Jetzt online: Kaffeehaussitzers Netzrückblick Fundstücke aus den Literaturblogs – September 2023

Uwe Kalkowski

Die bunte Welt der Literaturblogs ist in den Zeiten von Bookstagram und BookTok weniger präsent in der Wahrnehmung als noch vor ein paar Jahren. Doch sie ist quicklebendig – und das merke ich Monat für Monat, wenn ich auf der Suche nach Texten bin, die ich in dieser Kolumne vorstellen möchte. Den Netzrückblick September starte ich mit einem etwas längeren Zitat, auf das ich im Blog Miss Boolena gestoßen bin und das perfekt zu dem eben Gesagten passt:

»Das Aufkaufen von Twitter durch Elon Musk und Umbranden zu X scheint es langsam in eine Plattform entwickelt zu haben, in der sich gefühlt nur noch Marketing- & Schwurbler-Profile plus paar rechte ›Deutsche-Deutsche‹ austauschen. Dazwischen schlagen sich ein paar Bekannte durch (❤) und Leute, die noch nicht aufgeben wollen, die versuchen all dem was entgegen zu setzen. Vielleicht zeigt uns das: Personal Blogging wird immer unseres bleiben. Sicher können die Elons dieser Welt kommen und irgendwas kaufen. Aber unsere Blogs gehören uns. Sind exportierbar. Selbst wenn sie nur auf unserer Platte liegen, sind sie unsere und sie sind da.« 

Genau so ist es. Sie sind da, die Blogs. Und daher gibt es Monat für Monat diese Kolumne, seit inzwischen sieben Jahren.

Im Gemeinschaftsblog We Read Indie, der sich die bessere Sichtbarkeit unabhängiger Verlage auf die Fahnen geschrieben hat, wurde eine Statistik veröffentlicht: Sie zeigt, wie hoch der Anteil der Indie-Verlage bei den großen Buchpreisen ist und war. Die Zahlen sprechen für sich.

Apropos Literaturpreise: Ich hatte im September das große Vergnügen, als Gast bei der Verleihung des 9. Franz-Tumler-Literaturpreises dabei zu sein. Die Reise führte in das Marmordorf Lass in Südtirol; im Blog Kaffeehaussitzer gibt es einen ausführlichen Bericht. Die fünf nominierten Debütromane – es handelt sich um einen mit 8.000 Euro dotierten Debütpreis – stammten übrigens ausschließlich aus konzernunabhängigen Verlagen. Gewonnen hat den Preis die Autorin Tine Melzer mit ihrem Roman »Alpha Bravo Charlie« aus dem Verlag Jung und Jung. Der Publikumspreis ging an Irina Kilimnik für den Roman »Sommer in Odessa« aus dem Verlag Kein & Aber.

Der Deutsche Buchpreis 2023 war im September natürlich sehr präsent in vielen Literaturblogs, wurde schließlich Ende August die Longlist und Ende September die Shortlist veröffentlicht. Im Blog Nordbreze hat Marina Müller-Nauhaus wie jedes Jahr eine wunderbar knackige Kurzeinschätzung der Longlisttitel zusammengestellt. Thomas Hummitzsch beschäftigte sich auf intellectures mit dem nominierten Roman »Die Inkommensurablen« von Raphaela Edelbauer. Im Blog Kulturgeschwätz schreibt Katharina Herrmann über »Die Möglichkeit von Glück« von Anne Rabe, die es mit diesem Buch auf die Shortlist geschafft hat. Und in der Buchhandlung stories! in Hamburg gab es einen Longlistabend; die beiden Organisatoren Frank Menden und Simone Finkenwirth (Klappentexterin) hatten mich eingeladen, mit ihnen zu dritt über die zwanzig Bücher der Longlist zu sprechen. Es hat großen Spaß gemacht und welchen Ergebnissen wir gekommen sind, kann man hier nachlesen.

Neben der Beschäftigung mit aktuellen Büchern mag ich es besonders, wenn ich in Blogs Rezensionen zu Werken finde, deren Erscheinen schon lange zurückliegt. Wie etwa im Literaturblog Literatur im Fenster, in dem der Roman »Becks letzter Sommer« von Benedict Wells vorgestellt wird. Ein Lieblingsbuch.

Der große Schriftsteller Milan Kundera ist im Juli dieses Jahres gestorben. Im Blog Der Leser gibt es eine Buchbesprechung seines letzten Romans »Das Fest der Bedeutungslosigkeit«, deren Fazit sich liest sich wie ein zeitloser Nachruf: »Milan Kundera zu lesen, ist wie eine kleine Ode an die Freude, eine Auszeit vom Alltäglichen, eine Leichtigkeit, die uns belebt und zum Unernst erzieht, ohne das Leben auszublenden.« 

»Wieso schreibe ich?« – dieser Frage geht Philosophin Sandra von Siebenthal in ihrem Blog Denkzeiten nach. Ein schöner Text.

Im Blog Reklamekasper wird das von Kateryna Mishchenko und Katherina Raabe herausgegebene Buch »Aus dem Nebel des Krieges. Die Gegenwart der Ukraine« ausführlich vorgestellt. Große Leseempfehlung.

Constanze Matthes rezensiert in ihrem Blog Zeichen & Zeiten den Roman »Sekunden der Gnade« von Dennis Lehane und attestiert ihm eine außergewöhnlich gelungene Mischung aus Psychogramm und Gesellschaftsporträt.

Petra Reich schreibt auf LiteraturReich über »Bienenstich«, den Debütroman von Viktor Funk, der ursprünglich 2017 erschienen ist, aber nun im Verbrecher Verlag als leicht bearbeitete Neuauflage vorliegt.

Im Blog Lesestunden ist Tobias Zeising begeistert über den neuen Band der Klassikerausgaben im mare Verlag. Es ist »Das Buch der Abenteuer« von Elinor Mordaunt und er schreibt: »Dieses Buch ist für mich erneut ein Beispiel dafür, wie wichtig und wertvoll die Arbeit von Verlagen ist. Dieses Buch zu entdecken, neu zu übersetzen und in so schöner Form aufzubereiten, das ist eine Leistung, die man nicht genug würdigen kann.«

Und im Blog Buch-Haltung bespricht Marius Müller den Roman »Valentinstag« von Richard Ford. Ein Buch, das ich mir trotz des harten und traurigen Themas wohl dringend beim nächsten Buchhandelsbesuch kaufen sollte.

Das war es mal wieder. Und wer mich einen Tag lang mit dem Buch »Die einsame Stadt« von Olivia Laing durch Berliner Cafés begleiten möchte, ist dazu drüben im Blog Kaffeehaussitzer herzlich eingeladen.

Bis denn dann, wie Herr Lehmann sagen würde.

Uwe Kalkowski ist seit über 25 Jahren in der Buchbranche tätig und kennt sie aus unterschiedlichen Perspektiven: Als Buchhändler, als Absolvent des Studiengangs Verlagswirtschaft in Leipzig und als Mitarbeiter verschiedener Verlage. Seit August 2019 arbeitet er als Produktmanager für den Eichborn Verlag in Köln. In seinem Blog Kaffeehaussitzer schreibt er über Bücher, Literatur und Leseerlebnisse und stellt in der monatlichen Kolumne »Kaffeehaussitzers Netzrückblick« auf buchmarkt.de lesenswerte Fundstücke aus den unterschiedlichsten Literaturblogs vor. »Vollkommen subjektiv, handverlesen und rein persönlich ausgewählt – ohne Anspruch auf Vollständigkeit, denn eine solche kann es in einer so vielschichtigen Szene gar nicht geben«, wie er sagt.

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