Michael Rakusin über den Fall, wie ein Groß-Filialist vergeblich Druck ausübte

Michael Rakusin

Australien ist weit, aber: „Wenn die Arktis schmilzt, steht das Wasser auch uns bald vor der Haustür“, schrieb unser Kolumnist Gerhard Beckmann einleitend über einen Fall besonders dreister Erpressung: Die australische Buchhandelskette Angus & Robertson schickte an eine Vielzahl von Verlagen Rechnungen. Die Verlage sollten für die angeblichen dem Filialisten zugefügten Umsatzeinbußen aufkommen – sonst: Auslistung. Verleger Michael Rakusin Tower Books ließ sich nicht einschüchtern und machte den Fall öffentlich: „Die Medien machten ein Skandal in der Bücherwelt erstmals zum Thema Nummer Eins“, schreibt Beckmann.

buchmarkt.de befragte Michael Rakusin.

buchmarkt.de: Wie haben Ihre Kollegen in den unabhängigen australischen Verlagen und Verlagsauslieferungen auf Ihren mutigen Schritt reagiert, sich den maßlosen neuen Forderungen des Großfilialisten Angus & Robertson zu verweigern und mit der Causa an die Öffentlichkeit zu gehen?
Michael Rakusin: Fairerweise muss zunächst einmal gesagt werden: Als das Schreiben von Angus & Robertson bei all den unabhängigen kleinen bis mittleren Verlagen und Auslieferungen eintraf, war die ganze Branche entrüstet. Da ist viel herumtelefoniert worden. Jeder hat mit jedem gesprochen. Die meisten der betroffenen Verlage und Auslieferungen haben erklärt, die dem Schreiben beiliegende Rechnung nicht bezahlen zu wollen.
Unter ihnen gab es aber nur wenige, die willens gewesen wären, irgendwelche gemeinsamen Schritte zu unternehmen, weil sie befürchteten, damit gegen das australische Gesetz gegen „abgekartete“ Vorgehensweisen zu verstoßen. Es untersagt geschäftliche Maßnahmen, bei denen sich eine Anzahl von Firmen der gleichen Branche zum Schaden eines anderen Unternehmens zusammentun. Ich selbst bin freilich der Auffassung, dass dieses Gesetz auf diesen besonderen Fall nicht anwendbar ist.
Als ich die Angelegenheit dann publik machte, habe ich jedoch buchstäblich Hunderte von Anrufen bekommen, in denen mir fast alle übrigen Verlage und Auslieferungen zu meinem Schritt gratulierten und Erfolg wünschten- Selbst einige der Großverlage, die das Schreiben von Angus & Robertson nicht erhalten hatten, riefen an, um mir ihre Unterstützung anzubieten.

Hat Ihr Vorgehen für Sie bzw. Ihren Verlag und Ihre Auslieferung Tower Books positive Folgen gehabt?
Es hat mit Sicherheit einiges Positive bewirkt. Erstens hat Angus & Robertson eine „Realitätskontrolle“ erfahren. Ich weiß nicht, aber wenn man dort damit gerechnet hat, dass alle einfach zahlen und den Mund halten würden, so hat man jedenfalls einen ziemlichen Schock abbekommen. So bald werden es die Herren dort nicht wieder mit dergleichen Knüppel-Methoden versuchen. Es hat ihnen zu verstehen gegeben: Wenn sie bei ihren Lieferanten bessere Konditionen haben wollen, geht es nicht per Diktat, sondern nur auf dem Verhandlungswege, und bei solchen Verhandlungen kann es nicht bloß um eine Verbesserung der Geschäftsbedingungen für eine, da muss es um Verbesserungen für beide Seiten gehen.
Zweitens: Obwohl wir eine öffentliche Debatte nicht mit dieser Absicht angezettelt haben, hat sie die Wahrnehmung unserer Sache und unseres Unternehmen in der Öffentlichkeit enorm gesteigert. Der Verkehr auf unserer Website hat um mindestens 300 Prozent zugenommen. Der Name einer Auslieferungsfirma ist ja nur sehr wenigen Endkunden bekannt – es ist auch nicht nötig, dass sie ihn kennen! – sie kennen nur unsere Bücher. Dadurch, dass sie nun aber mehr über unsere Bücher erfuhren, wurden auch viele Bücher bekannt, die wir ausliefern.
Drittens: Die Debatte hat auch der Öffentlichkeit klar gemacht, wie gering die Marge ist, wenn es eines Verlages und einer getrennten Auslieferung bedarf, um solche Bücher in den Einzelhandel zu bringen. Mit anderen Worten: Sie hat den riesigen Unterschied zwischen den Großverlagen und den kleineren Verlagsauslieferungen gezeigt und unterstrichen, warum kleinere Auslieferer schlicht außerstande sind, dem Einzelhandel die gleichen Konditionen wie Großverlage zu bieten.

Wie beurteilen Sie die Chancen, dass sich das gespannte Verhältnis zwischen Großfilialisten und Verlagen in Zukunft verbessert?
Bedauerlicherweise existiert zwischen den Einzelhandelsketten und den Verlagen noch immer eine „Mentalität der Gegnerschaft“. Beide wollen mit ein und demselben Titel mehr Gewinn erzielen; beide sind sich darüber im klaren, dass sich dieses Ziel nicht über eine Erhöhung der Ladenpreises erzielen lässt. Und so kämpft man denn mit- und gegeneinander darum, wer welchen Prozentsatz vom Ladenpreis für sich kriegt. Ich fürchte, dass sich daran wohl nichts ändern wird.

Mit Michael Rakusin sprachen Gerhard Beckmann und Ulrich Faure.

Hier zum PDF der der vier Australien-Kolumnen von Gerhard Beckmann: download(beckmann.pdf)

Kommentare (0)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert