Beckmann kommtiert Aber nein – die Weltbild-Pleite ist kein Symptom einer Branchenmisere

Laut gängiger Meinung ist die Insolvenz der Verlagsgruppe Weltbild Folge des Umbruchs, der das gesamte traditionelle Buchwesen erfasst und bedroht, weil mit der Digitalisierung das gedruckte Buch elektronisch ersetzt und der stationäre Buchhandel durch den Internethandel verdrängt wird.

So gesehen, ist die Verlagsgruppe Weltbild im Kern „am digitalen Wandel gescheitert“, wie die F. A. Z am Samstag schrieb. Demzufolge wäre Weltbild eigentlich bloß Opfer –das Opfer einer quasi unaufhaltsamen neuen technologischen Entwicklung, bei der sie „den Anschluss verpasst“ hat.

Solch schicksalsfromme, wohlfeile „Moral von der Geschicht’“ muss jedoch kritisch unter die Lupe genommen werden; aus mehr als einem Grund.

1.
Weltbild hat den Weg vom kleinen katholischen Zeitschriftenverlag zum Buchhandelsriesen zunächst vor allem systematisch als Katalog-Versandhaus betrieben. Solch einst gewinnstarke Unternehmensbasis ist, weil bei sinkender Kundenattraktivität mit Disposition, Lagerhaltung u.a. unter heutigen Verhältnissen viel zu aufwändig und teuer, zum Verlustbringer mutiert – so sind schon die klassischen deutschen Großversandunternehmen Neckermann und Quelle untergegangen, auch die früher so ertragsstarken Buchgemeinschaften. Dies Geschäftsmodell konnte im 21. Jahrhundert für Weltbild keine tragende Säule bleiben – es war, unabhängig von der Heraufkunft des Online-Handels und des digitalen Buchs, längst bereits an sich ein Problem.

2.
Nicht minder wacklig steht die zweite große Stammsäule dar: der stationäre Buchhandel, den Weltbild in der DBH gemeinsam mit Hugendubel betreibt. Die ökonomischen Probleme von zentral als Serienbetriebe geführten Großbuchhandlungen sind weltweit ebenfalls schon seit längerem offenkundig und in der Entwicklung dieses Geschäftsmodells selbst begründet. Wie kritische Beobachter des Einzelhandels bereits vor rund zwanzig Jahren feststellten, wurde dieser Filialtyp tendenziell viel zu groß geplant, also mit unrealistischen Umsatzerwartungen. Und der Wettlauf der Großfilialisten untereinander – hier zu Lande also vor allem zwischen Thalia, DBH und der Mayer’schen – führte außerdem noch dazu, dass in den Zentren aller größeren Städte viel zu viele Großfilialen entstanden, so dass die für die Expansion nötigen Gewinne überhaupt kaum zu erwirtschaften waren.

Infolgedessen erwiesen sich die ohnehin viel zu hohen Mieten in den gängigen 1-A-Lagen als betriebswirtschaftlich vollends unhaltbar. Zum Ausgleich wurde dann bei den Personalkosten gespart. Das führte zur Beeinträchtigung von buchhändlerischen Standards, diese wiederum zu verminderter Kundenattraktivität, also zu Umsatzverlusten und damit zur Schmälerung der Renditen. So etwas konnte auf die Dauer nicht gut gehen – weder für Barnes & Noble in den USA , noch für Waterstone’s in Großbritannien und auch nicht für Weltbild. Welche Abwege Manager bei ihren Fluchtversuchen aus den Miseren dieses Geschäftsmodells suchten, wurde beispielhaft vor fast zehn Jahren durch den Skandalfall Angus & Robertson in Australien ins Licht der Öffentlichkeit gerückt. (BuchMarkt hat ihn damals ausführlich analysiert [mehr…].)

Mit der Expansion der Großfilialisten ging es nur so lange gut, wie betriebswirtschaftliche Defizite durch stetig steigende Rabatt- und Sonderkostenforderungen gegenüber Verlagen abgedeckt werden konnten. Seit auch hier das Ende der Fahnenstange erreicht wurde, ist in diesem Geschäftsmodell einfach keine Luft mehr.

Es geht hier nicht darum, dem Management der Verlagsgruppe Weltbild hämisch am Zeuge zu flicken. Es ist nur sehr wichtig, klar zu erkennen, inwieweit Weltbild in sich selber für seine Insolvenz verantwortlich ist – nicht zuletzt auch deshalb, weil Weltbild in der Vergangenheit dazu neigte, teils sehr partikuläre Unternehmensziele in geschickten PR-Kampagnen als Branchen-Prognosen zu stilisieren.

Drum sollten Verlage und Buchhändler die gegenwärtige Weltbild-Krise mit eigenen Augen ganz konkret ins Visier nehmen und sich nicht in allgemeine Verunsicherungen jagen lassen. Wenn Weltbild, auch neben und gegen Amazon, eine Zukunft haben soll, muss es mit eigenen schlüssigen neuen Konzepten online wie offline festen Boden unter den Füßen kriegen – in dem Bemühen sind den Augsburgern einige regionale Filialisten und viele unabhängige mittlere wie kleinere Buchhändler wohl um einiges mit guten Aussichten voraus.

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