Danach fragen Kunden Umgeblättert heute: „Ein ausgesprochen amüsantes Debüt“

Jeden Morgen blättern wir für Sie durch die Feuilletons der führenden Tageszeitungen – damit Sie schnell einen Überblick haben, wenn Kunden ein bestimmtes Buch suchen oder Sie nach einer Idee für einen aktuellen Büchertisch:

 

„Die Revolution erreicht Tielenhemme“: Glücklich, wenn nichts Besonderes geschieht? Von wegen: Eine Wiederbegegnung mit Sarah Kirsch in ihrem Tagebuch der Wendezeit. „Mit ihrer Tagebuch-Prosa, die per Fingerschnips alle Regeln der Rechtschreibung und Zeichensetzung außer Kraft setzt, robbt sich Kirsch ganz offensichtlich an ein längeres Stück heran. Kärrnerarbeit, diese ‚Prosafetzchen‘; anderthalb Seiten dauern schnell eine Woche.“

  • Sarah Kirsch, Ich will nicht mehr höflich sein. Tagebuch aus der Wendezeit. (hrsg. von Moritz Kirsch, mit einem Essay von Frank Trende; Edition Eichthal)

„Was, eine Maske soll ich tragen?“: Aus einem links geprägten Milieu in die ‚Querdenker‘-Szene: Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey beschreiben einen autoritären Typus der Gegenwart. „Die Stärke des Buches liegt dort, wo die Autoren, gestützt auf ihre Interviews, diese neuen Charaktere des Autoritären nachzeichnen, ihrer Herkunft aus Milieus der spätmodernen Gesellschaften nachgehen und die beiden Haupttypen charakterisieren. Weniger überzeugend fällt dagegen ihr Versuch aus, die Entstehung dieses Sozialcharakters aus Verwerfungen spätkapitalistischer Gesellschaften herzuleiten: Wenn ein Freiheitsanspruch angemeldet wird, der so exzessiv ist, dass die Freiheit der anderen nicht mehr in Anschlag gebracht und schon der geringste Hinweis auf Sozialität als ‚Kränkung‘ empfunden wird, so ist das kein Spezifikum des Kapitalismus, sondern Begleiterscheinung jeder Form gesellschaftlichen Lebens.“

  • Carolin Amlinger/Oliver Nachtwey, Gekränkte Freiheit. Aspekte des libertären Autoritarismus (Suhrkamp Verlag)

„Humor gegen Weltschmerz“: Ein reifes, ausgeklügeltes und dabei ausgesprochen amüsantes Debüt, das mit zehn Jahren Verspätung auf Deutsch erscheint: Stine Pilgaards Roman Meine Mutter sagt. „Die Autorin war noch jung, als sie dieses Buch schrieb. Es ist nämlich das erste der 1984 bei Aarhus geborenen Stine Pilgaard und erschien auf Dänisch vor zehn Jahren. Aber in Stil und Rhythmus, in Dialogführung und Konstruktion ist es ein ausgeklügeltes, fast erfahren wirkendes Debüt, unbekümmert und reif zugleich. Auch ein ausgesprochen amüsantes Debüt, weil alles so absurd und exakt beobachtet (und belauscht) und so ungerührt und knapp geschildert ist.“

  • Stine Pilgaard, Meine Mutter sagt. Roman. (aus dem Dänischen von Hinrich Schmidt-Henkel; Kanon Verlag)

„Was haben wir zu vererben?“: Lukas Bärfuss’ Essay über die Verantwortung für die Nachgeborenen ist so persönlich wie frei von Befindlichkeit: Er übt damit das gerade Denken in wirren Zeiten. „Hier nun, innerhalb eines Essays von Vortragslänge, schildert er auf wenigen Seiten sehr plastisch seinen familiären Hintergrund, seine desolate Jugend und Adoleszenz und seine Selbstbefreiung durch die Literatur. Und er lässt gleichzeitig durchblicken, dass er nicht beabsichtigt, ausführlicher davon zu berichten: Lange habe er sich dazu nicht stark genug gefühlt, ‚und jetzt, da ich es war und ich diese Geschichte hätte erzählen können, gab es keine Notwendigkeit mehr dafür‘.“

  • Lukas Bärfuss, Vaters Kiste. Eine Geschichte über das Erben (Rowohlt)

„Endzeit im Odenwald“: Matthias Matschke und sein Romandebüt über das Aufwachsen in der alten BRD. „Falschgeld ist eine raffiniert mit Wirklichkeitspartikeln spielende Adoleszenzgeschichte, in der unausgesprochen vom Ende einer Epoche erzählt wird.“

  • Matthias Matschke, Falschgeld. Roman (Hoffmann und Campe)

„Wo der Polemiker zu verteidigen wäre“: Aus dem Handbuch zu Leben und Werk von Karl Kraus erfährt sogar der Kenner Neues. Und doch gibt es merkwürdige Lücken. „Die problematischen Beiträge sind glücklicherweise in deutlicher Minderheit. Mitte der Zwanzigerjahre befand Kraus, dass die Akten über seinen Nachruhm noch nicht geschlossen seien. Auch dieses Handbuch ist kein zuklappender Deckel über der Akte Kraus. Es hat einerseits ein Element der Kanonisierung in sich, über das er selbst sich gewundert hätte, andererseits regt es zu weiteren Diskussionen über ihn und sein Werk an. Insofern wird das Karl Kraus-Handbuch künftig durchaus das sein, was man ‚unverzichtbar‘ nennt.“

  • Simon Ganahl/Katharina Prager (Hg.), Karl Kraus Handbuch (J. B. Metzler)

 

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