Erklärung: Wissenschaftler gegen Kultusministerkonferenz

Heute macht sich der TAGESSPIEGEL unter der Überschrift: „Schlaft weiter!“ über die Gegner der Rechtschreibreform lustig („Sie können einem leid tun oder Leid. Egal. Wie die Gegner der Rechtschreibreform die heutige Plenarsitzung der Kultusministerkonferenz schon wieder zum deutschen Schicksalstag stilisieren, tut weh.
Seit Wochen rüsten sie publizistisch zum letzten Gefecht, als gäbe es außer der Schmach jahrelanger Niederlagen etwas zu bekämpfen: Die am 1.August 1998 beschlossene Reform soll am 1.August 2005 verbindlich werden.“)

Diese haben heute morgen der in Mainz tagenden Kultusministerkonferenz diese Erklärung zugestellt :

An die Kultusminister der Länder
der Bundesrepublik Deutschland 2. Juni 2004

Sehr geehrte Damen,
sehr geehrte Herren,

wir haben Sie in unserem gemeinsamen Brief vom 12. November 2003 darum gebeten, nicht an den Regelungen der Rechtschreibreform von 1998 festzuhalten und statt dessen eine durchgreifende Revision derselben in die Wege zu leiten. Wir verwiesen dabei auf die in den letzten Jahren gesammelten Erfahrungen, welche die von namhaften Sprachwissenschaftlern, Schriftstellern und Publizisten vorgebrachte Kritik der Neuregelung bestätigt haben. Wir verwiesen ferner auf den von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung im Frühjahr 2003 vorgestellten Kompromißvorschlag, dessen mögliche Übernahme wir als „wichtige Maßnahme auf dem Weg zur Wiederherstellung einer einheitlichen deutschen Rechtschreibung“ bezeichneten.

Auf der 305. Kultusministerkonferenz faßten Sie daraufhin den Beschluß, die Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung mit Vertretern der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung über mögliche Veränderungen am amtlichen Regelwerk von 1995 beraten zu lassen. Wie uns nun bekannt wird, sind diese Unterredungen ohne jedes Ergebnis geblieben.

Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung hat ihren Kompromißvorschlag zurückhaltend als „zweitbeste Lösung“ der orthographischen Probleme bezeichnet. Sie hat sich in ihrem Entwurf darauf beschränkt, vorläufig nur die offenkundigsten und unerträglichsten Mängel der Reformrechtschreibung abstellen zu wollen. Darin lag ein großes Entgegenkommen. Die Vertreter der Akademie haben jedoch feststellen müssen, daß die Zwischenstaatliche Kommission zu einem reziproken Entgegenkommen durchaus nicht bereit war. Die Kommission beharrt auf ihrem Standpunkt, daß die in ihrem 4. Bericht dargelegten Änderungsvorschläge zur Behebung aller Probleme ausreichten. Unseres Erachtens sind diese Vorschläge aber keinesfalls geeignet, eine Wiedervereinigung der seit einigen Jahren gespaltenen deutschen Orthographie anzubahnen.

Wir stellen fest, daß die Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung ihrem Auftrag zur „Wahrung der Einheitlichkeit der deutschen Rechtschreibung“ in offensichtlicher Weise nicht nachkommt.

Wir ersuchen Sie hiermit, auf Ihrer nächsten Zusammenkunft die von der Kommission vorgelegten Änderungsvorschläge abzulehnen. Die Reformrechtschreibung sollte weder in der ursprünglichen noch in der jetzt vorgeschlagenen Fassung zur ab dem 1. August 2005 allein verbindlichen Schulorthographie erklärt werden. Ein solcher Beschluß wäre weder im Interesse der Lehrer, Schüler und Eltern noch in dem der deutschen Sprache und ihrer Sprecher überhaupt.

Professor Dr. Adolf Muschg
Präsident der Akademie der Künste, Berlin

Professor Dr. Wieland Schmied
Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste

Dieser Erklärung schließen sich folgende Institutionen an:

Sächsische Akademie der Künste
Präsident Professor Dr. Ingo Zimmermann

Sächsische Akademie der Wissenschaften
Präsident Professor Dr. Gotthard Lerchner

Akademie der Wissenschaften Heidelberg
Präsident Professor Dr. Peter Graf Kielmansegg

Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften
Präsident Professor Dr. Helmut Sies

Bayerische Akademie der Wissenschaften
Präsident Professor Dr. Heinrich Nöth

Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
Präsident Professor Dr. Dieter Simon

Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz
Präsident Professor Dr. Clemes Zintzen

Akademie der Wissenschaften in Göttingen
Präsident Professor Dr. Herbert W. Roesky

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