VdS Bildungsmedien: Kosten für Rücknahme der Rechtschreibreform ca. 250 Mio. Euro

Die jüngste Presseerklärung der VdS Bildungsmedien über die mögliche Rücknahme der Rechtschreibreform wird Öl ins Feuer der Diskussion gießen, nicht allein weil die Tonlage an Schärfe zunimmt: Wolfgang Balks und Karin Pfeiffer-Stolz‘ Argumentationen werden vom Verband als „inkompetent und unseriös“ zurückgewiesen.

Hier die Erklärung im Wortlaut:

Rücknahme der Rechtschreibreform würde teuer: für Schulbuchverlage, Schulen und Eltern

Der Branchenverband der Schulbuchverlage, VdS Bildungsmedien, weist alle Versuche der Rechtschreibreformgegner, die Kosten einer Rückkehr zur „alten“ Rechtschreibung klein zu rechnen, mit Nachdruck zurück. Sollte es tatsächlich – wie vom niedersächsischen Ministerpräsidenten Wulff initiiert – auf der Ministerpräsidentenkonferenz im Oktober zu einer solchen Entscheidung kommen, dann würde dies bei den Schulbuchverlagen exorbitant hohe Kosten von geschätzt 250 Mio. EUR erzeugen. Die durch die Frankfurter Allgemeine Zeitung lancierten Versuche selbsternannter Experten wie des „Vereins für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege“, der bislang nur durch seine Agitation gegen die Rechtschreibreform als „Sprachpfleger“ in Erscheinung getreten ist, und zweier Nicht-Schulbuchverleger, diese Kostenschätzung des VdS massiv in Frage zu stellen, bezeichnet der Verband als ebenso inkompetent wie unseriös. Die zitierten Verleger – Wolfgang Balk vom Deutschen Taschenbuchverlag und Karin Pfeiffer-Stolz vom Stolz Verlag – produzieren selbst keine Lehrwerke, die durch die kultusministerielle Prüfung gehen, sondern Lektüren oder Lernhilfen und Arbeitshefte, die in der Regel von den Eltern gekauft und jährlich verbraucht werden. „Wenn Herr Balk der FAZ vorrechnet, dass die Auflagen seiner Bücher jährlich ausverkauft werden, dann ist das schön für ihn, nützt aber den Schulbuchverlagen überhaupt nichts, die ihre Auflagen für zwei bis drei Jahre disponieren müssen und zudem von den Ministerien verpflichtet werden, ihre Lehrwerke für Nachkäufe der Schulen bis zu fünf Jahre bereitzuhalten“ erwidert VdS-Geschäftsführer Andreas Baer die Polemik. „Dass Frau Pfeiffer-Stolz und Herr Balk entschiedene Gegner der Rechtschreibreform sind, bleibt ihre private Entscheidung“, führt Baer weiter aus, aber: „Hier werden unseriös Äpfel mit Birnen verglichen, um die hohen Kosten bei Mitbewerbern in Frage zu stellen.“

Nicht nur die Schulbuchverlage, sondern auch die Schulen sowie die Familien, die Schulbücher privat gekauft haben, würden bei einer Revision der Rechtschreibreform massiv geschädigt: In den Schulen gibt es Bücher in neuer Rechtschreibung zum Einkaufspreis von rund 1,4 Mrd. EUR und in den Familien von mehr als 200 Mio. EUR, die sofort entwertet würden.

Die Kosten für die Schulbuchverlage

Der Verband bekräftigt seine Kostenschätzung von 250 Mio. EUR: Sie setzt sich aus Investitionskosten für die Korrektur der Bücher in Höhe von ca. 60 Mio. EUR und der fälligen Makulierung von Lagerbeständen in Höhe von ca. 190 Mio. EUR zusammen. Die Einschätzung der Korrekturkosten beruht auf einer genauen Kostenerhebung, die der VdS im Rahmen der Anhörung zur Klage gegen

