ANDERE HALLEN
Auch in anderen Hallen gibt es eigentümliche und erstaunliche Dinge zu betrachten. Oder auch erfreuliche:
Sehen Sie mal: Dieser Mann kann jonglieren! Aber er kann es nicht nur, sondern er weiß auch, welchen Verdrahtungen im Gehirn das nutzt. Denn er betreibt einen Fachverlag für Jonglier-Lernmedien. Also nicht Medien zum Jonglierenlernen, sondern Lernmedien, die mit Jonglage arbeiten.
Auch dieser Mann meint es gut: Hummel Holly ist im Antolin-Programm (das wir Buchhändler sehr schätzen), Hummel Holly ist in Reimen geschrieben (die wir Kinder sehr schätzen), und Hummel Holly gibt pro Buch Geld an den Bundesverband Kinderhospiz e.V. ab. Das hat einen hohen Preis:
Drollig zwar, wenn auch ohne Hummelkostüme: Meine alten Freunde beim Spiegelberg-Verlag können ihre Autoren kaum halten, als die erfahren, dass ich ein Blogger bin.
Oder hier, kein geringerer als Chris Vodoni:
Beim Feingeist Knesebeck finde ich sowohl Neues für Bond-Fans als auch eine interessante Variation der Schwert- und Vagina-Story Game of Thrones vor:
Das hier ist an sich ein schöner Stand, aber das Motto ist ja ein wenig klebrig.
Und wenn wir beim Hässlichen bleiben wollen: Das sind ja wohl die allerscheußlichsten Sitzmöbel, die ich jemals gesehen habe.
Schilder erzählen ja manchmal interessante Geschichten. Zum Beispiel fragen sie indirekt, wie oft etwas passiert sein muss, bevor man sich entschlossen hat, ein Schild aufzustellen.
Und auch dieses Schild spricht Bände. Ich hoffe sehr, dass ich noch Gelegenheit finde, die Fitzek-Box an mir selbst zu erproben!
Vor meinem großen Interview will ich mich erst noch mit einem Mittagsmahl stärken, und deshalb geht es nun zur…
SUPPE AM FRANKFURTER MESSESTAND
Donnerstags und Freitags gibt es nämlich am Frankfurter Stand in Leipzig eine Frankfurter Suppe, die die Frankfurter in Leipzig kochen lassen. Ich weiß, mich verwirrt das auch seit Jahren. Frankfurt-Messe-Jeunefille Maren Ongsiek verzweifelt immer, wenn ich in Frankfurt nach der Leipzigsuppe frage.
Egal, jedenfalls ist die Kartoffelsuppe mit Lauch und Würstchen am ersten Messetag hier heilige Tradition. Und weil ich so schön Kartons kleinreißen und handstaubsaugen kann, habe ich auch immer einen Platz am schwer zu ergatternden Tisch.
Zu Tisch sind die Buchmesse-Crew, mein Messe-Leibarzt Dr. Monse und das Ehepaar Ruprecht von der gleichnamigen, gefürchtetem Edition Ruprecht. Aber Herr Ruprecht hat das schönste Namensschild von uns allen.
Ach ja, das Essen: Zu Essen gab es die vegetarische Frankfurter Kartoffelsupp!
Nur immer her damit. Ich muss mich stärken, denn jetzt kommt das erste Interview!
SKY DU MONT STEHT NICHT UNTER DENKMALSCHUTZ
Bei Lübbe hat der facettenreiche, charmante und freundliche Schauspieler ein weiteres heiteres Buch herausgebracht, diesmal über das Altern. Natürlich nicht über sein eigenes Altern, aber das Buch lädt süffisant dazu ein, den alternden, attraktiven Lebemann im Buch für Sky Dumont zu halten, der in der Ich-Form schreibt und selber attraktiv vom Cover herunterrostet. Steh ich jetzt unter Denkmalschutz? heißt es. Eine Taube kackt auf einen der Titelbuchstaben, damit wir auf Humor vorbereitet sind. Der Mann hat schon mit Laurence Olivier, Gregory Peck oder Stanley Kubrick gearbeitet, und er spielt in der nächsten Dora-Heldt-Verfilmung mit. Ich freue mich, dass Sky du Mont für mich Zeit hat.
