Freitag: Ihr werdet Euch noch ganz schön umgucken!
Liebe Freunde,
heute habe ich mal nicht den Zug genommen, sondern das Auto!

Dass ich das irrtümlich für eine Meldung halte, liegt daran, dass bereits der vierte Messetag ist. Ich kann die echte Welt nicht mehr von der in meinem Kopf unterscheiden.
(Und ich bin hier drin eingesperrt!)
(In meinem Kopf, nicht in Jules Auto.)
Wenn ich einen Penny hätte für jedes Mal, wenn uns auf dieser Messe einer fragt, ob wir Vater und Tochter seien, dann hätte ich jetzt schon zwei Pennys.
(Verdammt, ich hätte das Geld nehmen sollen!)
So. Wo war ich? Freitag. Heute war es voll, denn ab heute durften ja auch Menschen hier rein!

Ab jetzt geht es wieder um volle Gänge, ums Schlangestehen, ums Durchquetschen und um Leuteslalom.
Und ums nackte Überleben, im Sinne von: Bald ist Feierabend. Nur noch ein- oder zweimal schlafen!

Ich durfte endlich unseren neuen zukünftigen Börsenvereinsvorsteher kennenlernen, Sebastian Guggolz! Bei S. Fischer ist er Teamleiter Klassik, und er hat seinen eigenen, kleinen Guggolzverlag. Im Interviewduell der Fachpresse hat er die ordentlichsten Antworten gegeben, und er markiert eine wichtige Wende in meinem Leben:

Das Gutscheinheft der Frankfurter Buchmesse
Meine kleine Handelsquest geht weiter: Im Austausch gegen meine Adresse bekommen ich als Messefachbesucher ein Verlagsgoodie. Ich besuchte wieder einige der Anbieter:innen.
Die Bücherfrauen sind ein Verein für weibliche Branchenvernetzung, und der bietet einen Becher an, wenn Sie eine Frage richtig beantworten.

Ich gewinne zwar den Becher, weil ich zur Hälfte weiß, dass eine Akquise ein Dach über einer Terrasse ist, aber ich zahle einen hohen Preis:

Sisigrant media bietet ein kunsthistorisches Hörbuch an über die sieben Todsünden und ihre Darstellung in der Kunst; und die Print-Ausgabe kriegen Sie zusätzlich, wenn Sie am Todsündenrad den Hochmut erdrehen.

Also probiere ich es.


Wenn ich beim nächsten Verlag ebenfalls enttäuscht werde, wird das Konsequenzen haben. Ich gehe zu zu Haymon, wo ich hoffentlich das Paar Socken ausgehändigt bekomme, das der Gutschein verspricht.

