Beckmann kommtiert Amazon in Nöten – Amazon unter Investorendruck?

Amazons Erpressungsmanöver für höhere E-Book-Rabatte sind kein Planschritt auf dem Weg zu einem langfristigen Ziel, sondern Symptom einer Verfehlung großmundiger Planversprechen.

Nochmals, nein – die erpresserischen Versuche Amazons, den Verlagen für den Vertrieb von E-Books höhere Rabatte ab zu ringen, können nicht als Teil einer langfristigen Planung
mit dem Endziel erklärt werden, „das E-Book-Geschäft allein zu betreiben und dann den Autoren die Bedingungen zu diktieren“.

Der einflussreiche, hervorragend vernetzte New Yorker Literaturagent Andrew Wylie glaubt auch nicht daran, dass Jeff Bezos und seine Manager „in irgendeinem Sinne beabsichtigen, auf dem Feld der Buchproduktion mit den Verlagen konkurrenzfähig zu werden. Ihr Verlagsprogramm…ist nur dazu da, der Welt weiszumachen, sie nähmen das Verlagsgeschäft ernst“, hat Wylie in einem Interview für die F.A.Z. vom 17. März gegenüber Patrick Bahner gesagt.

Es dürfte mehrere Gründe dafür geben, warum Amazon der Welt so etwas weismachen will. Den bedeutsamsten aber nennt Andrew Wylie im gleichen Interview selber, und er ist insofern besonders plausibel, weil er diese Vortäuschung ganz konkret als Element eines speziellen
taktischen Vorgehens dingfest festmachen kann.

„Amazon hat das US-Justizministerium“, so gibt Wylie zu verstehen, “mit Erfolg dazu überredet, gegen die großen Verlagshäuser in New York eine vollkommen unbegründete
Anklage zu erheben – dass sie nämlich „durch gemeinschaftliche Absprachen mit Apple, dem Hersteller des iPad, die Preise für E-Books fixieren” wollten, womit sie gegen das amerikanische Kartellrecht verstoßen hätten. Aber die Sache lag offenbar keineswegs klar auf der Hand. Und Wylie muss sich seiner Sache sehr sicher sein, wenn er sich nicht scheut, dem US-Justizministerium den ungeheuerlichen Vorwurf zu machen. „Die Klageschrift war Punkt für Punkt von Amazon diktiert.“ Es folgt der in unserm Zusammenhang entscheidende Satz. Mit der Klage aber, so behauptet Wylie, „konnte Amazon nur durchkommen, indem die Firma die Attrappe eines Verlagsprogramms auf die Beine stellte. So kann es sich nämlich als Mitbewerber der Buchverlage ausgeben und vertuschen, was es wirklich ist: ein Vertriebsunternehmen, das es auf ein Monopol abgesehen hat.“

Man sollte sich so etwas eigentlich Unvorstellbares einmal richtig bewusst machen Wylie zufolge hat der Amazon das US-Justizministerium hinters Licht geführt und die Behörde hat das Spiel des Online-Konzerns dann auch noch aktiv mitgespielt. Und die Täuschung bestand im Kern darin, eine Fassade hochzuziehen, um als Content-Produzent wie ein Verlag neben anderen, wie ein normaler Mitbewerber und Marktteilnehmer aufzutreten – sonst hätte er die New Yorker Häuser Macmillan etc. gar nicht wegen Verletzung des Kartellrechts unter Anklage stellen können.

Damit wird klar, warum man die neuen Erpressungsmanöver gegen die Verlage zur Erhöhung der E-Book-Rabatte nicht als Teil einer Langzeit-Strategie zum Erreichen eines von Anbeginn erstrebten Endziels betrachten darf. Es wäre freilich ganz im Sinne und Interesse des Online-Konzerns, wenn solch eine falsche Sicht der Dinge vorherrschend bliebe. Sie liegt nämlich voll und ganz auf der Linie der Unternehmens-PR, mit der Amazon in den Medien und in der Öffentlichkeit sein Eigenbild durchgesetzt hat – leider eben auch in der Verlags- und Buchhandelsbranche.

Doch Amazon ist keineswegs der Erfolgsträger, der seine Ansprüche, Bekanntmachungen, Projektionen und Versprechungen wahrmacht. Und genau das zeigt sich nun bei den E-Books. Gerade da ist fuer Amazon etwas gewaltig daneben gegangen. Statt einer zunehmenden
Marktbeherrschung fuehrt die Kurve klar und deutlich nach unten. „Im Jahr 2010 beherrschte Amazon“, wie George Packer in einem Aufsehen erregenden Bericht des New Yorker im Februar dieses Jahres konstatierte, „den Markt der digitalen Buecher zu 90 Prozent.“ Seither ist diese industrieweit einzigartig hohe Quote auf zirka 65 Prozent
herabgesunken, dank dem iPod von Apple und dem Ebook-Reader von Barnes und Noble in den USA, im deutschsprachigen Raum dank des elektronischen Lesegeraets Tolino und am globalen Horizont tauchen fuer Amazons Kindle bereits weitere Konkurrenten auf.

Diese Entwicklung aber gefaehrdet die Glaubwuerrdigkeit der geschaeftlichen Grundidee von Jeff Bezos. Er hat sie in einem Interview mit der „Harvard Business Review“ vom Januar 2013 besonders klar formuliert: „Renditen im Sinne von prozentualem Profit ist nicht das, was wir zu optimieren suchen. Es ist der absolute Dollar Cashflow, den es zu maximieren gilt.“ Eben das glaubt er digital mit konkurrenzlos niedrigen Preisen, die moeglichst totale Marktbeherrschung ermoeglichen sollen, erreichen zu koennen. Und den Weg in diese Richtung sucht Amazon durch die Bekanntmachung immer neuer Innovationen und Erweiterungen seines Geschaeftsfeldes als zielsicher programmiert darzutun. Das kostet eine Menge Geld, das erst einmal verdient werden oder aber von den Investoren bereitgestellt werden muss, und dafuer wiederum ist erforderlich, dass die Investoren in ihrem, ihnen von Jeff Bezos injizierten Glauben beharren, Amazon werde den Markt unaufhaltsam immer mehr
beherrschen, die Umsaetze ebenso kontinuierlich steigern und ihnen eines schoenen Tages endlich auch die erwarteten und versprochenen Profite bringen.

Angesichts der Entwicklungen des E-Bookgschaefts in den letzten Jahren und der Aussichten fuer die nahe Zukunft koennen sie darauf anscheinend nicht mehr so recht bauen.
Im Ruhrpott wuerde man sagen, sie wollen jetzt endlich mal Kohle sehen. Und diese Kohle will Amazon sich nun in Form hoeherer Rabatte eben von den Verlagen besorgen.

Warum es Amazon ausgerechnet auf die E-books abgesehen hat, soll im bald folgenden naechsten Kommentar dargelegt werden.

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