Felix Hoffmann – gibt es neue Geschäftsmodelle jetzt auch für Unkreative?

Freitags um fünf: Was bewegt jetzt die Branche? Michael Lemsters Frage der Woche an Strategieberater Felix Hofmann.

Felix Hofmann, geb. am 7. Februar1983 in Königs Wusterhausen, studierte Wirtschaft an der HWR Berlin und der Universität St. Gallen. Er war Mitbegründer des Academic Reading-Portals PaperC. Gegenwärtig leitet er als Geschäftsführer die BMI Lab AG, eine Ausgründung des Instituts für Technologiemanagement (ITEM-HSG) an der Universität St. Gallen, unter deren Ägide der St. Galler Business Model Navigator entstand, eine Toolbox zum Innovations-Management.

Felix Hofmann, dicke Strategiebücher sind aus dem Markt für Managementliteratur nicht wegzudenken, denn sie geben den überforderten Führungskräften zwischendurch das beruhigende Gefühl, alles im Griff zu haben. Darf man das Buch auf diesen Stapel legen?

Felix Hoffmann

Felix Hofmann: Das Buch „Geschäftsmodelle entwickeln“ beschreibt eine Methodik, wie man sehr systematisch neue Geschäftsmodelle entwickeln kann. Es ist also eher eine Bauanleitung zum Experimentieren als ein abstraktes Strategiewerk. Vielleicht ist deswegen unsere Methodik auch gerade bei sehr ingenieurlastigen Industrieunternehmen so beliebt.

Aus dem Buch könnte man herauslesen, dass die angebeteten Gründer wie Jeff Bezos, Steve Jobs oder Bill Gates – von PaperC-Mitbegründer Felix Hofmann ganz zu schweigen – gar nicht so kreativ waren, sondern ihre angeblich grundstürzenden Ideen aus dem Baukasten hatten. Das beruhigt mich in der Tat…

Felix Hofmann: Viele Menschen haben eine völlig falsche Vorstellung von dem Prozess, wie neue Geschäftsideen oder Geschäftsmodelle entstehen. Sie glauben, dass man eine geniale Idee braucht. Als Gründer habe ich auch mit vielen Wanna-be-Gründern gesprochen, die auf die geniale Idee warten. Fakt ist, dass viele Ideen gar nicht so neu sind. Oftmals gab es sie schon in ähnlicher Form. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Der Erfolg von Nespresso basiert auf dem gleichen Muster, mit dem schon HP-Druckerpatronen erfolgreich verkauft wurden. Davor hatte Gillette bereits das gleiche Geschäftsmodellmuster für Rasierklingen verwendet – wir nennen dieses Muster daher auch „Razor and Blade“-Modell.

Versuchen Sie bitte einmal die These des St. Galler Business Model Navigator auf den Punkt zu bringen!

Felix Hofmann: Der St.Galler Business Model Navigator beschreibt eine systematische Methodik, bei der man sein eigenes Geschäftsmodell durchleuchtet, durch kreative Adaption neue Ideen entwickelt und iterativ ein am Ende in sich stimmiges Geschäftsmodell implementiert. Unser Fokus liegt dabei gerade auf dem Geschäftsmodell-Innovationsprozess von etablierten Unternehmen.

Nun ist es nicht eben neu, das zu kopieren, was nebenan sichtlich gut funktioniert – gerade Verlage wissen das sehr gut. Was ist das Innovative am Navigator?

Felix Hofmann: Das Institut für Technologiemanagement hat unter der Leitung von Prof. Oliver Gassmann in fünf Jahren Forschung 55 Geschäftsmodellmuster identifiziert. Eines davon ist das bereits erwähnte „Razor and Blade“. Andere sind zum Beispiel „Add-on“ oder „Freemium“. Das Problem bei Beispielen ist immer, dass man zwar den Charme eines spannenden Beispiels wie etwa „Skype“ schnell erkennt, dass aber viele Menschen Probleme haben zu realisieren, was das für ihr Unternehmen bedeuten kann. Die Geschäftsmodellmuster hingegen zeigen, dass viele Erfolgsmodelle in den unterschiedlichsten Branchen, egal ob B-to-B oder B-to-C, funktionieren können. Das macht es leichter, Ideen kreativ auf das eigene Geschäftsmodell zu übertragen.

Wer jemals in einem Kreativ-Seminar gesessen hat – vielleicht gar zusammen mit lauter anderen unfreiwilligen Teilnehmern -, weiß nur allzu gut, wie wenig dabei für die Praxis rauskommen kann. Warum sollte das beim Business Model Navigator anders sein?

Felix Hofmann: Also, die Teilnehmer in den Workshops, die das BMI Lab anbietet, kommen in der Regel freiwillig. Und natürlich, nicht immer gibt es am Ende Resultate, die sofort umgesetzt werden. Das hängt ja von ganz vielen Faktoren ab. Wichtig ist natürlich, dass das Top-Management dahinter steht und auch bereit ist, Risiken – und das sind neue Geschäftsmodelle immer – einzugehen.

