Danach fragen Kunden Umgeblättert heute: Der Literaturnobelpreis für Abdulrazak Gurnah

Jeden Morgen blättern wir für Sie durch die Feuilletons der führenden Tageszeitungen – damit Sie schnell einen Überblick haben, wenn Kunden ein bestimmtes Buch suchen oder Sie nach einer Idee für einen aktuellen Büchertisch:

  • „Eine politische Entscheidung“: Für seine Kritik am Kolonialismus erhält Abdulrazak Gurnah den Literaturnobelpreis. „Nach Jahren, in denen sich das Komitee dem Zeitgeist dezidiert widersetzt hat, in dem es etwa den politisch nicht zu bändigenden Peter Handke und die in sich gekehrte Poesie Louise Glücks auszeichnete, trifft diese Entscheidung den Zeitgeist.“
  • „Erkläranlagen“: Der Harvard-Professor und Bestseller-Autor Steven Pinker hat ein Buch über die Fallen der Vernunft geschrieben. Dass er ihnen selbst oft nicht entkommt, erzählt auch viel über uns alle. „Um es in einer Weise auszudrücken, die auch Pinker verstehen würde: Für das, was dieses Buch richtig und aufschlussreich darstellt, bekommt es auf der Skala von +10 bis -10 eine +6; doppelt so umfangreich sind allerdings seine Ausgriffe in ihm fremdes Terrain, wofür es die Note -8 erhält. Das ergibt in der Gesamtwertung (6 + [2 X -8 ]) : 2 = -5 Punkte. Kein gutes Buch.“
    Steven Pinker, Mehr Rationalität. Eine Anleitung zum besseren Gebrauch des Verstandes (aus dem Englischen von Martina Wiese; S. Fischer)
  • „Von SZ-Autoren“
    Christiane Schlötzer, Istanbul – ein Tag und eine Nacht. Ein Porträt der Stadt in 24 Begegnungen (Berenberg)
    Jan Stremmel, Drecksarbeit. Geschichten aus dem Maschinenraum unseres bequemen Lebens (Knesebeck)
    Kia Vahland, Schattenkünstler. Von Caravaggio bis Velázquez (Insel)

  • „Warum Geschichten erzählt werden“: Der tansanische, in England lebende Schriftsteller Abdulrazak Gurnah erhält den Literaturnobelpreis – er muss hier noch entdeckt werden. „Abdulrazak Gurnah hat ein Ohr für die allem Witz, aller Lust an der Travestie zugrundeliegende Melancholie seines indischen Schriftstellerkollegen. Sein neuester Roman „Afterlives“ ist auf der Shortlist des Orwell- und auf der Longlist des Walter-Scott-Preises. Der Autor steht seit Jahren immer wieder auf den Shortlists der britischen Literaturpreise, ohne aber jemals einen der großen Preise bekommen zu haben. Das Stockholmer Nobelpreiskomitee hat diesen Jurys jetzt ein Schnippchen geschlagen.“
  • „Die innere Heimatlosigkeit“: Paul Nizons Journal Der Nagel im Kopf. „Schade, dass es keinen wohlmeinenden Freund gegeben hat, der den 91-jährigen Paul Nizon im Fall seines soeben erschienenen Tagebuchs darauf hingewiesen hätte, welche Seiten er sich lieber hätte sparen sollen. Nun müssen wir viel Belangloses lesen oder Dinge, die besser unter Ausschluss der Öffentlichkeit bei einem Psychotherapeuten abgehandelt worden wären.“
    Paul Nizon, Der Nagel im Kopf. Journal 2011-2020 (Suhrkamp Verlag)

  • „Ein Erzähler des Indischen Ozeans“: Bunt gewürfeltes Gepäck und geheime Absichten: Die Schwedische Akademie zeichnet den auf Sansibar geborenen, in London lebenden Abdulrazak Gurnah mit dem Literaturnobelpreis aus. Und leistet damit Wiedergutmachung für die Entscheidungen früherer Jahre. „Gibt es aber neben der kritischen Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus noch andere Charakteristika der bislang zehn Romane von Gurnah? Vielen Kritikern erscheinen sie akademisch, aber das passt ja zur zitierten Einschätzung der Schwedischen Akademie. Deutsche Leser können das aktuell leider schlecht überprüfen, denn seit Desertion aus dem Jahr 2005, der ein Jahr später als Die Abtrünnigen übersetzt worden ist, erschien hierzulande kein Buch von Gurnah mehr, und es ist wie auch seine vier anderen zuvor ins Deutsche gebrachten Romane seit Jahren nicht mehr lieferbar.“
  • „Schmerzhaft ist die Gottesferne“: Einfach zu umschreiben, schwer zu definieren: Volker Leppin legt eine Geschichte der christlichen Mystik vor, sorgt dabei aber nicht für klare Konturen. „Als Geschichte der christlichen Frömmigkeit oder Spiritualität bietet Leppins Darstellung zweifellos eine Fülle interessanter Einsichten. Aber als Ge­schichte der Mystik bleibt sie zu konturlos.“
    Volker Leppin, Ruhen in Gott.Eine Geschichte der christlichen Mystik (Verlag C. H. Beck)
  • „Gegen alle liberale Zuversicht“: Eine an Schärfe kaum zu überbietende Polemik: Frank Wildersons Afropessimismus. „Man wäre versucht, es bereits jetzt zwischen die Klassiker der schwarzen Literatur einzureihen – zwischen Frantz Fanon und Eldridge Cleaver –, doch seine radikale Kompromisslosigkeit verbietet jede voreilige Beruhigung im Kanon. In den gegenwärtigen aufgeheizten Auseinandersetzungen und ideologischen Kämpfen um Rassismus und Ausgrenzung sowohl auf realen wie auf bloß terminologischen Schauplätzen, wirkt Wildersons Buch als Zuspitzung, als Zumutung, als eine Herausforderung auch für diejenigen, die sich einig wissen im Widerspruch gegen jede Form von Rassenhass. Denn gerade dieser Konsens gegen jede Form des Rassismus wird hier gekündigt: Es gibt keine Gleichheit in der Unterdrückung.“
    Frank B. Wilderson III, Afropessimismus (aus dem Englischen von Jan Wilm; Matthes & Seitz Verlag)
  • „Kohle und Gebiet“: Umschau im Revier: Wolfram Eilenberger präsentiert seinen Ertrag als Stadtschreiber Ruhr. „Mangelnde Aufmerksamkeit als Ausdruck von Geringschätzung? Der Schnellschuss bleibt unter dem intellektuellen Niveau des Autors und wird dem Ruhrgebiet nicht gerecht.“
    Wolfram Eilenberger, Das Ruhrgebiet. Versuch einer Liebeserklärung (Tropen Verlag)

 

Kommentare (0)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert