Christian Strasser antwortet auf Vorwürfe wegen Vergabe der Grisham Lizenz

Ein offener Brief von Heinrich Riethmüller (Osiandersche Buchhandlung, Tübingen), der inzwischen dem BÖRSENBLATT vorliegt (und den wir hier auch abdrucken), hat Heyne-Verleger Christian Strasser (Foto: in Leipzig mit seiner Autorin Barbara Pease, die mit ihrem Buch „Warum Männer nicht ….“ das derzeit erfolgreichste Taschenbuch (bei Ullstein über eine Million Expl. in nur 15 Monaten!!!!) geschrieben hat, zu einer Antwort an Heinrich Riethmüller veranlasst. Wir veröffentlichen beide hier, weil sie exemplarischen Charakter haben. Zunächst der offene Brief von H. Riethmüller:

Sehr geehrter Herr Strasser,

über die Branchenpresse erfahren wir, dass der neue Roman von Grisham ab nächsten Montag im Bertelsmann-Club erhältlich sein wird, der „normale“ Buchhandel dieses Buch dann ab August (für 4 € teurer) verkaufen darf. Damit setzen Sie eine Vertriebspolitik fort, die Sie vor zwei Jahren mit der vorzeitigen Lizenzvergabe von Lamb „Die Musik der Wale“ an den Club eingeleitet, aber aufgrund des Protestes des Sortimentsbuchhandels wieder
eingestellt haben. Bei einem Gespräch auf der Buchmesse 1999 zwischen uns beiden zeigten Sie sich den Argumenten des Sortimentsbuchhandels noch aufgeschlossen, verstanden unseren Ärger und versprachen reuig, dass Ihre Verlagsgruppe in Zukunft keine Lizenzen mehr als Erstverwertung an Weltbild oder den Club geben würde. Sind das Versprechen von Ihnen und Ihr Wort nichts mehr wert? Denn die Argumente von uns Buchhändlern sind dieselben
geblieben: Der Buchhandel mit seinem einzigartigen Vertriebsnetz ist der Handelspartner Nr.1 der meisten Verlage. Ohne unsere Läden, ohne unsere geschulten Mitarbeiter und ohne unser Engagement können Sie Ihre Bücher nicht verkaufen. Dies haben Sie offensichtlich bis heute nicht begriffen, sonst würden Sie den Sortimentsbuchhandel nicht in die Rolle des Zweitverwerters drängen. Wir lassen uns nicht zum Opfer eines Machtkampfes zwischen Club und Weltbild machen, bei dem Sie geschickt Ihre Interessen ausspielen, sondern wir wissen uns zu wehren. Wir werden den neuen Grisham bei Ihnen nicht einkaufen, unsere geplante Sommer-Prosepektbeilage für Ihre Verlagsgruppe stornieren und bei aller Wertschätzung Ihren Vertreter nicht
mehr empfangen. Machen Sie Ihre Geschäfte mit dem Club und mit Weltbild, es gibt – Gott sei Dank – noch andere Verlage, die wissen, wer ihre Hauptkunden sind und wie man mit diesen umgeht.

Mit freundlichen Grüßen
Heinrich Riethmüller
Osiandersche Buchhandlung Wilhelmstr. 12, 72074 Tübingen Tel. 07071-9201130,
email: hr@osiander.de

Hier die Antwort von Christian Strasser:

Sehr geehrter Herr Riethmüller,

von der Buchhändlervereinigung erhalten ich eine Kopie Ihres „Offenen Briefes“, den Sie im Börsenblatt abdrucken lassen wollen. So sehr ich auch eine emotionale Reaktion Ihrerseits auf die Ihrem Brief zugrunde liegende Sachlage verstehen kann, so sehr muß ich den Heyne Verlag und auch mich persönlich gegen Inhalt und Form Ihrer Kritik verwahren.