Wer sitzt so in Ihren Workshops – das C-Level, das es ja eigentlich zentral angeht, oder schicken die wie üblich ihre Abteilungs- oder Bereichsleiter?

Felix Hofmann: Wir kommunizieren ganz klar, dass im Rahmen eines Workshops auch immer Entscheider mit dabei sein müssen. Aber nicht nur die sind wichtig! Idealerweise sind auch Kunden und Lieferanten bzw. Partnerunternehmen dabei. Es bringt gar nichts, wenn sich ein paar Manager ein neues Geschäftsmodell ausdenken, bei dem später der Lieferant nicht mitspielt oder der Kunde nicht bereit ist, dafür zu zahlen.

Zur erfolgreichen Innovation gehört aber doch nicht nur Business Engineering. Dazu gehört auch Begeisterung auf allen Ebenen der Hierarchie. Wer jemals in einem Start-up tätig war, weiß das. Wie sorgen Sie dafür, dass der Segen bei den Mitarbeitern ankommt?

Felix Hofmann: Change Management hat in unseren Workshops einen großen Stellenwert. Wie nehme ich die Mitarbeiter mit, wenn ich heute erzähle, dass wir ein neues Geschäftsmodell brauchen, damit wir morgen noch überlebensfähig sind. Das sind wichtige Fragen, welche jedoch nicht alle in dem Buch abgehandelt werden. Dafür ist das Buch nicht dick genug.

Haben Sie mit Ihrer Methode schon mal ein Unternehmen nachweislich gerettet oder groß gemacht?

Felix Hofmann: Hilti hat zusammen mit dem Institut für Technologiemanagement sein Geschäftsmodell vor einigen Jahren radikal überarbeitet. Es ist daher auch eines der erfolgreichen Beispiele in dem Buch. Allerdings gab es damals die Methodik des St. Galler Business Model Navigators noch nicht in der Form, wie es sie heute gibt.

Ist der Navigator auf die Medienbranche oder den Präsenzhandel anwendbar?

Felix Hofmann: Wir haben das bei der letzten E:Publish Konferenz im November 2013 in einem Workshop ausprobiert. Dabei kamen viele coole Geschäftsmodelle raus. Allerdings muss man sagen, dass in der Buch- und Medienbranche schon sehr viel mit allen möglichen Geschäftsmodellen experimentiert wird. In anderen Branchen sieht es da noch ganz anders aus.

Werden hier statt neuer Businessmodelle nicht eher andere Tugenden wie Kundenorientierung oder Beschleunigung gebraucht?

Felix Hofmann: Natürlich werden sich die Geschäftsmodelle in der Buch- und Medienbranche weiterhin radikal ändern. Richtig ist aber auch, dass ein innovatives Geschäftsmodell allein nicht ausreicht, um erfolgreich zu sein. Das gilt übrigens für alle Branchen.

Gerade im Belletristik- oder Sachbuchverlag sind die Geschäftsmodelle ziemlich uniform – kann der Navigator zu mehr Vielfalt und damit zu einer Markterweiterung führen?

Felix Hofmann: Man kann mit dem Navigator sehr einfach mal eine Reihe von Geschäftsmodellen durchspielen. Ich würde jedoch nicht in so engen Kategorien wie „Belletristik- oder Sachbuchverlag“ denken. Die Frage sollte sein, mit welchen Geschäftsmodellen kann man Wissen vermitteln oder Geschichten so erzählen, dass man dabei sehr viel Wert generiert und auch für sich monetarisiert?

Haben Sie in der Medien- oder Handelsbranche bereits Referenzen?

Felix Hofmann: Wir sind hier bisher noch nicht so stark aktiv.

Würden Sie für mich mal kurz in Ihren Baukasten greifen, um eine Art „allgemeines Geschäftsmodell“ herauszuholen, mit dem sich die Medienbranche aus ihren Schwulitäten retten könnte?

Felix Hofmann: Sorry, aber so funktioniert unsere Methodik nicht.

Es kann sich demnach nur jeder selbst retten?

Felix Hofmann: Geschäftsmodelle haben Lebenszyklen. In unseren Workshops bitten wir die Teilnehmer am Anfang, eine Beerdigungsrede für ihr Geschäftsmodell zu halten, um sich davon geistig zu verabschieden und um offen gegenüber neuen Ideen zu werden. Selbst ein heute so erfolgreiches Geschäftsmodell wie Google Adwords wird vielleicht in 10 Jahren nicht mehr funktionieren. Bei Google Adsense sieht man diese Tendenz bereits in Ansätzen. Allerdings hat Google das früh genug erkannt und sucht ständig nach neuen Geschäftsfeldern und -modellen, die das heutige Modell in der Zukunft kompensieren werden. Diese Voraussicht kann ich nur jedem anraten.

Mit seiner Firma alVoloConsult berät Michael Lemster Verlage, E-Commerce-Unternehmen, Buchhändler und Dienstleister bei Geschäftsentwicklung, Programm, Business- und Datenprozessen. Stammdaten und deren Qualitätssicherung sind sein Spezialgebiet. Daneben publiziert er in Fach- und Publikumsmedien.

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