Einstweilige Verfügung gegen „Das Amt und die Vergangenheit“ – allerdings wirksam nur für zukünftige Auflagen

Rainer Dresen

Das Landgericht Hamburg hat vor ein paar Tagen dem Blessing Verlag verboten, in künftigen Auflagen seines Bestsellers Das Amt und die Vergangenheit zu behaupten, dass der mittlerweile 92-jährige Ex-Diplomat Felix Gaerte ein ehemaliger SS-Untersturmführer war, der nach dem Krieg unter Angabe falscher Personalien im Auswärtigen Amt wiederbeschäftigt worden war. Die ZEIT 10/2011 hat den Fall aufgegriffen. Wir sprachen mit dem Justitiar des Verlages, Rainer Dresen.

buchmarkt.de: Herr Dresen, es kommt nicht alle Tage vor, dass ein 92-jähriger älterer Herr gegen ein Buch klagt. Worum geht es in der Klage gegen „Das Amt und die Vergangenheit“?

Rainer Dresen: In der Tat, den bisherigen Altersrekord meiner Kontrahenten im Streit um Buchinhalte hielt der 1927 geborene Günter Grass. Letzterer beschwerte sich bekanntlich gegen die Aussage in einer bei Goldmann erschienen, von Michael Jürgs geschriebenen Biographie, er sei freiwillig der Waffen-SS beigetreten. Der Streit konnte schließlich einvernehmlich beigelegt werden. Felix Gaerte übertrifft die causa Grass nicht nur mit seinem Geburtsjahr 1918, sondern auch dadurch, dass er anders als Grass nicht aufgrund einer Meldung als Wehrmachts-Freiwilliger „irgendwie“ und angeblich ohne eigenes Zutun bei der Waffen-SS gelandet ist. Felix Gaerte hatte sich nach unseren Erkenntnissen um der Karriere willen bewusst für die Mitgliedschaft in der allgemeinen SS entschieden. Weil es seinem Studium der Rechtswissenschaften förderlich war, trat der spätere Spitzendiplomat an schönen Einsatzorten wie Melbourne und Bombay bereits 1937 der SS bei und wurde seitdem als „Bewerber“ geführt. Und wie es sich für SS-Männer im Bemühen um die Reinerhaltung des Blutes damals gehörte, suchte er vor seiner Eheschließung im Jahr 1944 brav beim Reichsführer SS Himmler um eine Heiratsgenehmigung nach. Zwar ließ es seine Ehefrau in spe an der eigentlich obligatorischen Mutterschulung fehlen, diese aber durfte „nachgereicht“ werden. In diesem Kontext wurde eine Eintragung Gaertes in der „SS-Sippenakte“ vorgenommen, die sich – vielleicht zur Überraschung Gaertes und seines Anwalts – mitsamt SS-Mitgliedsnummer noch heute in den Archiven findet.

buchmarkt.de: Weshalb hat das Landgericht Hamburg lediglich den Vertrieb unveränderter künftiger Auflagen verboten?]

Rainer Dresen: Ein per anwaltliche Abmahnung gestelltes, anfängliches Unterlassungsbegehren sah noch ganz anders aus. Vollmundig verlangte der Anwalt nichts weniger als eine entschuldigende Presseerklärung des Verlages, einen klarstellenden Einleger in bereits gedruckte und auch in bereits ausgelieferte Bücher sowie eine Geldentschädigung in fünfstelliger Höhe wegen der erlittenen Rufschädigung. Als wir dem nicht nachkamen und stattdessen auf Schadensersatzzahlungen an uns für den Fall eines ungerechtfertigten Vertriebsstopps hinwiesen, reduzierte der Anwalt seinen Verfügungsantrag auf ein bloßes Vertriebsverbot für künftige Auflagen. Obwohl der Anwalt in Bonn, der Kläger in Düsseldorf und der Verlag in München sitzt, wurde der Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung bei der hinlänglich bekannten Pressekammer des Landgerichts Hamburg gestellt. Und der scherzhaft manchmal „Kammer des Schreckens“ genannte Spruchkörper wurde seinem Ruf als oberste Verbotsinstanz des Landes einmal mehr gerecht. Kurzerhand erließ das Gericht die Verbotsverfügung.

buchmarkt.de: Was ist seitdem passiert?]

Rainer Dresen: Die Ergebnisse der zur Begründung unseres sofortigen Widerspruchs gegen die Verfügung von Seiten namhafter Historiker angestellten zusätzlichen Recherchen zeigen unserer Auffassung nach, dass alle von Gaerte geleugneten, in “ Das Amt und die Vergangenheit “ über ihn geäußerten Tatsachen nachweislich zutreffen. Zusätzlich bestätigt Felix Gaerte selbst die wesentlichen Behauptungen über ihn in seiner 2001 im Grazer Leopold Stocker Verlag erschienen Biographie mit dem etwas rätselhaften Titel „Auch im Westen pfeift der Wind“. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz und das Oberlandesgericht Steiermark bestätigten übrigens in zwei Urteilen, dass man in der Kritik über manche Autoren und Veröffentlichungen dieses Verlags zulässigerweise die Begriffe „rassistisch“, „antisemitisch“ und rechtsextrem“ verwenden darf. Wir gehen davon aus, dass das Gericht auf unseren Widerspruch hin die Verfügung aufheben wird.

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