Jörg Thadeusz zum 60. Geburtstag von Helga Frese-Resch „Natürlich könnte sie längst mitthrillern“

Helga Frese-Resch (Foto: Martina Bogdahn)

Helga Frese-Resch, stellvertretende Verlegerin bei Kiepenheuer & Witsch, feiert heute ihren 60. Geburtstag. Ihr langjähriger Autor Jörg Thadeusz (aktueller Roman Steinhammerstraße.) gratuliert von Herzen und ruft den „Helgaismus“ aus:

Es wäre großartig, Helgas Buch lesen zu können.
Verschiedenste Genres, alles kein Problem für sie. Natürlich könnte sie längst mitthrillern. Sie hat viel Zeit in Nordeuropa verbracht. Also in der Nähe der Fjorde, in denen mittlerweile wohl in beinahe jedem schon ein 12jähriger Ole leblos trieb. Helga weiß, dass die Begierden der Nordmenschen über das Naschen von vergrabenem Gärfisch hinausgehen. Unvergessen, wie sie mir von der norwegischen Hobbyautorin erzählte, die sich in einer tief empfundenen, aber auch stark körperlich gelebten Bär-Frau-Liebesbeziehung verzottelt hatte. Helga wird die Frau nicht gefragt haben, ob es bei ihr wohl hackt. Sondern respektvoll und einfühlsam besprochen haben, warum auch die liebevolle Überwindung der Artschranke mit Lesegewohnheiten brechen könnte.
Was ich sicher weiß: Helgas Serienmörder würde sich abends in einem schangeligen Verschlag in ein unbezogenes Oberbett eindrehen und das Gesicht in ein fleckiges Kissen vergraben. Warum Helga diese Wendung wichtig wäre, muss eins der Geheimnisse bleiben, auf die sie auch als Jubilarin jedes Recht hat.
Thriller wäre aber wohl doch nichts. Denn wenn Helga schreibt, gütesiegelt sie das geschriebene Wort durch eigene Erfahrung. Für ihr Karnevalsbuch hat sie ihr Herz geöffnet, ist aber auch mehrmals im Kölner Rosenmontagszug mitgegangen. Bitte keinen falschen Schlüsse ziehen, liebe Karnevals-Analphabeten: Wer mit Helga Bücher macht, der sollte nicht vor allem schunkeln wollen. “Rheinische Strenge” ist kein weit verbreiteter Begriff, in Helgas Büro mit Aussicht auf den Dom aber schon!
Helgas Buch könnte auch in einem Schrägstrich-Regal der Buchläden vielgegriffen sein. Vor allem im Lebenshilfe-Schrägstrich-Spiritualität-Regal. Denn so sehr Helga Kölnerin ist, genau so sehr ist sie auch eine Nachfahrin des chinesischen Philosophen Konfuzius. Dem die Achtung vor anderen Menschen so wichtig war. Helga achtet ihre Autoren in den Himmel. Nach so vielen Gesprächen mit ihr war mein schreiberisches Selbstbewusstsein derart muskulös, dass ich womöglich im Hotelfragebogen unter Berufsbezeichnung „Wunderkind“ eingetragen hätte. Mehrfach habe ich die Nerven verloren, Konfuzia Frese-Resch aber niemals ihre Mitte und Ausgeglichenheit.
Selbstverständlich würde ich ihren Katechismus auswendig lernen und andere für den Helgaismus missionieren. Den jungen Frauen würde ich sagen: „Mag schon sein, dass euch das im Moment noch alles viel erscheint. Eigenes Selbstbewusstsein und Platz für das Gegenüber. Selbstdisziplin und lebensfrohe Feminität. Stilempfinden, Urteilskraft, Menschlichkeit. Dicke Dinger, zweifelsohne. Aber wenn ihr auf diesen Feldern ganz weit kommen wollt, müsst ihr die Helga in euch entdecken. Nach dem Beispiel einer im allerbesten Wortsinn “eigenartigen Frau”.
Helga wird so schnell keinen Roman schreiben. Wer ihr das anträgt, der lernt, wie ein Gesichtsrümpfen geht. Also die Steigerung des Naserümpfens.
Natürlich würde ich als Helgas Lektor gerne mal ein Fragezeichen an die ein oder andere Textpassage schreiben. Einziger Haken: Ich müsste dann alles auch so klug bedacht haben, wie sie es tut. Und so oft recht haben, wie sie.
Dieser Geburtstag ist ein Datum. Bei uns waren es die guten wie die schlechten Tage, ohne irgendeine Ziffer, die mich wünschen lassen, ich könnte mich selbst vorübergehend in ein prächtiges Feuerwerk verwandeln. Ganz und gar zu Ehren meiner persönlichen Gigantin Helga Frese-Resch.

Jörg Thadeusz

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