Das Autorengespräch zum Wochenende Carla Berling: „Was darin stand, ließ mir den Atem stocken!“

15 Bücher hat Autorin Carla Berling bereits veröffentlicht, darunter Romane, Satiren und Kurzprosa. Mitte der Neunziger, mit 35 Jahren, begann sie als Seiteneinsteigerin für Tageszeitungen zu arbeiten und lernte dort das Handwerk von der Pike auf. Mit all ihren Büchern war die Autorin bisher auf Lesereise und scharrt schon jetzt mit den Hufen, um aus ihrem neuesten Roman Mordkapelle vorzulesen, der am 10. April bei Heyne erscheint. Auf ihrer Homepage nimmt Carla Berling die Leser außerdem mit,  auf den spannenden Entstehungsweg hin zum fertigen Roman und veröffentlicht immer samstags eine Folge der Mini-Serie #Mordkapelle. Dies war Anlass für Fragen an die Autorin.

BuchMarkt: Frau Berling, worum geht es in Ihrem neuen Buch?

carla berling © Random House Philippe Ramakers
Carla Berling Foto: Philippe Ramakers

Carla Berling: Mordkapelle beginnt mit einem schrecklichen Mord . Ein alter Mann wird in seinem Rollstuhl in einer Friedhofskapelle gefunden – brennend. Es handelt sich um den angesehenen Apotheker Hahnwald, allen bekannt als der schöne Ludwig. Klar, dass die Headline des Tages schnell geschrieben ist: „Der schöne Ludwig brennt.“ Lokalreporterin Ira Wittekind ist das zu wenig. Sie beginnt die Geschichte hinter dieser brutalen Headline zu recherchieren. Und die ist wirklich spannend, tragisch, und rührend. Die Familie schweigt eisern, aber Ira gelingt es dennoch, ein grauenhaftes Unrecht aufzudecken. Dabei stößt sie auf ein dichtes Geflecht aus Lügen, Intrigen und verratener Liebe.

Was ist die Besonderheit?

Ich denke, es ist die Kombination aus Idylle und Abgrund. Und dass meine Ermittlerin ein harmonisches Privatleben hat –  sie hat keine Psychose, kein Trauma, sondern sie ist ziemlich normal.

Wie kommt man auf so ein Thema?

Ich hatte bereits seit langer Zeit einen Titel für einen neuen Krimi im Kopf, ein einziges Wort nur, aber es gab noch keine Story dazu. Das Wort hieß „Mordkapelle“. Als wir noch in Bonn wohnten, führte mich meine Hunderunde oft zum Kreuzberg, und dort gibt es den „Mordkapellenpfad“. Was für ein toller Krimi-Titel dachte ich jedesmal, wenn ich das Straßenschild las. Aber ich fand keine gute Story dazu, überlegte hin und her, nichts gefiel mir länger als ein paar Tage.

Das änderte sich im April 2015, als mir plötzlich die handschriftlichen Aufzeichnungen von Frau S. , einer alten Dame, wieder einfielen. Eine Freundin von mir hatte mir ein Jahr zuvor beim Kölsch im Brauhaus von Frau S. und ihren Aufzeichnungen erzählt. Ihre Worte waren: „Also ich kenne da eine Familiengeschichte, die ist so verrückt, wenn du daraus ein Buch machst, das glaubt dir wahrscheinlich kein Mensch.“ Ich wurde hellhörig und hakte sofort nach. Kurz darauf hielt ich die Aufzeichnungen in den Händen. Was darin stand, ließ mir den Atem stocken. Frau S. übergab mir diesen Teil ihrer Familiengeschichte persönlich mit den Worten: „Wenn jemand einen Roman daraus machen kann, dann sind Sie das!“ Im April 2015 suchte ich diese Unterlagen wieder heraus, las sie erneut – und war wie elektrisiert: Das war es! Das war der Stoff, aus dem Mordkapelle werden sollte.

Ihre Motivation dazu?

Meine Motivation ist dieselbe, die meine Hauptfigur Ira Wittekind antreibt: Ich will die Geschichte hinter der Schlagzeile finden. Ich habe viele Jahre als Lokalreporterin bei Tageszeitungen gearbeitet und dabei eine Menge erlebt, das können Sie mir glauben. Aber im normalen Zeitungsgeschäft haben Sie oft nicht den Platz, in die Tiefe zu gehen und nachzuhaken, das ist leider so.  Die „Ira-Wittekind-Reihe“ begann durch so ein Erlebnis: Ich fuhr für eine Reportage bei der Nachtschicht der Bad Oeynhausener Polizei mit. Als ich abends um kurz vor zehn auf der Wache ankam, wurde ich mit den Worten begrüßt: „Wir haben da ne schöne Leiche, wollen Sie die sehen?“ Oh Gott, nein! , dachte ich, aber die Reporterin in mir sagte: „Ja, klar, natürlich!“

Und so kam ich mit den Beamten in eine Messie-Wohnung, in der ein halb verwester Mensch lag. Ich hatte schon einige Tote gesehen, aber dieser raubte mir für lange Zeit den Schlaf. Für die Reportage konnte ich „nur“ berichten, was in dieser Nacht geschah, dass der Tote aufgefunden wurde und unter welchen Umständen. Wer er war, warum er so endete, wie ein Mensch so abrutschen konnte – das war kein Thema fürs Lokale. Aber als ich dann ein paar Jahre später begann Krimis zu schreiben, da war dieser Tote wieder in meinem Kopf, und dann habe ich seine Geschichte erfunden, eine, die sich so zugetragen haben könnte. Er hat wenigstens in meiner Fantasie ein Gesicht bekommen.

Klingt nach einem guten Verkaufsargument für den Buchhändler…

Als ich Mordkapelle in München den Verlagsvertretern von Heyne vorstellen durfte, war der Tenor: „Das Buch liest sich so runter, das legt man nicht mehr aus der Hand. Es ist eine tolle Geschichte, ein super Titel, ein geniales Cover und eine Autorin, die mit den Füßen scharrt, weil sie auf die Bühne muss und daraus lesen will.“ Also… bessere Argumente wüsste ich jetzt auch nicht!

Was lesen Sie selbst aktuell?

Sachbücher über narzisstische Persönlichkeitsstörungen, Erfahrungsberichte von Fallanalytikern und Psychogramme von verurteilten Mördern –  ich recherchiere für das nächste Buch.

Und privat?

Krimis, Krimis, Krimis. Am liebsten deutsche. Gerade habe ich Inge Löhnig neu entdeckt, ich mag aber auch die toll recherchierten Bücher von Nele Neuhaus, den schrägen Humor von Rita Falk, die dichte Atmosphäre bei Sabine Thiesler. Und immer wieder Agatha Christie. Das geniale an ihren Büchern ist, dass sie heute noch spannend sind, und dass sie handwerklich mit so wenig auskam: Detailliert beschriebene Schauplätze, eine überschaubare Anzahl an Personen, zehn Motive bei zehn Leuten – und am Ende liege ich immer falsch. Neulich habe ich Alibi von ihr gelesen – meisterhaft. Komisch, mir fällt gerade auf, dass ich jetzt nur Frauen aufgezählt habe! Zufall.

Die Fragen stellte Franziska Altepost

In der vergangenen Woche sprachen wir mit Peter Weidhaas über die „zunehmende Einsamkeit als Preis des Älterwerdens“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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