Bei der Lizenz, die Heyne an den Club gab, handelt es sich nicht um einen „klassischen“ Spannungsroman von John Grisham. Vielmehr sind es in Buchform veröffentlichte autobiographische Jugenderinnerungen des Autors, die schon vor längerer Zeit in den USA in einem kleineren Südstaaten-Magazin als Fortsetzunsroman abgedruckt waren. Heyne mußte, um den Autor weiterhin im Verlag zu halten (in Amerika erscheint John Grisham bei Doubleday, einer Tochter von Bertelsmann/Random House), für diese autobiographischen Aufzeichnungen trotzdem die gleiche, sehr hohe Lizenzsumme zahlen, wie wir es für einen „richtigen“ Grisham tun. Nach meiner Einschätzung ist diese Summe durch einen normalen Verkauf der Buchhandelsausgabe auch nicht annähernd einzuspielen, da der typische Grisham-Leser einen Spannungsroman erwartet, bei dem, wie der Autor letzte Woche im STERN-Interview sagte, quasi jede Zeile eine neue Überraschung bringt. Deshalb haben wir uns – durchaus mit gemischten Gefühlen und nach ausführlicher Diskussion, auch mit unseren Vertretern – entschieden, das Angebot des Clubs anzunehmen. Wir haben uns damit vollkommen regelkonform, d.h. sowohl im Rahmen des Potsdamer Abkommens als auch der buchhändlerischen Verkehrsordnung bzw. des vorliegenden Preisbindungsgesetzes verhalten. Diese Regeln wurden auch von den im Börsenverein tätigen Organen, also auch dem Sortimenterausschuß, beschlossen.

Um einen möglichen Nachteil vom Sortiment abzuwehren, hat Heyne alles in seinen Kräften stehende getan, um den wirklichen neuen Grisham mit dem Titel „Der Richter“ kurz vor der Club-Ausgabe ebenfalls auf den deutschen Markt zu bringen. Damit erschien erstmalig ein Buch des Autors zeitgleich in USA und Deutschland. Nicht nur haben wir für diesen Titel ein besonderes Werbebudget zur Verfügung gestellt (das Buch ist in kürzester Zeit auf Platz 2 der SPIEGEL-Bestsellerliste gelandet), sondern haben den Erscheinungstermin in unserer Gesamtkonzeption im Interesse des Buchhandels minutiös auf die Club-Aktivitäten abgestimmt. Dieser werden nämlich aller Voraussicht nach darin bestehen, in der Öffentlichkeit damit zu werben, daß „Der neue Grisham jetzt beim Club!“ ist. Unser Kalkül war und ist es, daß jeder Buchhändler für den Fall, daß ein durch die Club-Werbung angelockter Kunde in seiner Buchhandlung nach dem neuen Grisham fragt, ihm problemlos den „wirklich“ Neuen präsentieren kann. Wir hoffen also, daß das Sortiment in den Genuß einer sicher gewaltigen Club-Werbung kommt und anstelle eines möglichen Nachteils den Vorteil eines leicht zu machenden Zusatzumsatzes genießt.

Natürlich gebe ich zu, daß diese unsere Strategie außergewöhnlich ist, ja waghalsig. Und trotzdem wird sie bei genauer Analyse keinen Buchhändler bloßstellen. Sollte jedoch durch unsere konzeptionellen Überlegungen ein Sortimentsbuchhändler sich in seiner Identität verletzt und in seinem Geschäft geschädigt fühlen, bitte ich hiermit formell um Entschuldigung und Nachsicht. Wir haben versucht, aus einer extrem schwierigen Situation für alle Beteiligten das Beste zu machen.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit einen wichtigen Punkt nicht unerwähnt lassen: Unsere Entscheidung,
die schon einige Monate zurückliegt, fällt nun in die hitzige Diskussionsphase um die genaue Ausformulierung des neuen Preisbindungsgesetzes, in dem auch die Bedingungen für Club- und Welt-bildausgaben festgeschrieben werden sollen. Ich betone noch einmal mit allem Nachdruck, daß wir uns den bestehenden Regelungen nach dem sogenannten Potsdamer Abkommen verpflichtet fühlen und diese auch für ausreichend halten. Eine emotionsgeladene Debatte mit der Verhängung von Strafmaß-nahmen und der Benennung eines Prügelknaben spielt nur Kräften in die Hände, die nicht die berech-tigten Interessen des Buchhandels im Blick haben.

In diesem Sinne, sehr geehrter Herr Riethmüller, bitte ich Sie und alle unsere Partner im Buchhandel um eine sachliche und faire Beurteilung dieses Falles und wiederhole gerne, daß der Buchhandel uneingeschränkt der wichtigste Vertriebs- und Handelspartner all unserer Verlage ist, eine Einstellung, die wir durch zahlreiche Aktivitäten der letzten Jahre bei unendlich vielen Anlässen permanent bewiesen haben.

Mit freundlichen Grüßen

Christian Strasser

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