"Mitten ins Herz" Verkaufshilfe: Benzes besonderes Buch im November ist „Als der Krieg nach Rondo kam“ (Gerstenberg)

In jeder BuchMarkt-Ausgabe liefert Helmut Benze Tipps für ganz besondere Bücher. Im November-Heft hat er sich mit Romana Romanyschyns und Andrij Lessiws Als der Krieg nach Rondo kam (Gerstenberg) beschäftigt. Auf Seite 61 bringt er gute Argumente für das Werk:

 

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

mitten ins Herz wollten die Helden dieses Mutmach-Buches den Krieg treffen. Doch der Krieg hat kein Herz. Gleichwohl erfinden das Glaswesen Donko, der Luftballonhund Fabian und der Papiervogel Sirka eine gigantische Lichtmaschine, die dem Krieg heimleuchtet und ihn vertreibt. Beherzte Zartheit gegen finstere Brachialgewalt. Mitten ins Herz dürfte diese einzigartige Hommage an Friedenssehnsucht, Freundschaft, einfallsreiche Tatkraft und Zuversicht viele Ihrer Kundinnen und Kunden treffen.

Wo liegt Rondo ?

Rondo war beim Erscheinen dieser inspirierenden Kreation anlässlich Putins Annexion der Krim 2014 jeder Ort der ukrainischen Halbinsel. Heute, nach gesteigerter Verhöhnung jeglichen Völkerrechts und verbrecherischer Missachtung jeglicher Humanität erleiden viele,viele Orte der von Putins Kriegsknechten heimgesuchten Ukraine und unzählige Menschen das Schicksal Rondos. Einer Gemeinde, die Geborgenheit, Frieden, Wohlbefinden gewährt und sich beim Gesang eines Rondos von Mozart vereint  fühlt. In diesen heiteren Frieden bricht der Krieg ein, verschlingt alles Licht, vernichtet alles Leben, martert Körper und Seelen, vergiftet Pflanzen und Tiere.

Warum betone ich die Besonderheit dieses Kunstwerkes?

Wenn ein Bilderbuch bereits beim ersten Blättern in den Bann schlägt, wenn es Erinnerungen geradezu frei sprengt, verblasste Lektüre eines Schlüsselgedichts (Stefan Heym, Der Krieg) präzise vergegenwärtigt, dürfte es ein besonderes Werk sein. Als der Krieg nach Rondo kam ist ein ganz besonderes Buch. Es baut Gesprächsbrücken zwischen Erwachsenen und Kindern, es hilft, sich dem Krieg, dieser teuflischen Entfesselung niederster Instinkte, mit Mut und Zuversicht zu stellen. Es zeigt mit fantastisch poetischer und radikal realistischer Text- und Bildsprache, dass die lähmende Ohnmacht angesichts von Gewalt und Gräuel ertragen,vielleicht sogar bewältigt werden kann.

Was löst diese Hommage an Mut, Freundschaft, Einfallsreichtum und Gemeinschaft aus?

Mir offenbarte dieses Kunstwerk, dass der düsteren Hoffnungslosigkeit, die Heyms Gedicht einbrennt, Licht, Selbstgewissheit, Kreativität und Standhaftigkeit Einhalt gebieten können.

Nicht:

„Aufgestanden ist er, welcher lange schlief,

Aufgestanden aus Gewölben tief.

In der Dämmerung steht er, groß und unerkannt,

Und den Mond zerdrückt er in der schwarzen Hand (…)

Dass er mit dem Brande weit die Nacht verdorr,

Pech und Feuer träufet unten auf Gomorrh.“

Sondern:

„Die Bewohner von Rondo bauten ihre Stadt wieder auf,

auch das Gewächshaus, wo die Blumen wieder wuchsen

und wie früher jeden Morgen die Hymne sangen (…)

Bis heute wachsen überall in der Stadt rote Mohnblumen.“

(Seit 1914 ist der rote Mohn das Erinnerungssymbol

an die Kriegsgefallenen.)

 

Was geben Romana Romanyschyn und Andrij Lessiw ihrem Buch mit auf den Weg?

„(…) Oft wissen Eltern nicht, wie sie ihren Kindern erklären sollen, was Krieg ist, und warum er zu ihnen nach Hause gekommen ist (…). Wir waren der Meinung, dass wir ehrlich sein und die Geschichte auf unserer eigenen Erfahrung aufbauen sollten (…). Krieg hinterlässt Narben, es verändert jeden, körperlich und geistig. Die Bevölkerung von Rondo muss diese schmerzhafte Erfahrung durchleben. Aber sie wird dadurch stärker (…).  Es geht um Krieg als Volkskrankheit der Welt. Es sagt Kindern, wie wichtig es ist, keine Angst zu haben. Stark zu bleiben, mit Freunden und deinem eigenen Volk zusammenzubleiben und die Hoffnung zu bewahren.“

Welche weiteren Anregungen stiftet dieses Buch?

Unzählige. Mich hat das Buch sofort an eines der Schlüsselgedichte meines Lebens erinnert, an Heyms Kriegsgedicht, das ich als Buchhandelslehrling vor sechzig Jahren zum ersten Mal las. Eine weitere Anregung ist die Wiederlektüre von Erich Kästners singulärem Mutmach-Buch „Die Konferenz der Tiere“.

Und es weist auf ein anderes einzigartiges Bilderbuch, das bezeugt, wie beflügelnd und zu beherztem  Handeln anstiftend es sein kann, wenn wir die alltäglichen Grenzen, Konventionen und Denkformate sprengen und buchstäblich zu den Sternen greifen: Eric Carle´s „Papa, bitte hol für mich den Mond vom Himmel“. Es belegt feinstes Gespür für zeitlose Qualität, dass auch  dieses Werk bei Gerstenberg erschienen ist.

Ihnen wünsche ich gute Gespräche und viel Erfolg!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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