AVJ meldet sich in Briefen an die Politik zu Wort

Klaus Willberg, Vorsitzender des Vorstandes der Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen (avj) und Verleger der Thienemann Verlag GmbH, hat sich jetzt für die avj mit folgendem Brief an führende Politiker gewandt. Er ging an alle Ministerinnen und Minister sowie Senatorinnen und Senatoren für Kultus und Bildung:

„Die Ankündigung der Verlagshäuser Spiegel und Springer, in ihren Publikationen wieder die alte Rechtschreibung zu verwenden, hat die gewünschte öffentlichkeitswirksame und provozierende Wirkung nicht verfehlt. Die Diskussion um die Rechtschreibreform hat nun die Stammtische erreicht und ist unsachlicher denn je.

Dabei wird leider allzuoft vergessen, dass es Verlagshäusern wie den oben genannten aufgrund ihrer kurzlebigen Publikationen ein Leichtes ist, eine Umstellung der Rechtschreibung zu bewerkstelligen, nicht aber den sehr vielen klein- und mittelständischen Verlagsunternehmen, die das Verlegen von langlebigen Büchern zu ihrer Aufgabe gemacht haben.

Zu diesen gehören auch die über 70 Verlage, die in der Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen (avj) zusammengeschlossen sind, in deren Programmen u.a. die Werke der bedeutenden Klassiker Michael Ende, Astrid Lindgren, Erich Kästner und Otfried Preußler zu finden sind.

Diese Verlage, die – wie die Schulbuchverlage auch – der Förderung des Lesens besonders verpflichtet sind, haben mit Einführung der neuen Rechtschreibung 1996 im Vertrauen auf die Verlässlichkeit der Beschlüsse der Kultusministerkonferenz und im Bewußtsein für ihre Verantwortung gegenüber den jungen Generationen ihr gesamtes Programm auf die neue Rechtschreibung umgestellt.

Vor allem für die Backlist, mit der die Kinder- und Jugendbuchverlage gut die Hälfte ihres Umsatzes erwirtschaften, bedeutete dies erhebliche finanzielle Belastungen, die die Verlage zu verkraften bereit waren, weil sie sie als Investition in die Zukunft gesehen haben.

Sollte der Druck großer Verlagshäuser und die dadurch verstärkt polemische Diskussion um die neue Rechtschreibung dazu führen, dass diese rückgängig gemacht würde, müßte ernsthaft geprüft werden, wer für den finanziellen Aufwand, den die Kinder- und Jugendbuchverlagen erneut zu verkraften versuchen müßten, aufzukommen hat.

Abgesehen davon, dass Lektorinnen und Lektoren, die mit der neuen Rechtschreibung ebenso bestens vertraut sind, wie die Schülerinnen und Schüler, die sie längst erlernt haben, umgeschult werden müßten, würden die Kosten für den Neusatz der Backlist-Titel wie der hohe Abschreibungsbedarf vorhandener Bestände viele vor allem klein- und mittelständische Kinder- und Jugendbuchverlage so belasten, dass ihre Substanz ernsthaft gefährdet wäre.

Vor dem Hintergrund, dass die Kinder- und Jugendbuchverlage etwa soviel Umsatz erwirtschaften wie die meist bekannteren Belletristik-Verlage, hätte die Rücknahme der neuen Rechtschreibung verheerende Auswirkungen in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation.

Die Bücher der Kinder- und Jugendbuchverlage bedeuteten und bedeuten für Generationen von jungen Leserinnen und Lesern die erste prägende Begegnung mit Leseerlebnis und Literatur. Eine Generation hat nun mit Jim Knopf, Pippi Langstrumpf, dem doppelte Lottchen, dem Räuber Hotzenplotz mühelos die neue Rechtschreibung erlernt. Warum sollte es die nachfolgende nicht auch können im Sinne einer kontinuierlichen Ausbildung junger Menschen, die unsere Zukunft bedeuten.

Nicht die Bewältigung eines gewaltigen Kostendrucks mit ungewissem Ausgang, sondern die Vielfalt und Sorgfalt bei der Bereitstellung von Literatur für Kinder und Jugendliche sollte im Mittelpunkt der Arbeit der Kinder- und Jugendbuchverlage stehen.

Auch deshalb möchte ich Sie im Namen der etwa 70 Mitgliedsverlage der Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen (avj) eindringlich bitten, dafür Sorge zu tragen, dass der ab 1996 vorgegebenen Weg unabhängig von z.B. kurzlebigen, die Auflage steigernden Marketing-Aktionen meinungsbestimmender Verlagshäuser konsequent weitergegangen wird.

Mit freundlichen Grüßen
Klaus Willberg
Vorsitzender des Vorstandes der
Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen (avj)
Verleger der
Thienemann Verlag GmbH

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