Jeden Morgen blättern wir für Sie durch die Feuilletons der führenden Tageszeitungen – damit Sie schnell einen Überblick haben, wenn Kunden ein bestimmtes Buch suchen oder Sie nach einer Idee für einen aktuellen Büchertisch:
“Ohne die lokalen Eliten ging es nicht”: Vom Scheitern der Machtzentralen an lokalen Widerständen: Ulrike von Hirschhausen und Jörg Leonhard schreiben eine Globalgeschichte des Imperialismus.
- Ulrike von Hirschhausen/Jörn Leonhard, Empires. Eine globale Geschichte 1780–1920. (C. H. Beck)
“Sie liebt es, wenn er leidet”: Schamlos schillernd scharfsinnig: Nora Haddadas Debütroman Nichts in den Pflanzen blickt in die Abgründe einer jungen Autorin. “Das geschickt inszenierte Schillern zwischen Fiktionalität und Nonfiktionalität ist eine der großen Stärken des Buchs, das ein derart kunstvolles Vexierbild gestaltet, dass man sich als Leser unweigerlich fragt, ob Haddada nicht tatsächlich (…) mit dem Abschluss ihres Werkes gehadert hat – was jedenfalls das abrupte Ende des Romans nahelegt.”
- Nora Haddada, Nichts in den Pflanzen. Roman. (Ecco Verlag)
“Hier ist alles so patriarchal”: Kann man mit dem Ex befreundet bleiben? Die Autorin und Journalistin Dolly Alderton gibt Ratschläge gegen Kummer. “Alderton bezieht ihre vermeintliche Kompetenz allein aus ihrer Lebenserfahrung. Sie analysiert und beobachtet nicht nur, sondern erteilt auch Verhaltenstipps. Dem Vorsatz, mit Handlungsanweisungen sparsam umzugehen, folgt einmal etwa die Empfehlung der Kummerkastentante, die Fragestellerin solle sich am besten trennen. (…) Das Buch ist womöglich für diejenigen interessant, die den an Dr. Sommer geschulten voyeuristischen Blick noch einmal aktivieren wollen, für den Rest bleibt der Gewinn im überschaubaren Bereich.”
- Dolly Alderton, Dear Dolly. Die besten Antworten auf die wichtigsten Fragen im Leben. Alle Highlights aus der berühmten Sunday-Times-Style-Kolumne. (aus dem Englischen von Eva Bonné; Atlantik Verlag)
“Was für ein enormes Talent”: Die amerikanische Schriftstellerin Elif Batuman arbeitet am großen Bildungsroman unserer Zeit. Jetzt erscheint der zweite Teil auf Deutsch. “Es wird Leser geben, die den Roman als eine nicht enden wollende Aneinanderreihung von Seminaren, Lektüren und Liebeskummer erleben werden. Nicht wenige amerikanische Kritiker haben der Erzählerin vorgeworfen, sie denke zu viel nach. (…) Natürlich ist das Gegenteil wahr: Selins ganze Lebenskraft, Intelligenz und Fantasie ist dem Versuch gewidmet, ein unkonventionelles, freies, ästhetisches Leben zu führen. (…) Und weil Elif Batuman eines dieser Talente ist, wie sie in der Literatur wirklich nicht häufig vorkommen, profitiert von dieser gedanklichen Arbeit nicht nur ihre Erzählerin, sondern tatsächlich auch der Kanon.”
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Elif Batuman, Entweder oder. Roman. (aus dem Englischen von Claudia Wenner; C. H. Beck)
“In die Stille”: In Adèle Rosenfelds schönem Debütroman verliert eine Frau das Gehör. Aber was hat sich der Verlag bei der Aufmachung gedacht? “In Frankreich landete das Buch auf der Shortlist des Prix Goncourt für Debütromane und erhielt den Prix Fénéon 2022. Tatsächlich ist es erstaunlich, wie gut es der Autorin gelingt, über das stumme Medium des Buches die Erfahrung von Hörverlust nachvollziehbar zu machen. (…) Es ist ein schöner, kleiner Roman von einer völlig unbekannten Autorin – bis auf ein Videointerview findet man im Internet kaum etwas über sie. Aber wie so oft ist daraus ein stattliches Buch gemacht worden, mit großer Schrift und vielen halbleeren Seiten – als würde sich nicht nur der monetäre, sondern auch der poetische Wert eines Buches steigern können, indem man die Seitenzahl erhöht. Vielleicht sollen Bücher auch weniger abschreckend wirken auf Leser, die genauso gut etwas anderes tun könnten als Lesen. Es führt allerdings auch dazu, dass ein eigentlich hübscher Text wie aufgedunsen wirkt, etwas verquasselt, ein bisschen quallig.”
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Adèle Rosenfeld, Quallen haben keine Ohren. Roman. (aus dem Französischen von Nicola Denis; Suhrkamp)
“Es spatzelt”: Lion Christ versucht in seinem Debüt Sauhund eine bairische Erzählung. Wo bleibt das Gfui? “Selbst wenn man diese Überlegungen konsequent beiseitelässt, hat der Roman Schwächen: Lion Christ verharrt über 360 Seiten in der immer gleichen halbironischen Distanz zur Geschichte und zu den Figuren.”
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Lion Christ, Sauhund. Roman. (Hanser)
“Doppeltes Doppelleben”: Tim Staffel dachte, er wäre kein Schriftsteller mehr, und schrieb trotzdem noch einen Roman – nun ist Südstern im Buchpreis-Rennen. “Dass der Roman, den er sozusagen versuchsweise noch schrieb, als er sich für eine andere Tätigkeit entschieden hatte, gleich von einer Agentur und dann einem Verlag angenommen werden würde, hatte er nicht erwartet. Nun muss er seine Erwerbsarbeit mit dem Literaturbetrieb verbinden.”
- Tim Staffel, Südstern. Roman. (Kanon)