Rat für deutsche Rechtschreibung: Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung lehnt Mitarbeit ab

Noch bevor er seine Arbeit aufgenommen hat, sieht sich der neu gegründete Rat für deutsche Rechtschreibung harscher Kritik ausgesetzt: Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung hat die Mitarbeit in dem Gremium abgelehnt. Der Sprachwissenschaftler Peter Eisenberg bezeichnete den Rat als nicht arbeitsfähig.

Der Aufbau des Gremiums mit seinen 36 Mitgliedern sei falsch und dessen Arbeitsbedingungen unzulänglich, sagte der Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Klaus Reichert, auf der Herbsttagung der Akademie in Darmstadt. Die notwendige Anpassung der Rechtschreibreform, die der Rat auf Geheiß der Kultusministerkonferenz (KMK) vornehmen soll, müsse auf anderem Wege erreicht werden: „durch eine neu zu schaffende nichtstaatliche Instanz“. Die Akademie sei bereit, an der Bildung einer solchen Arbeitsgruppe mitzuarbeiten, sie sollte jedoch nicht mehr als sechs Mitglieder haben.

KMK-Präsidentin Doris Ahnen (SPD/Rheinland-Pfalz) bedauerte die Entscheidung. „Ich verstehe die Kritik nicht“, sagte sie gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Im Rat seien Wissenschaftler und Vertreter der Schreibpraxis vertreten. Zudem müssten auch Österreich und die Schweiz eingebunden werden. Dadurch erkläre sich die Größe des Rates. Wenn man Journalisten, Verlegern und Lehrern Sprachkompetenz absprechen wolle, „dann haben wir in der Tat einen Dissens“. Ahnen forderte die Akademie auf, ihre Position zu überdenken: „Nur wer im Boot sitzt, kann mitentscheiden, wo es hingeht.“

Dem Rat für deutsche Rechtschreibung sollen insgesamt 18 Vertreter aus Deutschland angehören, neben Sprachwissenschaftlern auch Praktiker wie Journalisten, Lehrer, Autoren, Buch- und Zeitungsverleger. Je neun weitere Vertreter werden von Österreich und der Schweiz benannt. Der Akademie wurden zwei Sitze angeboten. Der Rat soll langfristig die Entwicklung der Rechtschreibung beobachten und in den besonders strittigen Fällen der Reform Änderungsvorschläge machen. Zu den Problemfällen gehören vor allem die Getrennt- und Zusammenschreibung, eingedeutschte Fremdwörter, Zeichensetzung und Trennung. Am 1. August 2005 soll die neue Rechtschreibung in Schulen und Behörden endgültig verbindlich werden.

Der Potsdamer Sprachwissenschaftler Peter Eisenberg, der zu den scharfen Reformkritikern zählt, bezeichnete in Darmstadt den Rat als nicht arbeitsfähig: „Wir sind schon tot, bevor wir da sitzen.“

Die meisten seiner Mitglieder seien Interessenvertreter und hätten keine Ahnung von Sprache. „Ich bestreite, dass das Palaver-Gremium zu sinnvollen Ergebnissen kommen kann.“ Eisenberg hatte anfangs selbst an der Rechtschreibreform mitgearbeitet. Als er sich mit seinen Positionen nicht durchsetzen konnte, war er aus der Kommission ausgetreten.

Die Akademie für Sprache und Dichtung werde jetzt auch ihre Vermittlungsbemühungen aufgeben, da die Politik über Jahre ihre Verbesserungsvorschläge ignoriert habe, kündigte Eisenberg an. „Dabei haben wir weit reichende Zugeständnisse gemacht, etwa indem wir die Regelung mit dem ss akzeptierten.“ Der Zustand der deutschen Schreib- und Lesesprache sei inzwischen in einem katastrophalen Zustand. „Noch nie hat sich eine Kultursprache selbst so ruiniert.“ Mit bloßem Aussitzen könne die fortschreitende Beliebigkeit der Rechtschreibung nicht mehr beseitigt werden. Das Problem müsse ein kompetentes Gremium mit Sprachwissenschaftlern und Schriftstellern in die Hand nehmen.

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