Danach fragen Kunden Umgeblättert heute: „Kurz, dicht und schonungslos“

Jeden Morgen blättern wir für Sie durch die Feuilletons der führenden Tageszeitungen – damit Sie schnell einen Überblick haben, wenn Kunden ein bestimmtes Buch suchen oder Sie nach einer Idee für einen aktuellen Büchertisch:

  • „Vom geheimen Hüter seiner Texte“: Vor einem Jahr tauchten seit dem Kriegsende verschollene Manuskripte von Céline wieder auf. Nun werden die Hintergründe ihrer Unterschlagung und Rückkehr erzählt – ein echter Krimi. „Neuer Paukenschlag in der Sache der seit 1944 verloren geglaubten, dann letztes Jahr wiederaufgetauchten Céline-Manuskripte. Jean-Pierre Thibaudat, der das Konvolut in seiner Zeit als Theaterkritiker für die Pariser Tageszeitung ‚Libération‘ anvertraut bekommen und zwei Jahrzehnte lang gehütet hatte, ist jetzt ausführlich auf die Geschichte um den Sensationsfund zurückgekommen. Zunächst wollte ­Thibaudat sogar ein Buch zum Thema schreiben. Doch die romanhafte Ausschmückung, die sich kontaktierte Ver­leger wünschten, behagte ihm nicht. So hat er jetzt in seinem Blog bei der Internetzeitung ‚Mediapart‘ in neun ver­öffentlichten Beiträgen seine Sicht der Dinge vorgetragen.“
  • „Gefangen im teuflischen Labor“: Pawel Salzmans Aufzeichnungen während der Blockade Leningrads. „Die Blockade-Aufzeichnungen Pawel Salzmans (1912 –1985) sind kurz, dicht und schonungslos – er schont in erster Linie sich selbst nicht, geplagt von der Schuld des Überlebenden (die immer eindringlicher ist als die Schuld der Täter), getrieben von dem Bedürfnis, über die Erfahrung, die außerhalb des Formulierbaren liegt, Zeugnis abzulegen.“
    Pawel Salzman, Erinnerungen an die  Blockade. Mai 1941– Februar 1942. (aus dem Russischen von Christiane Körner; Friedenauer Presse)
  • „Die Automaten kommen erst noch“: Pionier auf vielen  Feldern: Ananyo Bhattacharya macht mit dem wohl vielseitigsten wissenschaftlichen Genie des vorigen Jahrhunderts bekannt. „Diese enorme fachliche Bandbreite dürfte auch der Grund dafür sein, warum es bis heute keine moderne, wissenschaftshistorischen Ansprüchen genügende Biographie von Neumanns gibt, also eine, die den ideengeschichtlichen und sozioökonomischen Einflüssen und Kontexten dieses beispiellosen Forscherlebens umfassend nachgeht. Dies leistet auch Ananyo Bhattacharya nicht, der allenfalls zwischen verschiedenen Arbeitsgebieten John von Neumanns dünne Verbindungslinien zieht – etwa zwischen seinen frühen beweistheoretischen Interessen und dem späteren Nachdenken über Computer.“
    Ananyo Bhattacharya, The Man from the Future. The Visionary Life of John von Neumann (Allen Lane/Penguin)
  • „So geh hin und decke seine Füße auf“: Francesca Stavrakopoulou will Gottes Körper wieder zum Recht verhelfen. „Dezidiert folgt sie dabei nicht der biblischen Tradition, die die ‚Anthropomorphismen‘ des Gottesbilds in immer subtilere Aussagen umformte. Vielmehr werden gerade diese Aussagen durch plastisch-körperliche Vorstellungen restituiert. Das hat Effekt, es gibt etwas zu sehen, das im Zeichen des biblischen Bilderverbots und der griechischen Philosophie weithin unsichtbar gemacht wurde. Man kommt antiken Vorstellungswelten näher.“
    Francesca Stavrakopoulou, Gott – Eine Anatomie. Der göttliche Körper  im Wandel der Zeit (aus dem Englischen von Karin Schuler und Maria Zettner; Piper)
  • „Kreis gegen Gerade“: Vittorio Hösle repliziert auf Nicolás Gómez Dávila. „Die von Hösle gewählte Form von Aphorismus und Gegenaphorismus wird Dávilas Denkweise noch im Widerspruch gerecht. Wie Dávila seine Scholien als Randbemerkungen zu Geschriebenem begriff, so formuliert Hösle seine Kritik als Glossen, die sich bei aller Bosheit nie über das stellen, was sie glossieren.“
    Vittorio Hösle, Im Dialog mit Gómez Dávila. Gegenaphorismen, Variationen, Korollarien (Zu Klampen)

  • „‚Sie ist zu dick’“: Der weibliche Zweig der Herkunftsliteratur: Einmal mehr erzählt Daniela Dröscher von Klassenscham und dem Unglück einer Ehe. Wer die Achtzigerjahre erlebt hat, wird manches wiedererkennen. “

    Die Lektüre ist schon deshalb aufregend, weil in Deutschland lange niemand über Klassenzugehörigkeit schrieb. Es war keine Kategorie, die in der Literatur mitgedacht wurde, was natürlich auch daran liegt, dass das Milieu, in dem man sich für einen schreibenden Beruf entscheidet, eines ist, in dem man es sich üblicherweise leisten kann, nicht über sozialen Status nachzudenken, schon gar nicht den eigenen.“

    Daniela Drösche, Lügen über meine Mutter. Roman (Kiepenheuer & Witsch)

  • „Was lesen Sie gerade … Heinz Helle?“: Tagsüber lese ich Zusammenkunft von Natasha Brown, über eine Britin mit jamaikanischen Wurzeln, die in der Londoner Finanzindustrie arbeitet. Es ist ein schönes, schmerzhaftes Buch. Schön sind die fragmentarische Form und die klare Sprache. Schmerzhaft sind die Erlebnisse der Erzählerin. Ich glaube, ich lerne viel durch dieses Buch. Abends lese ich Die Dämonen von Dostojewski, zum dritten Mal. Und ich staune, wie aktuell dieser Roman bleibt. Es gibt darin Mörder und Unruhestifter, die rätselhafte Buchstaben verbreiten („X“ und „Z“); es gibt Sozialromantiker, die an ihrer Toleranz (vor allem sich selbst gegenüber) zu Grunde gehen; und es gibt Radikale ohne Überzeugungen oder Programm, die sich über ganze Kontinente vernetzen mit dem Ziel, Unzufriedenheit zu verbreiten und vor allem Unglauben.“

 

  • „Der Richter und das ‚gefallene Mädchen'“: Liz Nugents Roman Auf der Lauer liegen dunkelt sich zum psychologischen Thriller ein. „Puzzleteilchen um Puzzleteilchen, Nuance um Nuance fügt Nugent ihren Figuren hinzu – so dass sich der Eindruck, es könne sich hier um einen eher leichten, heiteren Krimi handeln, bald zerstreut.“
    Liz Nugent, Auf der Lauer liegen. (a. d. Engl. von Kathrin Razum; Steidl)
Kommentare (0)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert