Danach fragen Kunden Umgeblättert heute: Wiederentdeckung eines der „wichtigsten Schriftsteller des letzten Jahrhunderts“

Jeden Morgen blättern wir für Sie durch die Feuilletons der führenden Tageszeitungen – damit Sie schnell einen Überblick haben, wenn Kunden ein bestimmtes Buch suchen oder Sie nach einer Idee für einen aktuellen Büchertisch:

 

„Opfer des eigenen Mythos“: Wenn die Pet Shop Boys auf Abba, Motörhead und T.  S. Eliot treffen: Mark Andrews zeichnet in einer Mischung aus Biographie und Szeneporträt nach, wie die Sisters of Mercy von einer Lokalband aus Leeds zur Pop-Größe wurden. „Mark Andrews zeigt mit seiner Darstellung, was Pop im Idealfall sein kann: das Unquantifizierbare, eine auf den Zufall, den passenden Ort, die richtigen Leute angewiesene Konstellation, deren holprige Entwicklung schon das Ziel darstellt. Vollkommen uninteressant ist dabei ein schlimmstenfalls glattgebügeltes Endprodukt, egal sind Verkaufszahlen und Hallengrößen. Die Sisters of Mercy waren zu keinem Zeitpunkt ihres Bestehens bei sich angekommen, die ganze Band – ihr Mitgliederkarussell, ihre Alben, ihre Ästhetik, ihr Auftreten – ist eine einzige Dauertransformation.“

  • Mark Andrews, BlackPlanet. Der Aufstieg der Sisters of Mercy. (aus dem Englischen von Kirsten Borchardt; Hannibal Verlag)

„Er hat die Skier seiner Tochter gewachst und ist stolz darauf“: Der jetzt von Antje Rávik Strubel ins Deutsche übersetzte Roman Der gewöhnlich Mensch erzählt von den Bemühungen eines Schweden, dem sozialdemokratischen Ideal seiner Heimat gerecht zu werden. „Der Roman steht in einer großen Tradition kritischer Epik aus Schweden; Lars Gustafssons Romantetralogie ‚Sprickorna i muren‘ (Risse in der Mauer) aus den Siebzigerjahren ist das in Deutschland bekannteste Beispiel dafür. Jedenfalls beherrscht auch Lena Andersson die Kunst, kleinste Haarrisse im Lebenslauf von Kollektiv und Einzelnem so zu erzählen, dass die Leserschaft genau verfolgen kann, wo diese Risse ihren Ursprung haben und was aus ihnen alles werden kann, für welche Ein- und Zusammenbrüche sie möglicherweise verantwortlich sind.“

  • Lena Andersson, Der gewöhnliche Mensch. Roman (aus dem Schwedischen von Antje Rávik Strubel; Luchterhand Literatur­verlag)

„Die innere Mutter“: In Julia Frieses Roman MTTR geht es um die autoritären Dogmen, die deutsche Millennials unbewusst an ihre Kinder weitergeben. Aber lässt sie da nicht was aus? „Ob man Boomer oder Millenial, Mutter, Vater oder kinderlos, Ärztin oder Hebamme, Arbeitgeber oder Arbeitnehmer ist, autoritär oder antiautoritär erzogen wurde, determiniert nicht allein, wie man zum Thema Kinder, Geburt oder Elternschaft steht. Systemische Zusammenhänge kennen keine isolierten Positionen. In MTTR wird die Chance, die Komplexität einer Debatte widerzuspiegeln, vertan.“

  • Julia Friese, MTTR. Roman. (Wallstein Verlag)

„Weißer Mann mit Messer“: Der tausendseitige Bericht einer kolonialen Raubmission des Surrealisten Michel Leiris ist neu erschienen. Hat er noch etwas zu sagen? „Es sind die literarischen Qualitäten, die Phantom Afrika herausheben und zu Leiris’ vielleicht nicht bestem, aber erfolgreichstem Werk machen. Claude Lévi-Strauss erklärte ihn später zu einem der ‚wichtigsten Schriftsteller des Jahrhunderts‘.“

  • Michel Leiris, Phantom Afrika. (aus dem Französischen von Rolf Wintermeyer und Tim Trzaskalik; Matthes & Seitz)

„Von SZ-Autoren“:

  • „Willi Winkler wandert nach Italien“: Willi Winkler, Herbstlicht. Eine Wanderung nach Italien. (Rowohlt.Berlin)
  • „Martin Wittmann über das ideale Leben“: Martin Wittmann, Wie ich einmal alles schaffen wollte, was ich mir schon immer vorgenommen habe. (Penguin)

 

„Hakenkreuz am Bauchnabel“: Die erschütternd klarsichtigen Reisereportagen des spanischen Journalisten Manuel Chaves Nogales aus Deutschland im Frühjahr 1933. „Manuel Chaves Nogales spricht früh aus, was viele noch Jahre später nicht wahrhaben wollen. Selbstverständlich bewerten wir heute, auf der Basis einer monumentalen internationalen Forschungsarbeit, manche Aspekte anders als der 35 Jahre alte Reporter. Doch allemal ist dies ein starkes Zeitdokument: Beobachtungen aus den ersten Wochen der Nazi-Diktatur – sozusagen um fünf Minuten nach zwölf.“

  • Manuel Chaves Nogales, Deutschland im Zeichen des Hakenkreuzes. (a. d. Span. v. Frank Henseleit; Kupido)
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