MVB: Mehr Brutto vom Netto?

Wer gestern auf die Netto-E-Book-Seite http://www.nettoebooks24.de/control/main klickte, glaubte seinen Augen nicht zu trauen: „© 2012 MVB Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels GmbH“ steht da. Auch das Impressum lässt keinen Zweifel:

Die Börsenvereinstocher MVB kooperiert also mit der Warenhandelskette Netto. Seither reißt die Kritik in der Branche nicht ab. Die Sortimenter im Verband reagierten mit Unverständnis und verlangen eine „grundsätzliche Klärung“ der MVB-Strategie. In einer Stellungnahme des Sortimenter-Ausschusses heißt es, man werde „keine weitere Konkurrenz zum eigenen Vertriebsweg von der MVB dulden“.

Zunächst aber zur Aufklärung, bei Netto handelt es sich nicht um die Lebensmittelkette mit dem roten Logo, die zu EDEKA gehört, sondern um kleinere namensgleiche aus Mecklenburg-Vorpommern. „NETTO bietet seinen Kunden neben einer umfassenden Grundversorgung innovative Produkte zu Discountpreisen“, heißt es in der Selbstdarstellung. Was gegenüber Verlagen wie großer Tunfisch klingt, ist in Wirklichkeit eine Mecklenburger Sprotte. Doch die hat Symbolkraft.

Pikant insgesamt dabei: Noch auf dem letzten Branchenparlament hatte es genau wegen aggressiven Marktverhaltens in Sachen E-Book heftig gekracht: „Libri hat den Weg der Partnerschaft mit dem Sortiment verlassen“, lautete ein Appell des Sortimenter-Ausschusses [mehr…] an das Unternehmen: „Vielmehr bringt es (die Libri-Firma ebook.de) sich dabei als noch stärkere Konkurrenz den Buchhandlungen gegenüber in Stellung. So sind die ersten Aktivitäten von ebook.de sehr aggressiv gegen Libris eigene Kunden, die Buchhandlungen, gerichtet.“

Die sich auch bei uns in der Redaktion darüber beschweren, dass Kunden auf der Buchhändler-Homepage von Libri abgegriffen werden: „Eine Kundin wollte einen Sony E-Book-Reader bei uns käuflich erwerben, dazu wollte sie noch ein weißes Cover mit Leuchte bestellen und in der Buchhandlung abholen. Zum Bibliographieren ist sie über unsere Homepage auf den Libri-Katalog gekommen. Wie bei anderen Bestellungen üblich, wollte sie die Ware hier in der Buchhandlung abholen – was bis vor kurzem auch durchaus üblich war, auch mit E-Book-Readern. Das hat allerdings nicht mehr funktioniert: es wurde ihr zwar erlaubt den Zusatzartikel bei uns abzuholen, das Lesegerät gibt es aber nur über den Versandweg. Das hat meine Kundin nicht verstanden – und ich auch nicht. So haben wir jetzt die Situation, dass zwar mein Firmenlogo auf der Bestellmaske ist, aber die Ware nicht bei uns zu bekommen ist… Es werden meine Kunden sozusagen von Libri abgegriffen.“

Eine weitere Buchhändlerin ärgert sich im Moment ebenfalls über Libri: Sie kann in ihrem Buchladen einen E-Reader von Libri für 99 Euro anbieten, aber gleichzeitig bietet Libri den gleichen Reader zum selben Preis, aber plus drei E-Books auf der eigenen Homepage an. „Wo bleibt da die Buchpreisbindung?“, fragt sich hier die enttäuschte Buchhändlerin.

Direkt abgegriffen werden die Kunden bei der Netto-Lösung zwar nicht: Aber ist es von der Hand zu weisen, dass ein E-Buch-Laden unterm Copyright der MVB, eine satte Konkurrenz für den Buchhandel ist? Oder anders gefragt: Bücher, die über eine (im Gegensatz zu „libreka!“) sehr gut sichtbare Homepage eines Discounters verkauft werden, werden beim Buchhändler um die Ecke doch nicht noch einmal gekauft. Oder?

Die MVB hingegen begründet ihre Kooperation mit Netto, indem sie auf den „Auftrag der Verlage“ verweist, „ihre Titel an möglichst viele Handelspartner zu vertreiben“. Auch in Zukunft sollen neu entstehende Märkte für das E-Book-Geschäft für die Verlagskunden erschlossen werden: Man solle das als Stärkung der Branchenplattform libreka! verstehen.

Die Diskussionen um das Thema zeigen allerdings, dass das in der Branche keineswegs so verstanden wird. Der Verband mache den Mitgliedern Konkurrenz, auch von Austritten ist schon die Rede. „Der Verband hat sich von seinen Mitgliedern erfolgreich losgelöst. Gibt es nicht irgendwann Vorstandswahlen?“, lautet z.B. der Kommentar von Stefan Weidle (Weidle Verlag).

Die Facebook-Erklärung der MVB, es gebe am Markt „leider die traurige Wahrheit: ,Wenn nicht wir, dann ein anderer’’ hat bislang wenig überzeugt.

Update 1: 13.58 Uhr:
Dr. Jörg Gerschlauer, Leiter Marketing & Vertrieb bei der MVB Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels GmbH, auf die gestrige buchmarkt.de-Frage, ob hinter den Vorgängen eine Strategie stehe und es weitere Handelspartner geben werde: „Wir verstehen die Kritik des stationären Sortiments. Man muss auf der anderen Seite aber auch sagen, dass wir mit unserem Engagement auf den sogenannten Nebenmärkten dem expliziten Wunsch der Verlage folgen, ihre Titel an möglichst viele Handelspartner zu vertreiben. Je mehr potenzielle Kunden libreka! erreicht, desto unverzichtbarer wird die Plattform. Nur so kann Bereitschaft bei den Verlagen geschaffen werden, ihre Titel bevorzugt auf libreka! einzustellen oder die Forderungen des Buchhandels nach Verzicht auf DRM oder auskömmlichen Konditionen umzusetzen. Der Vertrag mit Netto war also kein peinliches Versehen, sondern Teil der Geschäftsstrategie. Bezüglich der weiteren Strategie möchte ich auf den angestoßenen Kommunikationsprozess und das geplante Treffen im Januar verweisen.“

Udate 2: 14.13 von Libri:
Es ist richtig, dass der Sony Reader momentan nur über den Direktversand bestellbar ist. Den Hinweis, auch die Abholfachbestellung für den Sony Reader möglich zu machen, nimmt Libri gerne auf.

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