Kaffeehaussitzers Netzrückblick Fundstücke aus den Literaturblogs – Dezember 2020

Uwe Kalkowski

Der Dezember 2020 geht zu Ende, ein seltsames, manchmal fast unwirkliches und oft bedrohlich wirkendes Jahr ist vorbei. Hoffen wir, dass in 2021 endlich das Licht am Ende des Coronatunnels zu sehen ist. Doch bleiben wir erst einmal im Dezember, denn auch in diesem Monat gibt es viel Lesenwertes aus den Literaturblogs.

Es ist die Zeit der Jahresrückblicke und in zahlreichen Buchblogs finden sich entsprechende Beiträge mit vielen Empfehlungen. Beispielhaft möchte ich drei davon herauspicken: Gérard Otremba präsentiert auf Sounds & Books zwanzig Lesehighlights des vergangenen Jahres. Julia Schmitz schreibt auf Fräulein Julia über »Tops, Flops & Tränen« und stellt fünf Bücher vor, die sie begeistert, aber auch enttäuscht haben. Und Tino Schlench beschreibt auf Literaturpalast seinen Jahresablauf anhand von Büchern. Alle drei Jahresrückblicke sind wunderbare Literaturfundgruben.

Passend dazu gibt es den Blick nach vorn. Petra Reich hat für ihren Blog LiteraturReich die Frühjahrsvorschauen der Verlage ausgewertet und gibt einen Ausblick auf etwa 70 Neuerscheinungen der nächsten Monate. Was für eine grandiose Zusammenstellung – etwas Vergleichbares ist mir nicht bekannt.

Für den Blog Aufklappen hat Pascal Mathéus ein Interview mit dem Literaturwissenschaftler Jan Süselbeck geführt, der sich dafür ausspricht, die Werke von Günter Grass von den Abitur-Lektürelisten zu streichen. Grass-Fan Mathéus hakt nach und herausgekommen ist eine sehr lesenswerte Gesprächsaufzeichnung.

Der Dezember ist naturgemäß der Monat der Adventskalender und wie jedes Jahr war das Netz voller literarischer Türchen. Zwei davon haben mir besonders gut gefallen:  Im Blog Bücheratlas von Martin Oehlen und Petra Pluwatsch empfehlen prominente Menschen des Literaturbetriebs Tag für Tag ihre Lieblingsbücher. Und im Gemeinschaftsblog We Read Indie gibt es täglich zwei bis drei Buchtipps aus unabhängigen Verlagen. Die Türchen dieses Adventskalenders öffneten sich auf Instagram, aber nach und nach werden die Empfehlungen im Blog zusammengetragen.

Warum wirken Punkbücher immer so spießig? Diese Frage stellt sich Sören Heim in seinem Blog und liefert auch gleich eine Antwort dazu. Schöner Text.

Im Blog Buch-Haltung veröffentlichte Marius Müller einen Beitrag mit dem Titel »Warum Bücher keine Lebensmittel sind«, der vor allem in den sozialen Medien intensiv diskutiert wurde. Auch wenn ich der Meinung bin, dass Bücher selbstverständlich geistige Lebensmittel sind, finde ich die Schlussfolgerungen des Blogartikels richtig. Lesempfehlung.

Im Blog Trouvailles littéraires bespricht Lisa Evertz »Der letzte Prinz« von Steven Price, in dem es um die Entstehungsgeschichte von Giuseppe Tomasi di Lampedusas postum erschienenem Roman »Der Leopard« geht. Nach dieser Rezension wanderte dieses Buch sofort auf meine Wunschliste, zumal mich Price letztes Werk »Die Frau in der Themse« vollkommen begeistert hatte.

Auf Letusreadsomebooks stellen Nadine Wichmann und Alexander Olier »Annette, ein Heldinnenepos« von Anne Weber vor, die für dieses Buch mit dem Deutschen Buchpreis 2020 ausgezeichnet wurde.

Katharina Severa gehörte mit ihrem Blog Die lesende Käthe zu den diesjährigen Buchpreisbloggern. Für einen Advents-Sammelbeitrag bat sie einige der anderen Beteiligten um Buchempfehlungen. Herausgekommen ist dabei eine bunte Lektüreliste.

Im Blog Novelero schreibt Sandro Abbate über Pier Paolo Pasolinis beinahe vergessenes Meisterwerk: »Der Zorn / La Rabbia«. Dieser Film war nie vollständig zu sehen – jetzt liegt das komplette Drehbuch in einer deutschen Ausgabe vor.

Ich selbst habe im Dezember endlich »Der Distelfink« von Donna Tartt gelesen, nachdem das Buch bereits seit Jahren im Regal auf mich wartete. Und was soll ich sagen? Selten hat mich eine Geschichte so tief in sich hineingezogen. »Der Distelfink« ist nicht einfach nur ein Roman. Dieses Buch ist ein Leseerlebnis.

Im Jahr 2021 gibt es eine ganze Menge literarischer runder Geburtstage. Dürrenmatt, Kaschnitz, Varnhagen oder Borchert sind vier Namen davon – viele mehr hat Katharina Herrmann in ihrem Blog Kulturgeschwätz aufgelistet. Natürlich mit passenden Lektüreempfehlungen.

Mit diesen feierlichen Aussichten möchte ich den letzten Netzrückblick in diesem Jahr beenden. Ich wünsche uns allen ein 2021, in dem die Normalität hoffentlich zurückkehren wird.

Passen Sie auf sich auf.

Uwe Kalkowski ist seit über 25 Jahren in der Buchbranche tätig und kennt sie aus unterschiedlichen Perspektiven: Als Buchhändler, als Absolvent des Studiengangs Verlagswirtschaft in Leipzig und als Mitarbeiter verschiedener Verlage. Seit August 2019 arbeitet er als Produktmanager für den Eichborn Verlag. In seinem Blog Kaffeehaussitzer schreibt er über Bücher, Literatur und Leseerlebnisse und stellt in der monatlichen Kolumne »Kaffeehaussitzers Netzrückblick« auf buchmarkt.de lesenswerte Fundstücke aus den unterschiedlichsten Literaturblogs vor. »Vollkommen subjektiv, handverlesen und rein persönlich ausgewählt – ohne Anspruch auf Vollständigkeit, denn eine solche kann es in einer so vielschichtigen Szene gar nicht geben«, wie er sagt.

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