BuchMarkt: Wie ist denn Ihr inneres Alter?
Sky du Mont: Verschieden. Das kommt drauf an. Heute geht es mir richtig gut, da würde ich mich auf fünfzig schätzen. Wenn ich mit meinem Sohn Fußball spiele, dann fühle ich mich wie 25. Wenn ich Büroarbeiten erledigen muss, dann wie 120. Sehr verschieden also.
Es gibt ja Menschen, die haben nur ein einziges inneres Alter. Die kommen schon mit vierzig auf die Welt oder die bleiben immer zwanzig, auch wenn sie dann uralt sind. Da wollen Sie sich nicht festlegen?
Ich glaube nicht. Wenn ich meine Mutter als Beispiel betrachten darf, die ist 94 und verfügt über eine Lebenslust, die mich fast erschreckt. Ich will da ganz offen sein: Sie ist sehr alt, hat große Schmerzen, muss Medikamente nehmen. Ich hätte gar keine Lust, mit 94 noch all sowas zu erdulden, und sie lächelt bloß und strahlt mit dem ganzen Gesicht. Das kann ich gar nicht nachvollziehen, aber es beeindruckt mich sehr.
Da müssen wir ja alle erst noch hinkommen. Wenn man es so weit geschafft hat, sind das dann vielleicht auch nur noch Kleinigkeiten.
Was ich damit sagen möchte: Menschen können ihr Alter sehr unterschiedlich wahrnehmen.
Sie sind vielleicht anderthalb Jahrzehnte älter als ich, also nicht viel. Und jetzt muss ich hier von einem Mann, der mir so fern im Alter nicht ist, ein Buch übers Altwerden lesen. Da fühle ich mich ja auch gleich ganz alt. Ist es das, was Sie gewollt haben?
Nein, aber es ist ja auch keine Autobiographie, sondern ein heiterer Roman, der mindestens 15 Millionen Männer betrifft, die in einem gewissen Alter sind.
Aber das Thema Alter betrachten Sie ja nicht nur heiter?
Nein, aber ich will mich schon ein wenig lustig machen. Und dann fiel mir auf, dass viele Leute Mitte vierzig, die das Buch gelesen haben, dann sagten, es habe sie zum Nachdenken gebracht.
Und damit haben Sie gar nicht gerechnet?
Es hat mich überrascht. Ich mache ja Witze über das Älterwerden, weil es anders auch gar nicht geht. Es ist nicht witzig, wenn man zu Fuß in den fünften Stock muss und sich danach erst mal erholen muss. Und das übersteht man nur mit Humor, fraglos. Aber dass 45jährige sich in meinen Alterswitzen wiederfinden, hat mich überrascht.
Da gehen Sie ja eine Gratwanderung ein. Altersdepression ist also ein ernstes Thema, das mehr Menschen anspricht, als Sie dachten. Verkaufen Sie Ihr Buch da nicht unter Wert, wenn Sie es im Comedy-Regal platzieren?
Ja, absolut. Aber ich bin erst mal den leichten Weg gegangen und versuche, den Leser mit Heiterkeit zu gewinnen, bis er merkt, dass das Buch auch Gehalt hat.
Aber wenn der Trend immer mehr zu Comedy geht und immer mehr weg vom Inhalt, dann ist Ihr Altersthema in keiner vorteilhaften Nachbarschaft untergebracht.
Leider. Das haben Sie gut auf den Punkt gebracht, aber so ist es.
Würde man ein seriöses Sachbuch von Sky du Mont nicht akzeptieren?
Ich glaube, wenn Sky du Mont plötzlich etwas Ernstes, Psychologisches schreiben wöllte, dann würde sich das Feuilleton daraufstürzen und es zerpflücken. Da nähme ich den Mund vielleicht zu voll. Ich darf ja schon nichts Politisches sagen, weil man Schauspieler nicht ernst nimmt. Und schon gar keinen wie mich.
