Kyra Dreher: warum ist die Performance im Buchhandel besser als die gefühlte Lage?

Freitags um fünf: Was bewegt jetzt die Branche? Michael Lemsters Frage der Woche an Kyra Dreher, Geschäftsführerin des Sortimenter-Ausschuss im Börsenverein des Deutschen Buchhandels.

Die Juristin Dr. Kyra Dreher, geboren 1972 in Nürnberg, war nach ihrem Studium der Rechtswissenschaften in Konstanz und der Promotion in Mainz als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Internationales Recht der Universität Mainz tätig und wechselte 2003 in die Verbandsarbeit auf internationalem Parkett. Seit 2007 ist sie im Börsenverein verantwortlich für die Sortimenter-Interessen.

Kyra Dreher, sind die aktuellen Trendzahlen zum Buchhandels-Umsatz zu schön, um wahr zu sein?

Kyra Dreher
Foto: Klaus Setzer

Kyra Dreher: Nein. Sie sind schön, sie sind wahr, und darüber können sich die Buchhändler freuen. Wie hoch auch immer der Zuwachs genau ausfällt, es ist ein positives Ergebnis.

Wir warten noch auf die Gesamtjahres-Zahlen, aber der Branchenmonitor Buch von Börsenverein und GfK hat 2013 fast durchweg positive Umsatzentwicklungen gemeldet, die Branchenpresse sprach sogar von einer „kleinen Trendwende“. Haben in der Braubachstraße die Korken geknallt?

Kyra Dreher: (lacht) Nein. Viele Stimmen aus der Branche haben den Trend aus ihrer persönlichen Sichtweise bestätigt. Das verfolgen wir natürlich mit Freude, aber so positiv sind die Zahlen nun auch nicht, dass man gleich von einer fundamentalen Trendwende sprechen oder auch behaupten könnte, dass die Talsohle bereits durchschritten sei. Allfällige Trends und Phasen sind ohnehin so schnelllebig, dass man sich nicht darauf ausruhen kann.

Die bundesweit aktiven Filialisten und die Warenhäuser kämpfen mit Rückgängen und schließen Filialen. Da müsste doch einiges bei den „Indies“ angekommen sein.

Kyra Dreher: Ein Teil kommt bei den Indies an, aber eben leider nur ein Teil. Im Fall einiger Filialschließungen wissen wir, dass ein Großteil des Umsatzes verschwindet. An dem entsprechenden Standort werden also absolut betrachtet weniger Bücher gekauft.

Wer sich im inhabergeführten Buchhandel und bei den Vertriebsabteilungen der Verlage umhört, bekommt oft den Eindruck, dass die Geschäfte ausgesprochen schleppend laufen. Bewahrheitet sich hier der Satz, dass die Klage der Gruß des Kaufmanns ist?

Kyra Dreher: Dieser Widerspruch zwischen gefühlter Lage und tatsächlichen Zahlen entsteht letztlich oft durch den Vergleich mit lang vergangenen Jahren, in denen man ein dickes Plus schrieb. Die goldenen Jahre des Buchhandels gehören zwar der Vergangenheit an, aber auch im Vergleich zu anderen Einzelhandelssparten steht das Sortiment ganz gut da. Die Einsicht, auch mit einem kleinen Plus einen sehr ordentlichen Job gemacht zu haben und durchaus zufrieden mit dem Geleisteten sein zu können, liegt nicht jedem Händler. Da möchte man schon manchmal in die Republik rufen „Mensch, seid doch mal stolz auf Euch selbst!“

Könnte es sein, dass das schwächelnde Taschenbuch, das ja immer für Frequenz sorgt, die Stimmung vermiest?

Kyra Dreher: Schwer zu sagen. Ich persönlich glaube das nicht unbedingt. Auch hier setzt sich das empfundene Gesamtbild wie überall aus einer Vielzahl von Beobachtungen zusammen.

Just der vermutlich dynamischste Zweig des Buchhandels – der Internet-Handel – ist am schwierigsten offenzulegen. Die mediacontrol/GfK-Zahlen differenzieren nicht nach Absatzwegen. Müssen wir bis auf weiteres damit leben?

Kyra Dreher: Ich fürchte, es ist da keine Änderung in Sicht, allerdings wird der Sortimentsbuchhandel ja getrennt ausgewiesen und befindet sich bis November kumuliert leicht im Plus.

Noch ein anderer wichtiger Indikator hat sich in den letzten Jahren stabilisiert: Das Barsortiment berichtete wiederholt, dass die Durchschnittspreise wieder steigen. Das reicht Ihnen nicht, wie Sie kürzlich erläuterten – Sie wollen Preiserhöhungen und sind sich der Zustimmung des Handels sicher. Das Publikum fand es nicht so gut – ein Kommentator findet, „Ein Kinderbuch darf nie mehr als 10 € kosten, und ein E-Book muss unter 10 € – am besten für 5 € zu haben sein.“ Sollten solche Ansichten den Buchhändlern unbekannt sein oder ihre Haltung in Preisfragen unberührt lassen?

Kyra Dreher: Nein, sie sollten den Buchhändlern bekannt sein, denn sie müssen ihre Preise gegenüber dem Kunden begründen und notfalls verteidigen. Sie sind ihnen auch bekannt. Aber im Vergleich zu den meisten anderen Warengruppen hat das Buch deutlichen Nachholbedarf. Selbst wenn die Buchpreise im letzten Jahr um einige Zehntel Prozentpunkte gestiegen sind, reicht das nicht aus, um die Kostensteigerung im Handel auszugleichen.

Wo sehen Sie Chancen, die öffentliche Wertanmutung des Buches wahrnehmbar zu steigern?

Kyra Dreher: Eine sehr schwere Frage. Im Kern ist ja das Ansehen geistiger Schöpfung an sich, spätestens aber die Erkenntnis, dass Ideen, Erfindungen, Kreativität Grundsteine einer jedweden Wertschöpfung sind, deutlich erodiert. Die anstehenden Reformierungen des Urheberrechts mögen hier einen neuen, breiten Diskurs beflügeln. Ob dies allerdings im Ergebnis zu mehr Wertanmutung des Endproduktes führt, wage ich zu bezweifeln. Einfacher ist die Frage, was die Wertanmutung des Buches nicht gerade fördert. Dazu zählen Titelschwemme, die Kurzlebigkeit vieler Titel, 99 Cent-Preise, Ramschrampen und leider auch unübersichtlich vollgestopfte Buchläden mit viel MA-Ware und ohne erkennbares Ausstellungskonzept.

Welchen Ausblick geben Sie der Branche für 2014?

Kyra Dreher: Einen gelassenen – auch aufgrund der Zahlen 2013 –, aber gleichzeitig anspruchsvollen und fordernden Ausblick. Der Buchhandel kann selbstbewusst in das Jahr 2014 gehen. Das gilt umso mehr für all diejenigen, die sich tagtäglich die zentrale Frage stellen, was ihre Kunden wollen und wonach sie suchen.

Mit seiner Firma alVoloConsult berät Michael Lemster Verlage, E-Commerce-Unternehmen, Buchhändler und Dienstleister bei Geschäftsentwicklung, Programm, Business- und Datenprozessen. Stammdaten und deren Qualitätssicherung sind sein Spezialgebiet. Daneben publiziert er in Fach- und Publikumsmedien.

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