Das hat Konsequenzen: Ich werde morgen meine eigenen Socken tragen.
Stellvertretend für unsere ganze Branche und ihre Gäste bedanke ich mich für heute bei allen Verlagen, die mitgemacht haben.
Drittes Interview auf dieser Messe: Katharina Zweig
Prof. Dr. Katharina Zweigs Thema ist die Bioinformatik. Ihr Buch ist bei Heyne erschienen und heißt Weiß die KI, dass sie nichts weiß? Hierin erklärt die Wissenschaftlerin, wie so ein Chatbot überhaupt funktioniert, wo die Mechanik aufhört und wo das Denken anfängt. Und wieso wir so verdammt anfällig dafür sind, wenn uns eine Maschine nett behandelt.
BuchMarkt: Ist es ein anthropomorphes Problem, was wir da mit KI haben?
Katharina Zweig: Ja.
Wir können die Schuld nicht auf die Maschinen schieben, wenn wir sie vermenschlichen wollen?
Nein.
Wo liegt denn der Ereignishorizont unserer Fahrlässigkeit im Umgang mit Maschinen? Auf der einen Seite können wir ChatGPT textuelle Aufgaben ausführen lassen, aber andererseits suchen wir auch Rat, emotionale Hilfe, eine:n Gesprächspartner:in und Nähe. Wo ist da der gefährliche Übergang?
Das ist das, was mir am meisten Sorgen macht. Ein Sechzehnjähriger hat sich mit Suizidgedanken an die Maschine gewandt, und ich frage mich, was das über unsere Gesellschaft aussagt, wenn sich ein solch junger Mensch dann an das Sprachmodell wendet anstatt an andere Menschen. Gerade in der westlichen Welt wollen wir uns mit unserer Individualisierung unabhängig machen von anderen Menschen. Da tragen wir viel dazu bei, dass eine große Verführungsmacht entsteht, sich mit persönlichen Problemen an eine Maschine zu wenden, bei der es einem nicht peinlich sein muss, dass man mit irgendetwas kämpft.
Ist dieses Problem älter als die Technik?
Also ich bin zurückgegangen auf 1960. Da gab es eine Software, die nannte sich Eliza, von Joseph Weizenbaum. Die folgte ganz simplen Regeln. Wenn der Nutzer sagte „ich bin XYZ“, dann fragt die Maschine „Wie lange bist du schon XYZ?“ Und obwohl der Programmierer den Nutzerinnen und Nutzern gesagt hat, dass die Maschine nach diesen Mustern arbeitet, haben sich die Proband:innen menschlich verstanden gefühlt von der Maschine.
Aber woher kommt das?
Im Buch erkläre ich es damit, dass wir evolutionär auf Kooperation selektioniert wurden. Kooperation wird einfacher, wenn ich mich in Sie hineinversetzen kann, und das übertragen wir auf die Maschinen. Jan Georg Schneider, Professor aus Landau, nennt das Intelligible Texturen. Da wird etwas hergestellt, das wirkt wie ein Text, also eine Textur, und sie ist intelligibel, d.h. mit Intelligenz auffüllbar. Und das macht es auch für mich richtig schwer zu erkennen, dass es eine Maschine ist.
Wie kann man sich innerlich auf so etwas einstellen?
Das kann man sich antrainieren. Ich sage die ganze Zeit der Computer, die Maschine, die Software, das System. Ich glaube, das es wirklich wichtig ist, wie wir als Menschen miteinander über diese Systeme reden, damit wir sie nicht mit Menschen verwechseln. Aber wie wir es in den Griff kriegen sollen, dass Jugendliche, einsame Menschen, alte Menschen sich an die Maschine wenden, wenn die Hürde, den Nachbarn anzuklingeln, so groß ist – das müssen wir auf einer ganz anderen Ebene lösen.
Das Problem wird ja dadurch nicht einfacher, dass diese Maschinen sehr viel Mühe reinstecken –
Die Maschine steckt also Mühe hinein?
Oh, erwischt! Also: Der Programmierer steckt Mühe hinein, dass die Maschinen immer menschlicher wirken. Das jüngste, was mich bei der KI irritiert hatte, war künstliches Stottern und Interjektionen wie „Emm“ und „Äh“, Füllwörter, um Menschen gerade heraus zu imitieren. Bräuchte man nicht umgekehrt eher eine deutliche Schwelle?
Deswegen haben wir einen Studiengang entwickelt, der heißt Sozioinformatik. Da fragen wir: Wer sind die Akteur:innen und welche Anreize haben die? Jede einzelne Entwicklungsfirma hat den Anreiz, das beste Produkt herzustellen. Nein, ich korrigiere mich – das Produkt herzustellen, das am meisten genutzt werden wird. Ein Produkt, das sich menschlicher anfühlt, wird vermutlich öfter genutzt werden. Ob es für uns gesellschaftlich das bessere Modell ist, wage ich zu bezweifeln.
Welche Maßnahmen wären nötig?
Wir brauchen ganz dringend Systeme, die so klar wie möglich machen: Hier spricht ein System. Am liebsten hätte ich vor jeder Antwort eingeblendet „das zu Grunde liegende Sprachmodell schreibt den folgenden Text“, und auch noch am besten in einer abgehackten Roboterstimme, weil wir das von Film und Fernsehen schon als gewollt künstlich kennen. Aber das würde sich nicht durchsetzen, weil wir es nicht gerne nutzen würden.
Haben wir die künstliche Unkünstlichkeit erreicht? Das Telefonbimmeln war ja schon die Imitation einer Glocke, und heute haben wir Smartphones, die wie ein altes Telefon oder wie ein Türklopfer klingen.
Wir versuchen im Digitalen sehr oft, einen analogen Anklang zu finden. Das Symbol für eine E-Mail ist ja auch immer noch ein Brief.
Ich bemerke erleichtert, dass mit steigender Geschwindigkeit dieser Entwicklung auch eine steigende Ermüdung über diese Dinge einhergeht. Eine Grafik, die ich noch vor einem Jahr beeindruckend fand, sieht mir heute zu sehr nach KI aus, zu offensichtlich, weil wir uns an dieser Art der Ästhetik sehr schnell sattgesehen haben und sie erkennen und ablehnen. Die Leute wollen das nicht. Ist das nicht beruhigend?
Ja, aber die Frage ist: Wird das unseren Kindern, die damit aufwachsen, auch so gehen, oder ist das nur eine Reaktion der heutigen Erwachsenen? Denn so, wie man aufwächst, das hält man für normal und real. Ich freue mich auf unsere neuen Studierenden im Semester. Aber ich habe auch ein bisschen Sorge, dass die so ganz anders aufgewachsen sind als ich, dass ich gar keine gemeinsame Sprache mehr mit Ihnen finde.
Haben wir denn nicht irgendetwas gemeinsames, dass wir alle kennen?
Ja, den Song Golden.

Weil Frau Zweig gleich auftritt, fand unser Gespräch in der Maske statt, und weil unser Gespräch in der Maske stattfand, zeige ich das Foto vom Auftritt.

Mittagessen bei Penguin Random House
Die Jule und ich blieben nach dem Gespräch gleich da, wo uns die liebe Katja Schmidt zum Mittagessen einlud.

