Hugendubel-Betriebsratsvorsitzender Uwe Kramm zur derzeitigen Lage

Wie ein Sommergewitter brachen die Nachrichten über die angespannte Situation bei Weltbild, Hugendubel und Habel herein. Seither geht es in diversen Foren heiß her, Angst wird spürbar. Hugendubel-Betriebsratsvorsitzender Uwe Kramm im buchmarkt.de-Interview zur aktuellen Lage.

buchmarkt.de: Wie stellt sich die Gesamtsituation aus Ihrer Sicht dar?

Uwe Kramm

Uwe Kramm: Nach den uns am vergangenen Montag präsentierten Planungen sollen insgesamt ca. 400 Arbeitsplätze abgebaut werden. Damit wären mehr als ein Drittel der bei Hugendubel Beschäftigten betroffen. Ein enormer Einschnitt. Viele Kolleginnen und Kollegen sind verständlicherweise sehr verunsichert und fürchten um ihren Job.

buchmarkt.de: Wie genau stellt sich der Stellenabbau dar? Immer wieder wird angezweifelt, dass die kommunizierten Zahlen stimmen – gekündigt werden ja auch Teilzeitkräfte.Wie hoch ist das Ausmaß des Stellenabbaus wirklich?

Uwe Kramm: Der Stellenabbau soll sich in der oben genannten Höhe bewegen. Die gegenüber der Presse verlautbarte Zahl 180 umfasst nur diejenigen Kolleginnen und Kollegen, denen man plant, betriebsbedingt zu kündigen. Hinzu kommen noch befristete Arbeitsverträge, die nicht verlängert werden. Soweit wir das verstanden haben, sind immer Personen gemeint.
Unbedingt erwähnen sollte man zudem die Tatsache, dass bei Hugendubel ab Herbst keine neuen Auszubildenden mehr eingestellt werden. Für die gesamte Branche ist das ein schlimmes Signal.

buchmarkt.de: Es hieß Hugendubel war immer gut aufgestellt beim Personal, nun werde nachvollzogen, was es bei anderen längst Wirklichkeit ist, stimmt das?

Uwe Kramm: Was verstehen Sie unter „gut aufgestellt“? Schon 2003 wurde in nicht unerheblichem Maße Personal abgebaut, und wenn man sich in den Läden umsieht, hat man wirklich nicht den Eindruck, sie seien üppig besetzt. Auf einer Insel der Seligen haben wir nicht gelebt.

buchmarkt.de: Noch haben wir ja alle den Optimismus, dass es mit Karstadt und also auch den Hugendubel-Shops da weitergehen wird. Teilen Sie diesen Optimismus?

Uwe Kramm: Karstadt wird hoffentlich weiterbestehen, das wünsche ich allen Kolleginnen und Kollegen dort von ganzem Herzen. Wie gut die von Hugendubel betriebenen Shops bisher gelaufen sind, weiß ich nicht, da uns hierzu keine Zahlen vorgelegt werden. Da diese in großen Karstadt-Häusern betrieben werden, stehen die Chancen wohl nicht schlecht, dass es sie auch weiterhin geben wird.

buchmarkt.de: Für die Begründung der derzeitigen Situation werden immer wieder zu schnelle Expansion, die Konkurrenz des Internetbuchhandels, aber auch gravierende Managementfehler angeführt. Sehen Sie das auch so?

Uwe Kramm: Seit Mitte der 90er Jahre ist Hugendubel enorm gewachsen, wobei sich das Tempo der Expansion in letzter Zeit deutlich verlangsamt hat. Viele Hugendubler haben sich gefragt, ob das Wachstum nicht zu rasant gewesen ist. Andererseits gehört eine gewisse Größe dazu, um sich am Markt behaupten zu können. Das Internet macht sich natürlich immer stärker bemerkbar und erschwert die Situation des stationären Buchhandels. Ob gravierende Managementfehler gemacht wurden, kann ich nicht direkt beurteilen, da wir Betriebsräte in viele Entscheidungen kaum bis gar nicht eingebunden waren. Schade fand ich es in der Vergangenheit immer, dass der Sachverstand, der bei den Kolleginnen und Kollegen vorhanden ist, viel zu wenig genutzt wurde.

buchmarkt.de: Sind die einzelnen Filialen zu unflexibel bei der Sortimentsgestaltung?

Uwe Kramm: Bei Hugendubel hat es in den letzten Jahren eine deutliche Tendenz zur Zentralisierung gegeben. Aus Sicht der Firmenleitung hat dies den Vorteil, dass sich das Unternehmen so besser steuern lässt. Es sind meiner Meinung dadurch aber auch Ideen nicht zum Zuge gekommen, die einzelnen Filialen ein individuelleres Profil gegeben hätten.

buchmarkt.de: Ist die DBH an der Expansion gescheitert oder Opfer des Wettrennens um die Standorte?

