Danach fragen Kunden Umgeblättert heute: „Ein Ereignis“

Jeden Morgen blättern wir für Sie durch die Feuilletons der führenden Tageszeitungen – damit Sie schnell einen Überblick haben, wenn Kunden ein bestimmtes Buch suchen oder Sie nach einer Idee für einen aktuellen Büchertisch:

 

„Ankerplatz im Antiquariat“: Bücher über Bücher haben weltweit Konjunktur, aber Satoshi Yagisawas Roman Die Tage in der Buchhandlung Morisaki ist etwas Besonderes. „Bücher über Buchläden bilden fast so etwas wie ein literarisches Genre für sich. Oft gleichen sich die Muster: Ob die Läden an der Themse liegen, am Stadttor oder in einem Dorf am Meer, in Schottland oder eben in Japan – meist geht es um Zauberwelten, über denen gern auch dräuende Wolken hängen. Hierher ver­irren oder flüchten sich Menschen, die auf der Suche sind. Oft wissen sie noch nicht, wonach, aber im Laufe der Erzählung findet sich dann ein Geheimnis, ein Sinn, eine Neuorientierung. Und wenn es nur eine Begegnung mit sich selbst ist. ‚Wohlfühlromane‘ dieser Art haben anscheinend Konjunktur: Bücher als altmodisches Medium im nostalgischen Raum, dazu die passenden Personen, werden mit liebevollem Erzählerblick gefeiert. (…) Doch warum dann ausgerechnet diesen japanischen Roman lesen? Weil er kurzweilig geschrieben und verdammt gut übersetzt ist. Und weil er nicht in Nostalgie schwelgt, sondern uns bei aller Kuriosität sehr heutig und hautnah kommt. Da ist das japanische Ambiente nur ein zusätzlicher Unterhaltungsfaktor.“

  • Satoshi Yagisawa, Die Tage in der Buchhandlung Morisaki. Roman. (aus dem Japanischen von Ute Enders; Insel Verlag)

„Ein cleverer Butler kennt seine Interessen“: Flexibel muss die Moral eben sein: Oliver Bullough lässt am Geschäftsgebaren der englischen Upper Class kein gutes Haar. „Dabei herausgekommen ist ein Buch, das Vorstellungen von feiner englischer Art um eine hässliche Dimension erweitert. Einerseits sagt Bullough, die Upper Class sei genauso vornehm, weltgewandt, lässig, humorvoll und knapp bei Kasse wie ihr Ruf. Doch sie sei andererseits auch auf einzigartige Weise skrupellos. Sie war es schon zur Zeit des Empire. Als Großbritannien ein Viertel der Welt beherrschte, machte es sich deren Reichtümer auf bemerkenswert geschickte Art zu eigen.“

  • Oliver Bullough, Der Welt zu Diensten. Wie Großbritannien zum Butler von Oligarchen, Kleptokraten, Steuerhinterziehern und Verbrechern wurde. (aus dem Englischen von S. Schmid und R. Gravert; Antje Kunstmann Verlag)

„In Schlemihls Schatten“: Die Hauptfigur des rumänischen Autors in Der Schatten im Exil hat keinen Namen – aber die gleiche Biographie wie der Autor selbst. Dabei steht der Roman für die Zerrissenheit während und nach der Flucht. „Schnell wird klar, dass sich der Namen­lose mit Peter Schlemihl identifiziert, mit jener fiktiven Figur des Schriftstellers Adelbert von Chamisso, die einen Pakt mit dem Teufel eingeht und ihren Schatten für endlosen Reichtum verkauft, wodurch sie sich aber gesellschaftlich ausgrenzt und schließlich ihr Leben in Einsamkeit der Wissenschaft widmet.“

  • Norman Manea, Der Schatten im Exil. Roman. (aus dem Rumänischen von Ernest Wichner; Hanser Verlag)

„Menschen wie Naturgewalten“: Anna Maria Ortese wurde zu Lebzeiten bewundert und ihre Bücher wurden verrissen. Jetzt erscheint ihr verrätselter Roman Der Hafen von Toledo zum ersten Mal auf Deutsch. Er ist ein Ereignis. „Aber dass der Roman jetzt erstmals auf Deutsch erscheint, und dann noch in der herausragenden Übersetzung der kürzlich verstorbenen Marianne Schneider, nach Sigrid Vagt die zweite, glänzende Übersetzerin Orteses, ist ein Ereignis. Ob ornamental, traumwandlerisch oder drastisch, Schneider überträgt Orteses facettenreiches Italienisch in ein schimmerndes Deutsch.“

  • Anna Maria Ortese, Der Hafen von Toledo. (aus dem Italienischen übersetzt von Marianne Schneider, mit einem Vorwort von Tiziano Gianotti; Friedenauer Presse Berlin)

„Die ganze Masse meiner Gedanken“: Pankaj Mishra ist ein einflussreicher Essayist unserer Zeit. Nach seinem neuen Roman Goldschakal wünscht man sich, er wäre einfach dabei geblieben. „Das Buch krankt vor allem an der Gesprächssituation des Briefs ohne Antwort. 417 Seiten redet Arun auf Alia ein, ohne dass sie je die Möglichkeit zu wirklicher Gegenrede bekäme. Sie bleibt mit ihren hochhackigen Stiefeln und ihrer diffus behaupteten Schönheit mehr Projektion als Mensch.“

  • Pankaj Mishra, Goldschakal. Roman. (aus dem Englischen von Jan Wilm; S. Fischer)

„Erste Frau und einarmige Schwester“: Die Shortlist für den Liberaturpreis mit Titeln aus Lateinamerika, Barbados, Uganda, den Palästinensergebieten und der Türkei. Auf der Shortlist stehen: „Papierschiffchen in der Wüste“ von Aysegül Çelik (Türkei), ein Roman in Erzählungen, erschienen bei Edition Converso; „Wie die einarmige Schwester das Haus fegt“ von Cherie Jones (Barbados), bei Culturbooks herausgekommen; „Vista Chinesa“ von Tatiana Salem Levy (Brasilien, erschienen im Secession Verlag); „Die erste Frau“ von Jennifer Nansubuga Makumbi (Uganda / Großbritannien, erschienen im Interkontinental Verlag); „Eine Nebensache“ von Adania Shibli (Palästina / Deutschland, Berenberg Verlag); „Die Differenz“ von Alia Trabucco Zerán (Chile, bei Bahoe Books).

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