Gottfried Honnefelder warnt vor Abhängigkeit von einer Suchmaschine

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels warnt in einer Pressemitteilung eindringlich vor einer Absenkung europäischer Urheberrechtsstandards und einer Übereignung von Bibliotheksschätzen an Google. „Wir können uns nicht vorstellen, dass die EU-Kommission die Abhängigkeit europäischer Autoren und Verlage von einer Suchmaschine anstrebt“, sagte Prof. Dr. Gottfried Honnefelder, Vorsteher des Börsenvereins.

Der Verband reagiert damit auf eine in dieser Woche veröffentlichte gemeinsame Mitteilung der EU-Kommissare Viviane Reding und Charlie McCreevy [mehr…]. „Weshalb privatisieren wir nicht gleich alle wichtigen europäischen Bibliotheken?“, fragt Honnefelder rhetorisch. Der Börsenverein baut auf die Hilfe der Bundesregierung, die Pläne der beiden EU-Kommissare in Brüssel zu verhindern.

Die deutschen Verlage und Buchhandlungen möchten, dass auch in Europa Buchinhalte leicht und umfassend im Internet verfügbar sind. Aber nicht ohne Zustimmung der Autoren und Verlage. „Unter dem Motto ,Erst nutzten, dann fragen‘, verliert Europa den Wettbewerb der Wissens- und Informationsgesellschaften und wir alle verlieren das Fundament geistigen Eigentums“, so Honnefelder. „Nur der beste Schutz des Urhebers garantiert langfristig auch die Entstehung und Veröffentlichung der besten Inhalte.“

Inzwischen begrüßt Börsenvereinsjustiziar Dr. Christian Sprang, dass auch Frankreich fristgerecht Widerspruch gegen das Settlement eingelegt hat. Er freue sich, dass dies in enger Abstimmung mit der Bundesregierung geschehen sei, so Sprang gegenüber buchmarkt.de.

Kritisch beurteilt der Börsenverein zudem die von den EU-Kommissaren gewünschte Zusammenarbeit großer europäischer Bibliotheken mit Google bei der Digitalisierung von Büchern, die vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert entstanden sind. Die Schätze in Bibliotheken sind ein öffentliches Gut, das der Allgemeinheit gehört und mit öffentlichen Mitteln erhalten und gepflegt wird. „Der Staat missbraucht diese Steuergelder, wenn er eine Monopolbildung unterstützt, indem er einer kommerziellen Suchmaschine das exklusive Recht gibt, gemeinfreie Bücher aus dem Bestand der Bibliotheken im Internet zugänglich zu machen“, sagte Honnefelder. Abgesehen davon handle Google nicht mäzenatisch, sondern aus gewerblichem Interesse.

„Die Digitalisierungskosten, die der Staat jetzt spart, wird er über viele Jahre mit Zins, Zinseszins und Unternehmergewinn an Google zahlen müssen, um für Universitäten und Bibliotheksnutzer Zugriff auf die entstehende Datenbank zu bekommen“, betonte Honnefelder. Die Idee, Google mit der Digitalisierung europäischer Bibliotheken zu beauftragen, werde nur kurzfristig finanzielle Erleichterung bringen. Denn langfristig werde ein wirtschaftlich denkendes Unternehmen wie Google für den Abruf der Bestände Geld verlangen. Die Kosten für die Bibliotheken und damit auch für den Steuerzahler würden explodieren.

Zum Hintergrund:

Die Pressemitteilung der Kommissare steht im Zusammenhang mit der Digitalisierung der Bestände großer amerikanischer Bibliotheken und deren Online-Erschließung durch Google. Dieses Vorgehen war von amerikanischen Autoren und Verlagen mit einer Sammelklage als urheberrechtswidrig angegriffen worden. Im Laufe des Prozesses haben sich die Parteien auf einen Vergleich – das sogenannte Google Book Settlement – verständigt, über dessen Genehmigung ein New Yorker Gericht im Oktober entscheiden muss. Bei Bestätigung des Settlement würde es Google möglich, auch ohne Zustimmung von Urhebern und Verlagen Millionen von urheberrechtlich geschützten Büchern aus aller Welt zu digitalisieren und amerikanischen Internetnutzern zugänglich zu machen.

Die beiden EU-Kommissare fürchten, dass Europa gegenüber Amerika den Anschluss bei der Online-Erschließung von Bibliotheksbeständen verlieren könnte. Deswegen wollen sie die jetzigen hohen Urheberrechtsstandards in der EU senken, um Massendigitalisierungen und Online-Nutzungen von Bibliotheksbeständen auch in Europa zu ermöglichen. Da das eigene Digitalisierungsprojekt der EU, Europeana, wegen mangelnder finanzieller Ressourcen bis dato keine Dynamik entfaltet, soll Google zudem die Möglichkeit bekommen, auch die Bestände der wichtigsten europäischen Bibliotheken zu digitalisieren.

Dabei stellt Google, wie ein Modellprojekt mit der Bibliothek der Universität Gent belegt, die Bedingung, dass andere Suchmaschinenbetreiber oder dritte Firmen und Institutionen die bei der Digitalisierung der Bücher gewonnenen Daten nicht nutzen dürfen. Die Bibliothek selbst darf auf ihrer Internetseite nur Dateikopien ihrer Bücher verwenden, die nicht durchsuchbar sind. Wissenschaftler oder Bürger, die im Internet nach Inhalten der fraglichen Bücher suchen wollen, bekommen nur über Google Zugang. Damit kontrolliert eine Suchmaschine den Zugang zu Inhalten: Sie stellt sie zur Verfügung, kann sie aber auch vom Netz nehmen.

Der Börsenverein setzt beim Angebot von deutschsprachigen Büchern im Internet hingegen auf sein Projekt libreka! sowie die Zusammenarbeit mit der Deutschen Nationalbibliothek und anderen deutschen Bibliotheken zur Schaffung einer Deutschen Digitalen Bibliothek als Teil der „Europeana“.

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