Danach fragen Kunden Umgeblättert heute: „Was für ein Gewinn“

Jeden Morgen blättern wir für Sie durch die Feuilletons der führenden Tageszeitungen – damit Sie schnell einen Überblick haben, wenn Kunden ein bestimmtes Buch suchen oder Sie nach einer Idee für einen aktuellen Büchertisch:

 

„Dann übertrieb ich alles“: Er schuf ein leuchtendes Beispiel der Querfinanzierung von Hochliteratur durch populäre, erlebte viele Pleiten und weigerte sich doch, seinen Weg als von solchen gepflastert zu sehen: Zum Tod des Verlegers Vito von Eichborn. „Er halte nichts von Profilen, sagte Vito von Eichborn einmal, und habe stets versucht, das Anspruchsvollste neben dem Anspruchslosesten zu publizieren, das Ernste neben dem Trivialen. Am Montag ist er im Alter von 79 Jahren in Malente gestorben.“
„Schuld essen Seele auf“: Familiendrama und Gesellschaftsbild: Nicoletta Vernas spätes, spannendes Romandebüt Der Wert der Gefühle. „Die Ambivalenz des Titels Il valore affettivo, also Gefühls- oder Erinnerungswert, fällt in der Übersetzung flach: Der Wert der Gefühle klingt, so allgemein und nominal formuliert, nach Sachbuch oder psychologischem Ratgeber. Aber das ist eher dem Verlag anzukreiden als der bis auf kleine Ungereimtheiten soliden Übersetzerin Ingrid Ickler.“
  • Nicoletta Verna, Der Wert der Gefühle. Roman. (aus dem Italienischen von Ingrid Ickler; Folio Verlag)

„Wenn die Tante mit der Nichte“: Adriana Altaras erzählt in Besser allein als in schlechter Gesellschaft von einer Seelenverwandtschaft. „Adriana Altaras’ fünftes Buch, Besser allein als in schlechter Gesellschaft, behandelt lebensbejahend und heiter an­hand zweier Frauenschicksale das Be­wusstsein des Altwerdens (bei Frauen also das Überschreiten der sechzig) und des Ungeheueraltwerdens (das Überschreiten der hundert). Das sind zwei sehr verschiedene Prozesse und Bewusstseinsstadien. Doch sie kulminieren in einem gemeinsamen Dritten, das im Titel des Buches (trotzig tapfer) genannt wird, nämlich die Einsamkeit. Mit ihr kommt das bleierne Gewicht der Erinnerungen. Doch bleiern ist nichts in diesem südlich sonnigen Buch, das man am Ende gar nicht verlassen will, weil man sich in seiner ruhigen Positivität so gut aufgehoben fühlt.“

  • Adriana Altaras, Besser allein als in schlechter Gesellschaft. Meine eigensinnige Tante. (Kiepenheuer & Witsch)

„Neurosen bitte erst später weitergeben“: Joachim Schnerfs Roman Das Cabaret der Erinnerungen erzählt vom fortgesetzten Trauma der Schoa. „Glaubwürdig wird Das Cabaret der Erinnerungen durch die geschickte Verschachtelung der Ebenen. Weniger ge­schickt ist er gelegentlich im Tonfall, der einen Hauch zu stark von seiner Mission erfüllt ist – geschichtlich verzeiht man es ihm, ästhetisch nicht – und einen Ton anschlägt, der teils gefühlslastig ist.“

  • Joachim Schnerf, Das Cabaret der Erinnerungen. Roman. (aus dem Französischen von Nicola Denis; Verlag Antje Kunstmann)

„Gebrauchsanweisung zur Israel-Debatte“: Mitten hinein in hitzige Antisemitismus-Diskussionen veröffentlicht Meron Mendel ein Buch als Anleitung. Was für ein Gewinn. „Kurz gesagt: Dies ist ein großes, in großer geistiger Unabhängigkeit geschriebenes Essay eines Autors, der an billigem Applaus und muffigem Zugehörigkeitsgefühl offenbar so fantastisch desinteressiert ist, wie es auf diesem Gebiet leider sehr, sehr selten geworden ist. Differenziert, gründlich – und kurz.“

  • Meron Mendel, Über Israel reden. Eine deutsche Debatte. (Kiepenheuer & Witsch)

„Dieser Tod soll Gottes Wille sein?“: Kathedralen, Claudia Piñeiros Kriminalroman über jene, die der Glaube grausam macht. „Die Argentinierin Claudia Piñeiro, Jahrgang 1960, erzählt in ihrem gerade in deutscher Übersetzung erschienenen Roman Kathedralen (Catedrales, 2020) von einer Familie, in die der Glaube einen so tiefen Keil treibt, dass eine Versöhnung undenkbar ist. Die moralische Rigidität derjenigen Mitglieder, die überzeugt sind, Gott an ihrer Seite zu haben, ist ohne Einsicht. Automatisch fühlen sie sich ent-schuldet.“

  • Claudia Piñeiro, Kathedralen. Roman. (a. d. Span. v. Peter Kultzen; Unionsverlag)
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