die Rechtschreibreform beim Bundesverfassungsgericht 1998 unter den Verlagen ermittelt hatte. Schon damals wurden Bearbeitungskosten von durchschnittlich 12.000 DM pro Titel für die Umstellung von Schulbüchern auf die „alte“ Rechtschreibung errechnet. Wenn der VdS jetzt von 6.000 EUR Umstellungskosten pro Titel ausgeht, dann sind Preissteigerungen noch nicht einmal eingerechnet. Im Falle einer Rückkehr zu einer – wie auch immer gearteten – „alten“ Rechtschreibung müssten die Verlage ca. 10.000 der insgesamt 46.000 Schulbuchtitel sofort umstellen und damit rund 60 Mio. EUR zusätzlich investieren, um auf dem Markt präsent zu bleiben. Dies sind Bücher für den Grundschulunterricht und die rechtschreibsensiblen Fächer.

Der noch größere Kostenfaktor für die Schulbuchverlage wären aber die noch nicht verkauften Lagerbestände. Da das Saisongeschäft gerade in vollem Gange ist, kann hierzu momentan keine genaue Aussage gemacht werden: Die VdS-Schätzung von Lagerbeständen in Höhe von 190 bis 200 Mio. EUR an Schulbüchern, die mit einem Rückwärtsbeschluss von einem auf den nächsten Tag nicht mehr verkäuflich wären, bezieht sich deshalb auf Erfahrungswerte. Der Ankauf von Schulbüchern ist aufgrund der knappen staatlichen Etats für die Schulen mittlerweile eine langfristige Investition, da sie diese durchschnittlich 9 Jahre ausleihen müssen. Dafür erwarten die Schulleiter Investitionssicherheit.

Schulen und Eltern wären ebenfalls betroffen

Mit den Schulbuchverlagen würden die Schulen und auch die Eltern im Falle eines Rückwärtsbeschlusses in Sachen Rechtschreibreform massiv geschädigt. Die Schulen haben in den letzten 8 Jah-ren Schulbücher in neuer Rechtschreibung im Wert von ca. 2 Mrd. EUR gekauft. Davon sind mindestens noch zwei Drittel im Einsatz: ein Wert von rund 1,4 Mrd. EUR, der mit einem Rückkehrbeschluss zumindest stark entwertet, wenn nicht – wie in der Grundschule und den rechtschreibsensiblen Fächern – völlig wertlos werden würde. Wenn die Ministerpräsidenten Stoiber (Bayern), Wulff (Niedersachsen) und Müller (Saarland) zur „alten“ Rechtschreibung zurückkehren wollen, dann sollen sie auch offen sagen, wie dies finanziert werden soll. In Niedersachsen und im Saarland würden dies die Eltern bezahlen müssen, da es dort keine Lernmittelfreiheit gibt. In den anderen Bundesländern müssten die Lernmitteletats der Länder oder Kommunen drastisch angehoben werden – allein um neue Schulbücher für die rechtschreibsensiblen Bereiche anschaffen zu können.

Aber nicht nur in Niedersachsen und dem Saarland sind die Eltern an der Lernmittelfinanzierung beteiligt: 2003 lagen die privaten Ausgaben für Lernmittel bundesweit bei ca. 200 Mio. EUR. Auch diese Bücher würden durch einen Rückkehrbeschluss sofort entwertet und ließen sich dann nicht mehr an Geschwister weitergeben oder auf Schulbuchbörsen verkaufen. Die Zeche für das Polittheater um die Reform würden so auch die Eltern zahlen.

Der VdS plädiert dafür, das Thema Rechtschreibreform endlich emotionsfrei zu diskutieren. Die durch die Reform neu geregelten Schreibungen sind insbesondere nach den Korrekturen durch die Interstaatliche Kommission sachlich gesehen als eher gering einzuschätzen. Die Schulen haben definitiv keine Probleme mit den neuen Regeln. Seit 1996 ist eine ganze Schülergeneration mit der Reform groß geworden. Und: Wer wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung partout „Schifffahrt“ nicht mit drei f schreiben will, der tut dies eben weiter so und wird dafür nicht diskriminiert. In Österreich und der Schweiz stößt die giftige Diskussion in Deutschland nur auf Unverständnis. Es ist nicht davon auszugehen, dass diese beiden Länder den teuren Weg zurück zur „alten“ Rechtschreibung mitgehen würden.

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