Wieso, Sie wirken doch sehr distinguiert und seriös? In der Werbung stehen Sie immer für Produkte, denen ich vertrauen soll. Möbel und dergleichen.
Ja, aber das ist ein Bild fürs Publikum. Das Bild, das die Presse zeichnen will, ist wieder ein ganz anderes. Da bin ich dann der Schönling, der Dressman. Berufsschreiber wollen so oft klugscheißen. Ich weiß das, ich komme ja aus einer Verlegerfamilie.
Sind Sie im Hause du Mont das schwarze Schaf, weil Sie Schauspieler geworden sind?
Überhaupt nicht. Alfred Neven du Mont war wie ein Vater für mich, und ich habe sehr gelitten, als er verstarb. Seine Tochter Isabella ist meine Cousine, und auch wir mögen uns sehr.
Ich habe Sky du Mont zum ersten Mal bewusst wahrgenommen, als Sie im Otto-Film in den 80ern als der schnöselige Ernesto auftraten…
…der in Wahrheit nur „Harald“ hieß. (Zitiert Otto Waalkes und lacht: ) Haaaarald.
Hatten Sie da Sorge, dass Sie aus der Quatsch-Ecke nicht mehr herauskommen?
Nein, es galt ja gerade im Gegenteil, endlich mal aus der „Derrick“-Ecke rauszukommen. Ich hatte ja nur böse Rollen gespielt, und es hat mich total genervt. Ich komme vom Theater, aber das Fernsehen hat mich erst mal in ein Klischee verwandelt. Deshalb hat sich der Auftritt bei Otto bezahlt gemacht, denn dann kamen allmählich auch andere Angebote.
Und das Publikum ist diesen Schritt mitgegangen?
Ja, die Leute haben endlich auch mal gelächelt, wenn sie mich gesehen haben, anstatt das Gesicht zu verziehen mit „Uh, da ist ja der Mörder…“ Das hat mein Image sehr verändert, und das hat mir selber gut getan.
Sie heißen in Wahrheit gar nicht Sky?
Ich sollte Kai heißen, aber in Argentinien durfte man nur lateinamerikanische Namen wählen, also wurde ich Cayetano getauft, das hätte man dann in „Kai“ verkürzen können. Doch als ich meinem vierjährigen Bruder vorgestellt wurde mit „This is Kai“, verstand er „This is Sky“, und dabei blieb es.
Als Sie mit Gregoy Peck und Laurence Olivier gedreht haben, hießen Sie sogar Guy du Mont?
Ja, das war einer der amerikanischen Produzenten, der sagte Sky sei ja kein Männername, das klinge eher wie Babywäsche.
Ein Vorname wie „Sky“ ist vielleicht nicht ganz unschuldig am Schnösel-Image?
Ja, wahrscheinlich haben die Leute dann gedacht: Ach, wahrscheinlich heißt er Adolf Scheißinteich. und „Sky du Mont“ klingt viel schicker.
Öh… darf ich das so schreiben?
Natürlich!
Dann habe ich keine Fragen mehr. (Wir plaudern nach dem Interview noch viel länger über Stanley Kubrick, als das eigentliche Interview gedauert hat.)
WEN MAN NOCH SO TRIFFT
Zuallererst begann mein Donnerstag ja damit, dass ich mir mein halbjährliches Messebounty bei der Edition Ruprecht abholte. Zusammen mit Standnachbar Matthias Heinrich von der Brockhaus Commission wurde das Bounty sozusagen direkt an mich ausgeliefert.
Matthias Heinrich ist übrigens der Coverboy und Initiator der Filmplakat-Parodien von Brockhaus Commission. Ich fragte ihn, ob das eigentlich Copyright-Themen seien, und er sagte, noch nicht, aber wenn ich schlafende Hunde wecke, dann haue er mir auf die Backen.
Den mag ich.
Wen traf ich noch, wen sah ich noch?
Natürlich hockt auch wieder irgendwo ein von Zittwitz in einem der Podiumsvorträge herum und guckt müde. Aber das Seminarprogramm hat’s auch in sich auf so einer Messe, das muss man erst mal alles anhören und verdauen.
