Der etwas andere Jahresrückblick - die Sätze des Jahres »Schubladen sind nur für Socken gut«

Die übliche Art von Jahresrückblick zählt die Ereignisse auf, die prägend für das vergangene Jahr waren. Ebenso scheinen uns aber auch die Gedanken, die sich die handelnden Personen dazu gemacht haben. Ulrich Störiko-Blume notiert sich seit vielen Jahren solche Sätze, die ihm bedeutsam, prägnant und nachdenkenswert erscheinen – auch für unsere Branche und auch unabhängig davon, ob er deren Aussage teilt oder nicht. Wir verabschieden uns mit seinem „Best-of“ der Fundstücke aus dem Jahr 2019 und wünschen Ihnen und uns einen guten Rutsch und ein wundervolles neues Jahr 2020:

»Schubladen sind nur für Socken gut«

Dieser Satz stammt von Jessye Norman und war auf BR-Klassik anlässlich ihres Todes am 01.10.19 zu hören.

Bunt sind die Fäden, welche die Welt – im Innern wie im Äußern – zusammenhalten. Deshalb tut es gut, sich an diesen Satz von Coco Chanel immer wieder zu erinnern:

»Mode verschwindet. Nur Stil bleibt erhalten.«

»Wir sind nicht grüner als alle anderen und wir sind genauso faul wie ihr. Wir haben aber dafür gesorgt, dass in dieser Stadt nichts praktischer ist als zu radeln.«

Morten Kabell (Büro Copenhagenize, früher Umweltbürgermeister Kopenhagen), „Blaupause für die Fahrradstadt“, SZ 17.01.19

»Die Forschung zeigt, dass Papier weiterhin das bevorzugte Lesemedium für einzelne längere Texte bleiben wird, vor allem, wenn es um ein tieferes Verständnis der Texte und um das Behalten geht.«

Stavanger-Erklärung des Forschernetzwerks E-READ, „Zur Zukunft des Lesens“, FAZ 22.01.19

»Dogmen sind dazu da, ins Wanken gebracht zu werden.«

Kathrin Zinkant „Achterbahn im Kopf“ (Bildet das Gehirn im Alter noch neue Nervenzellen?), SZ 27.03.19

»Aber wo lernt man noch, dass Sichten ein flacher Abkömmling des Lesens ist, nicht Lesen ein schrulliger Abweg vom Sichten? Dafür wäre erst einmal von Kita bis Uniabschluss ein Problembewusstsein zu schaffen.«

Christoph Türcke „Traut euch, zu jammern!“ Börsenblatt 15 / 11.04.2019

»Ihr seid Hebammen für Autoritarismus.«

Carole Cadwalladr (Journalistin The Observer) auf der TED-Konferenz an die (nicht präsente) Facebook-Führung; zitiert nach „Alarmstufe Rot“ von Andrian Kreye, SZ 20.04.19

»Die wichtigste Aufgabe eines Lehrers ist, die Schülerinnen und Schüler hungrig auf Wissen zu machen.«

Stefan Klein, DLF Kultur 02.05.19

»Man muss nicht jedes Buch machen – aber alle, die man macht, sollten sehr gut sein.«

Klaus Schöffling, zitiert von Claus-Jürgen Göpfert „Klaus Schöffling – ein Leben für die Literatur“ (Über den Verleger – seit 25 Jahren – an seinem 65. Geburtstag) FR 13.05.19

»Halbherziges setzt sich in der Evolution nicht durch.«

Alexandra Rigos „Vorbild Natur“ Greenpeace-Magazin 3.19 Mai-Juni

»Die autoritäre Versuchung, die in jedem Populismus steckt, besteht dann freilich darin, alles rhetorisch aus dem imaginären Volk auszusortieren, was einem nicht passt. Zugleich ist die Behauptung, Vertretung des Volkes zu sein, natürlich ein rhetorischer Trick, der sehr viel Macht verleiht, eine Art Judogriff, der selbst den Schwachen Schwung gibt. «Ich bin die Stimme des Volkes» klingt natürlich gleich besser als «Ich bin die Stimme der 15 Prozent der Bevölkerung, die extrem rechts eingestellt sind».«

Robert Misik „«Das Volk» gibt es nicht“, Gastkommentar NZZ-online  04.06.2019

»In diesen Zeiten voller Anspannung und Verwirrung haben Kinderbücher ein größeres Potenzial zum Guten oder zum Schlechten als jede andere Form von Literatur auf Erden.«

Der Kinderbuchautor Dr. Seuss in einem Editorial von 1960 in der Los Angeles Times; zitiert nach New Yorker, 05.06.2019

»Kein Nazi wird verhindert, wenn Sie den “Negerkönig” aus Astrid Lindgrens Werk streichen. Aber Sie verhindern eine Diskussion mit Ihren Kindern über Geschichte, über Sprachwandel, über Rassismus.«

Eva Menasse „Besser anrüchig als normiert“, Interview ZEIT 06.06.19

»Facebook ist kein soziales Medium. Soziale Medien würden uns allen gehören.«

Axel Hacke „Warum wird über die drängendste politische Frage unserer Tage kaum geredet?“ (Das Beste aus aller Welt, SZ-Magazin Nr. 24, 14.06.19

»Papier ist unersetzbar. Als Speichermedium für Informationen überdauert es Jahrhunderte, und die Haptik, der Geruch und die Optik sind im Vergleich zur Oberfläche von Smartphones oder Tablets unschlagbar.«

Gerhard Steidl im Interview „Es gibt eine Renaissance luxuriöser Papiere“

Börsenblatt-online 16. Juni 2019

»Dass sie ausgebeutet werden, empfinden sie als Komfort.«

Hans-Magnus Enzensberger an seinem 90. Geburtstag über Smartphone-Nutzer (in „Fallobst“, Suhrkamp 2019), nach „Früchte des Zorns“ von Lothar Müller, SZ 11.11.19

»Respekt heißt nie: Ich weiß, wie es geht. Respekt funktioniert immer nur im Diskurs mit dem anderen.«

Niels Van Quaquebeke „Wir sind mündig geworden“, Interview SZ 11.11.19

»Geschichten brauchen keine Fakten, um wirkungsvoll zu sein. Fakten aber brauchen Geschichten, damit sie einen Sinn ergeben.«

Per Grankvist „Die Zigarette danach – Schwedens erster offizieller Geschichtenerzähler“, Interview SZ 17.12.19

Ulrich Störiko-Blume

Ulrich Störiko-Blume betreibt seit 2015 in München die ProjektAgentur, die Konzepte und Manuskripte vor allem im Bereich Kinder- und Jugendliteratur an Verlage vermittelt. Zuvor hat er vier Jahrzehnte in leitenden Positionen bei verschiedenen Kinder- und Jugendbuchverlagen gearbeitet, zuletzt bei Hanser. Außerdem schreibt er für BuchMarkt und andere Fachpublikationen, ist Dozent bei der Buchwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München und wirkt mit im Präsidium der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur. 

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