Uwe Kramm: Über die DBH insgesamt vermag ich keine Aussage zu treffen, da uns zu Entscheidungen auf dieser Ebene in der Vergangenheit konsequent Informationen verweigert wurden. Ob und wenn ja an was der Verbund „gescheitert“ ist, kann ich also nicht sagen. Der Wettlauf um die Standorte hat zweifellos dazu geführt, dass sich Filialen gegenseitig Umsätze abgenommen haben und die eine oder andere Filiale sonst wohl nicht aufgemacht worden wäre. Allerdings kann auch niemand 100%tig voraussagen, ob eine an sich gute Fläche nicht irgendwann durch die Konkurrenz in die Zange genommen wird. Festzustellen bleibt, dass es deutliche Überkapazitäten bei den Ladenflächen gibt und Hugendubel eingestandenermaßen an deren Aufbau beteiligt war.

buchmarkt.de: Mehr Erlebnisbuchhandel bei weniger Personal – so hieß die Devise. Wie soll das gehen?

Uwe Kramm: Gute Frage. So richtig vorstellen können wir uns das nicht. Zwar wurden uns die Grundzüge eines neuen Konzeptes präsentiert, aber dabei sind noch viele Details zu klären. Zweifel sind angebracht.

buchmarkt.de: Wir haben mal ein wenig herumtelefoniert, was die 1A-Lagen-Mieten (die laut Pressemitteilung der Unternehmensleitung nicht mehr einzuspielen seien) betrifft: Es hat keine Erhöhungen gegeben; unrentable Filialen, wie z.B. die in Chemnitz [mehr…] sind geschlossen worden. Und am 4. Juni haben Weltbild und Hugendubel ihr Filialgeschäft endgültig zusammengelegt und die Regionalketten Weiland, Habel und Wohlthat’sche mit ins Boot geholt. Das alles klang nicht nach Untergangsstimmung. Woher kommt jetzt die plötzliche Wende.
Uwe Kramm: Von Seiten der Betriebsräte haben wir seit längerem immer wieder nachgefragt, wie das Unternehmen auf die sich verschlechternde Situation reagieren will. Befriedigende Antworten bekamen wir keine. Deshalb sind wir auch von der Radikalität der geplanten Maßnahmen überrascht worden.

buchmarkt.de: Wie ist die Situation bei Habel; und ist Weiland wirklich aus dem Schneider?

Uwe Kramm: Dazu sollten Sie Sich mit den dortigen Betriebsräten unterhalten. Ich weiß nur soviel, dass bei Habel im Vergleich zu Hugendubel prozentuell noch deutlich mehr Kolleginnen und Kollegen gehen sollen.

buchmarkt.de: Warum wird bei Habel so viel mehr abgebaut als bei Hugendubel?

Uwe Kramm: Genaue Zahlen liegen mir nicht vor, aber man erwartet bei Habel höhere Verluste.

buchmarkt.de: Hat da einer den anderen mitgerissen? Zum Beispiel Weltbild mit zu viel billigem und nicht mehr zeitgemäßen Sortiment, wie behauptet wird?

Uwe Kramm: Nochmals, in die Entscheidungsprozesse der DBH waren wir nie eingebunden, deshalb kann ich die Frage nicht beantworten. Wir kannten nur die Situation bei Hugendubel.

buchmarkt.de: Dass die wirtschaftliche Gesamtsituation insgesamt wenig erfreulich ist, darüber sind wir uns sicher einig. Aber halten Sie den derzeit von Hugendubel/DBH eingeschlagenen Weg für richtig?

Uwe Kramm: Dass auf die wirtschaftliche Situation des Unternehmens reagiert werden muss, ist unbestritten. Dass ein radikaler Personalabbau der einzig richtige Weg ist, sehen wir Betriebsräte natürlich nicht so. Auch halten wir es für sehr problematisch, beim Service Einschränkungen zu machen. Das könnte sich rächen.

buchmarkt.de: Was können Sie als Betriebsrat ausrichten?

Uwe Kramm: Wir werden alle uns zu Gebote stehenden rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen. Es muss zunächst über Interessenausgleich und Sozialplan verhandelt werden und erst dann wird man sehen wie viele Arbeitsplätze tatsächlich wegfallen müssen. Wir Betriebsräte benötigen auch Zeit, um Alternativvorschläge entwickeln zu können, die dazu beitragen, den Personalabbau zumindest geringer zu halten. Ich hoffe da auf die Einsicht unseres Arbeitgebers. Es wird jedenfalls keine leichte Arbeit.

buchmarkt.de: Was schätzen Sie: Wo wird das Unternehmen am Ende dieses Jahres stehen?

Uwe Kramm: Sollten die Planungen so umgesetzt werden, wie es die Geschäftsleitung plant, würde sich Hugendubel radikal verändern. Für die Beschäftigten und auch die Kunden wäre es ein anderes Unternehmen.

Die Fragen stellten Matthias Koeffler und Ulrich Faure.

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