Einen Termin der besonderen Art habe ich mit Frau Dr. Daniela Völker vom Südwest-Verlag. Seit Jahren schon arbeiten wir zusammen und bringen die schwierigsten und feinsten Stars in schönen Random-House-Interviews unter, aber auf dieser Messe haben wir uns einfach mal einen Termin zum Nichtstun genommen.
Aber was brauchen wir einen Peter Kraus oder einen Matthias Reim, wenn wir ungekühlte Softdrinks haben?
Ebenfalls ein sehr guter Hot Spot, um Promis zu sehen oder zu hören, ist die LVZ-Autoren-Arena. Nur ist es dort meistens leider so voll, dass man weder etwas sehen noch hören kann.
Bastian Pastewka war am Donnerstag ebenfalls auf dieser Messe. Ich habe ihn zweimal gesehen. Beim einen Mal hatte er keine Zeit, beim anderen Male hatte er genau so viel Zeit, jemanden vorneweg zu schicken, der Fotografen verscheucht.
Am BLV-Stand brauche ich gar nicht vorbeizuschleichen, ohne dass man mich auf fragwürdige Termine festnagelt, wo ich dann wieder komische Sachen gezeigt kriege. Das haben wir auf Samstag gelegt. Mit ein bisschen Glück kriege ich ja wieder vorher Zahnweh.
Jedenfalls macht Antje Wolf mir erst mal neue Aufkleber auf den Koffer drauf.
Eine ganz seltsame Begegnung hatte ich mit einem Mann, den ich nicht kannte. Er kannte mich auch nicht, aber wir dachten ein paar Sekunden lang, dass wir uns kennen, also haben wir ein, zwei schöne Selfies gemacht und versprochen, einander zu verlinken. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr denke ich, wir sind aufeinander hereingefallen und kannten uns nicht.
Aber dann war es nur der Redakteur Andy Artmann von www.publishernews.de. Leb wohl, fremder Kollege, den ich noch nie vorher traf.
ABSCHLUSS DES DONNERSTAGES
Und das war mein Donnerstag. Nachreichen darf ich noch Lojze Wieser vom Wieser-Verlag und die keiner Vorstellung bedürftige, grandiose Dora Heldt.
Ich wollte wissen, ob Lojze Wieser tatsächlich auf jede Buchmesse eine ganze Keule zum Säbeln mitbringt.
Das war wieder SO LECKER, dass ich vergaß, nach dem Namen und der Provenienz der Keule zu fragen.
…der Gottlob immer eine Keule dabei hat. Und gute Bücher. Interessante, ausgewählte, spannende und insgesamt schöngeistige Stoffe – herrje, Sie können den Geschmack eines Österreichers nicht einfach in eine Schublade stecken.
Und Dora Heldt passt so lange auf meinen Koffer auf.
Bedauerlich bleibt ja, dass der Vielflieger-Verlag in Person unseres Kumpans Felix Busse nicht an dieser Messe teilnehmen kann. Kein Felix Busse, kein Holger Ehling – am Ende muss ich den Samstagswhisky ganz alleine saufen.
Felix Busse hatte mir seine unbenötigte Standnummer mitgeteilt, damit wir als seine In-Group die unerwartet leerstehende Kabine zum Rumsitzen oder Treffen nutzen können. Und Felix, wie soll ich es Dir schonend beibringen? Die Schweine haben einfach eine Wand davorgezogen. Einfach verplombt, die schöne Schnapskabine.
Ich wünsche allen Lesern eine gute Nacht / einen guten Start in den Tag. Weil ich immer so lange auf der Messe bleibe, bis die Sonne untergeht, kann ich dieses wunderschöne Foto präsentieren.
Bestimmt hätte sie es genannt: „Gute Nacht, Johnboy.“
Schalten Sie auch morgen wieder ein, wenn ich den Freitag besinge, den Sie erst noch erleben werden.
Herzlichst,
Ihr und Euer
Matthias Mayer, Buchmarkt
zum Vortag: [mehr…]