Das diesjährige Welttagsbuch wurde gezeichnet von Timo Grubing:
Und das hier ist Timo Grubing!

Aber wir waren ja eigentlich zum Essen hier:


Wen ich alles traf
Das waren heute einige.

Herr Bredereck vertritt mehr Verlage als ich auswendig weiß, aber Kosmos, Oetinger, Langen Müller und Edel fallen mir als erstes ein.
Die restlichen weiß er selber.
Ralph Ruthe signiert und zeichnet bei Carlsen:

Bei EMF signiert Anastasia Zampounidis ihr Kochbuch Hot Stuff.

Im Forum der unabhängigen Verlage sehe ich Börsenblatt Redakteur Kai-Uwe Vogt im Gespräch mit Buchpreisträgerin Dorothee Elmiger und Hanser-Verleger Jo Lendle:

Leute auf der Außenrolltreppe zu treffen, ist immer viel fotogener als in der Halle:

Am Stand von Oetinger mit Thilo Schmid ins Gespräch gekommen. Wir unterhalten uns ungewohnt ernsthaft über die Probleme des Handels, die Unterlassungen in der Leseförderungen und die versäumten Pflichten des Staates.

Ebenfalls zufällig am Stand: Lothar Sand vom Börsenverein und Julia Bielenberg, Verlagsleiterin

Der gute Nicola Bardola ist auch da! Leider trafen wir uns nicht, aber der Journalist und Musikbiograph hat schon wieder kein gutes Haar an Yoko Ono gelassen:


Und dann habe ich diese beiden Kerle erwischt! Besser gesagt: Die haben mich erwischt, weil ich sie beide gar nicht erkannt hätte ohne meine Menschenlesebrille: Machen die einfach Standdienst bei den Gemeinschaftsständen – Maren Ongsieks Söhne!

Na, wenn die beiden schon so groß geworden sind, dann muss der Onkel aber jetzt mal einen Whisky anbieten.
Das geheime Whiskytasting
Zum Messewochenende lade ich immer zum geheimen Whiskytasting ein. Es ist eine Tradition, die in Leipzig geboren wurde am Ende eines der allerhärtesten Messetage ever, und das haben wir seitdem einfach beibehalten.
Die Leute, die kommen, sind die, die immer kommen, mal mehr, mal weniger; es gibt keine ausgesprochene Einladung; es tauchen auch mal Gesichter auf, die ich noch nicht kenne, und es kommt mir trotzdem immer sehr intim und besonders vor, aber vielleicht ist es auch einfach nur eine der besseren Happy Hours.
Und doch nicht dasselbe ohne Felix“XEIFL“ Busse und Johannes Monse. Wir vermissen sie schmerzlich.
Oh, sie leben, keine Sorge. Wir vermissen sie halt, weil sie schon lange nicht mehr auf der Messe waren.
Um den Geheimcharakter zu feiern, nennen wir bei diesem Treffen und seiner Dokumentation keine Namen zu den Bildern, die wir trotzdem posten.

Und das hier war die Auswahl des Abends, von links nach rechts:


Hier stoße ich mit Klaus Kowalke an, aber die Fotobomben sind das eigentliche Bild.

Das ist nur eine Phase. Es ist die Phase „Man sieht mich nicht vor der roten Wand!“

Und da musste ich auch schon zum Zug.
Der Habanero-Bourbon hieß Horse with no Name.

Nochmals meinen zutiefsten Dank an die Spenderperson. Oder sagt man da Spenderinperson?
Zum Geleit
Und das war mein Freitag. Wahnsinn, wie schnell man auf das Ende dieser Woche zuprallt, mit dem Gesicht voran.
Im Auftrag von Tre Torri hat Denis Scheck es sich wieder im Steigenberger gemütlich gemacht, diesmal mit dem Sohn von Königin Camilla, Tom Parker Bowles!

(Ich besitze zwei Pennys aus dem früheren Deal, wie oft man Jule für meine Tochter hält. Davon könnte ich einen erübrigen.)
Hier stehe ich mit Sandrin Mohn vor der Susanne-Abel-Wand bei dtv. Susanne Abel ist nicht auf der Messe, aber Susanne Abel wird in genau einer Woche für meinen Buchladen in Langenselbold lesen!

Und ich schreibe das hier nur hin, weil ich weiß, dass das den Handel beeindruckt. Denn Susanne Abel liest selten.
Hier helfe ich aus, als Theresa Schenkel jemanden benötigt, der ihre Politiker:innen anschnauzt, weil die Leseförderung scheiße läuft.

Hahaha, Frau Schenkels Blick ist unbezahlbar, als ich plötzlich laut endete auf „IHR WERDET EUCH NOCH GANZ SCHÖN UMGUCKEN!“
Ich wünsche Ihnen einen Samstag. Ich lasse das Adjektiv extra weg, dann steht Ihnen alles offen.
Ihr und Euer Matthias Mayer
Alles. was mich von Balut ablenkt,
Teil 4 von 6



