Dr. Jörg F. Maas antwortet auf die Kritik an der Stiftung Lesen

Gestern hatten wir berichtet, dass die Stiftung Lesen ihren Stifterrat um die die Unternehmensgruppe ALDI Süd erweitert hat. Nicht überall hat das im Buchhandel Anklang gefunden [mehr…]. Das war Anlass für Fragen an Dr. Jörg F. Maas (Foto), den Hauptgeschäftsführer der Stiftung.

BuchMarkt: Herr Dr. Maas, Sie haben nicht ohne Stolz Aldi als neuen Partner vermeldet…

Dr. Jörg F. Maas:
„Starke Partner aus allen Branchen
sind der Weg, um alle gesellschaftlichen
Gruppen für das Thema zu sensibilisieren
und aus Deutschland Leseland
zu machen“

Jörg Maas: Ja, denn die Kooperation mit dem Lebensmitteleinzelhandel bietet uns die Chance, eine außerordentlich hohe Zahl an Familien zu erreichen und deren gemeinsame Freude am Lesen und Vorlesen zu wecken – und die Eltern zu motivieren ihren Kindern ein Buch mitzubringen und vorzulesen.

Und dann hagelt es Kritik… Ist Aldi denn bei dem Ziel, Lesekompetenz zu fördern, wirklich der richtige Partner?

Die Zusammenarbeit mit Aldi Süd reiht sich ein in eine Vielzahl von Projekten der Stiftung Lesen für Kinder, Jugendliche und Familien, in Kitas, Schulen oder Bibliotheken – die wir wiederum mit den unterschiedlichsten Partnern realisieren. All diese Kooperationen basieren auf der Notwendigkeit, reichweitenstarke, niedrigschwellige Zugänge zum Lesen zu ermöglichen.

Haben Sie mit der Kritik aus dem Buchhandel denn nicht gerechnet?

Doch, dass der Buchhandel auf die Aktion reagieren würde, damit haben wir gerechnet. Wir verstehen die Einwände des Buchhandels, sind aber der Meinung, dass wir die Menschen im Sinne der Leseförderung auch dort abholen müssen, wo sie tagtäglich unterwegs sind. Und das ist eben auch im Lebensmitteleinzelhandel der Fall. Wenn die dann Feuer für das Lesen fangen, haben wir den Weg bereitet und in der Buchhandlung können sie gezielt die Bücher finden, die sie dann interessieren.

Ein Verdacht ist, dass die Stiftung jetzt von Aldi „benutzt“ wird, um Billig-Buchprodukte mit dem Gütesigel der Stiftung zu adeln…

Wir verschenken keine Gütesiegel. Die Unternehmensgruppe Aldi Süd arbeitet bereits mit unterschiedlichen Verlagen zusammen. Wir beraten die Unternehmensgruppe bei der Auswahl und inhaltlichen Gestaltung ihres Buchangebots. Dies geschieht mittels eines Kriterienkatalogs, anhand dessen die inhaltliche, gestalterische und lesedidaktische Qualität von Büchern verbessert werden soll. Aldi Süd ist Mitglied im Stifterrat der Stiftung Lesen geworden, weil sie der Überzeugung sind, dass Lesen der Anfang von Bildung ist. Darin sind wir uns mit vielen öffentlichen und privaten Partnern und Verbündeten in Deutschland im Sinne der Leseförderung einig.

Manche sehen die gemeinsamen Aktionen von Buchhandel und Stiftung Lesen, wie die Aktion „Ich schenk dir eine Geschichte“ in Gefahr.

Im nächsten Jahr arbeiten wir seit 20 Jahren mit dem Börsenverein, den Buchhandlungen und anderen Partnern bei der Aktion „Ich schenk dir eine Geschichte“ rund um den Welttag des Buches zusammen. Das ist eine tolle und erfolgreiche Kooperation, denn das Welttagsbuch hat jedes Jahr eine Auflage von über 1 Million. Kein anderes Kinderbuch wird in einer Erstauflage dieser Höhe veröffentlicht. Eine Aktion, die die Kinder direkt in die Buchhandlungen bringt, halten wir nach wie vor für wichtig und notwendig.

Sie sagen, die Aktion beschädigt nicht die Kooperationen mit den traditionellen Partnern in der Leseförderung?

Nein, wir freuen uns generell über innovative Kooperationsideen, die Familien, Kinder und Jugendliche an das Lesen heranführen und motivieren, zum Buch zu greifen.

Wir sind auch hin-und hergerissen – immerhin müsste man um jede Aktion froh sein, die dazu führt, dass mehr gelesen wird und Bücher am Ort – wo auch immer – gekauft werden können.

Richtig. Denn: Rund 7,5 Millionen Menschen gelten in Deutschland als funktionale Analphabeten, die nicht fähig sind, einfache Texte zu lesen und zu verstehen. Fast 15 Prozent aller 15-Jährigen besitzen nur unzureichende Schreib- und Lesekompetenzen. Die Herausforderung besteht darin, zu verhindern, dass sich diese Zahlen von Generation zu Generation wiederholen. Erst im März betonte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) die elementare Bedeutung der Lesekompetenz für das Lernen und den schulischen und späteren beruflichen Erfolg. Dabei ist für uns der Buchhandel ein wichtiger Partner, der Lebensmitteleinzelhandel und andere Aktionen aber auch. Starke Partner aus allen Branchen sind der Weg, um alle gesellschaftlichen Gruppen für das Thema zu sensibilisieren und aus Deutschland Leseland zu machen.

Die Fragen stellte Christian von Zittwitz

Kommentare (0)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert