Die „Science Fiction“ der Vergangenheit

Das Medium des Monats, buchmarkt-online-Leser wird’s nicht wundern [mehr…] [mehr…], kommt von unserem Lieblingsautor Neal Stephenson http://www.nealstephenson.com und ist der zweite Band seines Barock-Zyklus‘ mit dem Titel The Confusion (816 S., ab 17,- E., Verlag William Morrow/HarperCollins).

Während wir in Deutschland recht ungeduldig auf Band 1 des Zyklus‘ Quicksilver http://www.quicksilver.com warten, den Random House (Manhattan Verlag) für September angekündigt hat (ca. 1184 Seiten!), eröffnet Stephenson The Confusion mit einem Paukenschlag: Jack Shaftoe, der König der Vagabunden, einer der Hauptprotagonisten in Quicksilver, der uns dort leider abhanden kam, ist wieder da. Zwar versklavt und in Ketten gelegt, aber quicklebendig und wie immer mit den coolsten Sprüchen auf den Lippen.

The Confusion umfasst die Zeitspanne von 1689-1702 und Stephenson hat seinen Roman in zwei „Novellen“, wie er es nennt, unterteilt: Bonanza (die Goldgrube) und Juncto (die Kreuzung, die Verbindungsstelle). Während Bonanza im gesamten arabischen Mittelmeerraum bis tief hinein nach Afrika spielt und die Geschichte von Jack Shaftoe, seiner Piratengang und einem sagenhaften Goldraub erzählt, spielt Juncto hauptsächlich in Frankreich, England, Holland und Deutschland. Das ist nicht nur die Hochzeit des französischen Sonnenkönigs, Ludwig des XIV., und seines gewaltigen Hofstaats in Versailles, sondern auch exakt die Thronzeit des englischen Königs Wilhelm III. von Oranien (freiheitlich-protestanisch, seit 1672 Statthalter und Oberbefehlshaber der Niederlande) in Großbritannien. Die Zeit des Merkantilismus‘ aber auch der englischen „Bill of Rights“. In diesem europäischen Spannungsfeld bewegen sich die anderen Helden der Geschichte, der Wissenschaftler und Cryptograph Daniel Waterhouse, der Codebrecher des französischen Königs, Bonaventure Rossignol, die Universalgelehrten Newton und Leibniz und Eliza, die von Jack Shaftoe in Quicksilver aus einem türkischen Harem befreit wurde und es inzwischen zur Gräfin von Zeur und Herzogin von Qwghlm geschafft hat. Und, die Damen bitte aufgepasst, Eliza ist DIE tragende Figur in Confusion. Mit anderen Worten: Neal Stephenson, der Vorzeige-Science-Fiction-Autor, der längst in der Vergangenheit angekommen ist, hat in weiten Teilen auch einen „Frauenroman“ geschrieben. Eliza ist es, die die Fäden zwischen London und Versailles in den Händen hält, die Zugang zur Holländischen Börse und dem Geld-Handelsplatz Lyon hat, die mit Leibniz ebenso korrespondiert wie mit dem deutschen Banker Lothar von Hacklheber oder mit Jack’s Bruder, Bob Shaftoe, schläft.

Im Gegensatz zu Quicksilver, das erst im letzten Drittel an Tempo gewinnt, geht Confusion nicht nur rasend los, sondern treibt die Handlung auf allen Ebenen gnadenlos voran. Ein Schatz an Geschichten, Personen und Verknüpfungen. Wohl eher, zusammen mit Quicksilver, jetzt schon eher ein Ort, den wir immer wieder gerne besuchen, darin eintauchen und uns darin tummeln, als ein reines Buch. Zum Schnuppern: Website des Monats [mehr…]
STEFAN BECHT stefan@stefanbecht.de

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