Heute mit Reiseliteraur Umgeblättert heute: „Wo bleibt der Shitstorm?“

Jeden Morgen blättern wir für Sie durch die Feuilletons der führenden Tageszeitungen – damit Sie schnell einen Überblick haben, wenn Kunden ein bestimmtes Buch suchen oder Sie nach einer Idee für einen aktuellen Büchertisch:

  • „Geschichte einer deutschen Vagina“: Katharina Volckmer erzählt in Der Termin von einer Frau, die sich einen „jüdischen Schwanz“ operieren lassen will. Wo bleibt der Shitstorm? „Deutsche Verlage lehnten das Buch, welches zu diesem Zeitpunkt in Großbritannien bereits reüssierte, reihenweise ab. Als sich mit dem neu gegründeten Kanon-Verlag endlich einer fand, warnte Volckmer selbst unter anderem im englischen Guardian vor einem aufziehenden Sturm. Es folgten eine Veröffentlichung, ein paar gute Rezensionen und keinerlei Kontroverse, was sehr schön ist für den Ruf des Diskurses und vielleicht, ohne der in Oxford promovierten Literaturagentin Volckmer etwas zu unterstellen, auch ein bisschen enttäuschend.“

    Katharina Volckmer, Der Termin (Kanon Verlag)

  • „Das Geschäft des Genies“: Carolin Amlinger schlüsselt eindrucksvoll die Widersprüchlichkeiten des modernen Literaturbetriebs und Schriftstellerlebens auf. „Die Dissertation umfasst eigentlich gleich mehrere Bücher in einem: Es handelt sich auf den ersten 300 Seiten um eine Geschichte des Buchhandels in drei Längsschnitten vom 19. Jahrhundert bis in die unmittelbare Gegenwart der Corona-Phase; dann um eine Feldstudie zum aktuellen Literaturbetrieb; und schließlich um eine grundlegende Erkundung der ebenso unauflöslichen wie spannungsvollen Verschlingung von Ästhetik und Ökonomie im Konzept moderner Autorschaft.“
    Carolin Amlinger, Schreiben. Eine Soziologie literarischer Arbeit (Suhrkamp)

 

  • „Ausschau halten nach Rose“: Das muss genügen: Der feinziselierte Roman Im letzten Licht des Herbstes der Kanadierin Mary Lawson. „Ein Cover, auf dem Bäume in prächtigen Herbstfarben zu sehen sind. Ein Klappentext, der einen ‚berührenden, hoffnungsvollen Roman‘ verspricht. Ein Titel, Im letzten Licht des Herbstes, der jedenfalls dem Verdacht, dieses Buch könne einen nicht gerade kleinen Kitsch-Anteil haben, nicht widerspricht (der Originaltitel, A Town Called Solace, ist da nicht besser, da ‚Solace‘ im Englischen Trost bedeutet). Wie gut, dass der Roman der Kanadierin Mary Lawson – 1946 in Ontario geboren, seit 1968 mit Familie vorwiegend in England lebend – solche Bedenken zügig zerstreut.“
    Mary Lawson, Im letzten Licht des Herbstes (aus d. Engl. v. Sabine Lohmann; Heyne)
  • „Als Trupps der Stasi über die Gleise einmarschierten“: Ein unterschlagenes Stück deutsch-deutscher Geschichte: Hans-Ulrich Jörges’ Stille Invasion. „Bei dem Versuch, die überaus packende Geschichte zu verstehen, fragt sich der staunende Leser jedoch, warum die Recherche den Umweg über die oft hölzern-unbeholfen wirkende Form des Romans nehmen musste. (…) Das Ausrollen der angehäuften Fakten scheint dem Autor wichtiger als die ambitionierte literarische Präsentation.“
    Hans-Ulrich Jörges, Stille Invasion (be.bra)

 

  • „Ans Ende der Nacht und verwandelt zurück“: Der archäologische Blick des Autors: Mit seinem packenden Erzählungsband Stäube sucht Clemens Meyer im Untergrund Glücksmomente und Enttäuschungen der ostdeutschen Vergangenheit. „Seine drei Kurz­ge­schich­ten werden abge­run­det von einem biogra­phi­schen Essay, in dem der Schrift­stel­ler, aufge­wach­sen in einer christ­lich gepräg­ten Fami­lie in Halle und seit frühes­ter Jugend leiden­schaft­li­cher Leser, erzählt, wie er zu dem wurde, der er heute ist.“
    Clemens Meyer, Stäube (Faber & Faber)
  • „Die Fangzähne der Ehre“: Jeder Krieg hinterlässt Spuren: Aka Mortschiladses Roman Liebe und Tod in Tiflis. „Ein erzro­man­ti­sches Erzähl­kon­zept also samt Auffor­de­rung an den Leser, das Frag­men­ta­ri­sche zu ergän­zen und die Hand­lungs­fä­den selbst zu entwir­ren, denn die zwölf in stän­dig wech­seln­den Stil­la­gen verfass­ten Teile sind eher asso­zia­tiv als chro­no­lo­gisch mitein­an­der verbun­den. Wer das auf sich nimmt, wird reich belohnt; schon die zauber­haf­te Drei­ecks­ge­schich­te im Zentrum des Romans ist jede Mühe wert.“
    Aka Mortschiladse, Liebe und Tod in Tiflis (Mitteldeutscher Verlag)
  • „Herz, mein besorgtes Herz!“: Das erste Ich: Kurt Steinmanns Hinführung zum griechischen Lyriker Archilochos. „Stein­manns Über­set­zung ist für eine Lyrik­über­set­zung unge­wöhn­lich nahe am Origi­nal, aber zugleich in einem moder­nen, schnör­kel­lo­sen Deutsch gehal­ten. Obgleich er keine Vers­über­set­zung vorlegt  – er selbst nennt es eine ‚doku­men­ta­ri­sche Prosa­über­tra­gung‘ –, findet Stein­mann dabei durch­aus einen lyri­schen Ton.“
    Archilochos, Gedichte. Zweisprachige Ausgabe (Reclam)

Reisebuch

  • „Irgendwo werden sie sein“: Mario Cuesta Hernan­do (Text) und Raquel Martín (Illus­tra­tio­nen), Antark­tis – Eine Expe­di­ti­on zum Südpol , Pres­tel
  • „Irgendetwas passiert immer“:Alex­an­dra Litwi­na und Anna Desnit­s­ka­ya , Von Moskau nach Wladi­wos­tok. Eine Reise mit der Trans­si­bi­ri­schen Eisen­bahn, Gerstenberg
  • „Irgendwie beten sie alle“: Anna Wills und Nora Tomm, Das Wimmel­buch der Welt­re­li­gio­nen“, Beltz 
  • „Der Gorilla reicht die Hand“: Holger Haag, Zeich­nun­gen von Lars Baus, Lebens­groß – Wilde Tiere Afri­kas, Coppen­rath
  • „Irgendwann ist es soweit“: Lara Alba­ne­se (Text) und Tomma­so Vidus Rosin (Illus­tra­tio­nen), Atlas des Welt­alls – Die Geheim­nis­se des Himmels und der Sterne, Midas
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