Lindenbergs zwei Gesichter und Hensslers Gundermannskraut Der MESSE-MAYER Frankfurt 2017 Teil 4 von 6

 

 

Liebe Freunde,

 

bin ich bereit zu sterben?

 

Das mag Ihnen nun wie eine sehr morbide Frage für eine Einleitung vorkommen, aber genau das will Fischer Sauerländer per Spiegelabfrage von mir wissen.

 

Ich wollt doch nur Pipi!

 

Sie sehen, ich bin bester Dinge und zu Scherzen aufgelegt, denn auch heute war wieder ein sehr guter Tag. Am letzten publikumsfreien Tag kam ich noch flink durch die Gänge; ich habe viele Interviews geführt, viel Whisky getrunken und viele Leute getroffen.

 

Ich darf noch dieses schöne Foto nachreichen, das mir John Dieckmann vom Thienemann-Verlag schickte: Anlässlich des 60. Geburtstages und der Fünfmillionenschallmauer der Kleinen Hexe gab es am Donnerstag eine wüste Standparty mit Musik und Häppchen und Hexchen:

 

BuchMarkt gratuliert.

 

Ich gehöre trotzdem zur Hotzenplotzfraktion.

 

Fangen wir mit einem der Interviews an:

 

 

SUSANNE FRÖHLICH UND CONSTANZE KLEIS

 

Zwei beste Freundinnen im besten Alter haben für uns Frauen ein Buch geschrieben, das eigentlich auch auf einen Zettel passt, auf dem steht „Reiß dich gefälligst mal zusammen“. Das ist im Ratgeberbereich eine erfrischende Botschaft, und deshalb finde ich das Buch auch überraschend treffend und zutreffend.

Constanze Kleis und Susanne Fröhlich kennt man als Frankfurter Journalistinnen und Autorinnen, nur dass Susanne Fröhlich mit ihrer Frisch gepresst-Reihe und Moppel-Ich beachtliche Bestseller schrieb und komödiantische Prominenz erlangte.

In Kann weg räumen die Autorinnen, die schon viele Bücher miteinander geschrieben haben, mit allem Ballast auf, zu dem Frauen neigen – zuviel Gejammer sei eine Geißel des Weibes. BuchMarkt sprach mit den zwaa Frankforder Meedscher am Stand von Gräfe & Unzer.

 

 

 

 

BuchMarkt: Ein weiteres Buch, das uns sagt, was alles weg kann – ist das nicht bereits ein Widerspruch im Ansatz?

Kleis: Das ist hier aber seelisch gemeint. Es ist schon deshalb schön, seinen Geist aufzuräumen, weil man bei dieser Tätigkeit bequem auf dem Sofa liegen kann.

Lesen Sie Amzon-Kritiken über sich selber?

Kleis: Manchmal. Haben Sie jetzt die schönsten Zitate dabei?

Ich habe gar nichts Böses gefunden, sondern da kam sehr viel Zuspruch. Die Leser sind eher überrascht, dass es ein gutes und verbünftiges Buch ist.

Kleis: Das liest man ja sehr gerne.

Fröhlich: Man darf auch nicht alles, was im Netz steht, allzu ernst nehmen. Viele Leute denken sehr positive Sachen, aber die würden sie nie mitteilen.

Kleis: Die Zufriedenen schreiben in der Regel keine Kritik.

Fröhlich: Beklagt wird sich immer schnell, und das darf man dann nicht zu persönlich nehmen.

Ich will trotzdem noch einmal auf den Widerpruch zurückkommen: In Ihrem Buch findet sich sehr viel lobenswerter, gesunder Menschenverstand –

Fröhlich: Überrascht?

– Sie raten, dass man ruhig auf sich selbst hören kann und keine Ratgeber braucht, aber auch dieser Rat steht ja nun in einem Ratgeber.

Fröhlich: Manche Dinge muss man eben gesagt bekommen.

Kleis: Wir haben ja auch über Kinder und Eltern geschrieben; Kinder machen, was man Ihnen vorlebt. Man muss einfach auch mal vorangehen und sagen: So, da geht’s lang. Das lässt sich vielleicht ähnlich betrachten.

Fröhlich: Und wir sagen unseren Leserinnen ja nur: Schau Dir das mal an. Vielleicht ist was für Dich dabei. Wir sagen nicht: Du musst das jetzt so machen. Aber es geht in allen Beispielen um den gesunden Menschenverstand, der uns leider in sehr vielen Dingen abhanden kommt.

Kleis: Das ist auch eine Anleitung zum Pragmatismus.

Sie misstrauen den Algorithmen, mit denen moderne Portale Partnervermittlung betreiben. Kann es nicht sein, dass sich immer mehr Gesetzmäßigkeiten im menschlichen Verhalten quantifizieren und messen lassen?

Kleis: Ich will meine Partnerwahl ja nicht an einen Algorithmus abgeben, auch wenn er recht haben mag. Das bleibt eine schwierige Entscheidung.

Fröhlich: Die Partnerwahl ist eine Frage der Biochemie, und die ist nicht berechenbar.

Aber sicher! Wir können sofort einen Olfaktometer zur Bestimmung unserer hormonellen Kompatibilität heranziehen.

Fröhlich: Ja, das gibt es in Amerika schon. Dort werden Versuche zum Thema Geruchsmatching gemacht. Das wird vielleicht irgendwann kommen, aber da sind wir dann hoffentlich schon nicht mehr dabei.

Kleis: Vielleicht hilft das Leuten, die einen schlechten Geruchssinn haben?

Sie haben geschrieben, wie sehr sie es hassen, wenn sie in die Mülltonne gucken und schon wieder hat jemand den Müll nicht richtig getrennt. Also ich könnte da wirklich ausrasten und an alle Bewohner sofort beleidigende Briefe schreiben. Haben Sie da nur nach einem Bild für Unzufriedenheit gesucht, oder sind Sie genau so eine deutsche Hausmeisterseele wie ich?

Kleis: Das war eher ein Bild für sinnfreies Jammern: Man jammert ja, um nichts ändern zu müssen. Der richtige Weg wäre aber entweder, den Müll selber aufzuräumen oder mal nett mit dem Müllsünder zu reden oder sogar Hilfe beim Trennen anzubieten. Also handeln statt jammern. Jammer ist die Pizza Salami der Gefühle: man gibt einer Lust nach, aber es hat keine Nährstoffe.

Aber Pizza hat doch Nährstoffe!

Fröhlich: Aber wenig.

Nein, die hat viel Fett, viel Eiweiß und viel Kohlenhydrate. Pizza ist randvoll mit Nährstoffen.

Fröhlich: Aber es sind leider nicht die gesunden Fette wie in der Avocado oder im Lachs. Die hat mehr emotionalen Nährwert.

Kleis: Wir sind uns wohl alle darüber einig, dass es nicht gesund ist, nur von Pizza zu leben.

Das will ich ja auch gar nicht, aber Sie sagen, Pizza hat keine Nährstoffe, und dabei hat sie viele. Aber ich will ja nur Haare spalten. Sie sagen, Jammern kann weg?

Fröhlich: Ja, Gejammere kann weg. Es sind ja meistens nicht die Schwerkranken, die jammern, sondern Leute, die Luxusmangel und Unbequemlichkeiten beklagen, die überall Zumutungen ahnen.

Schwerkranke haben wahrscheinlich besseres zu tun als Zeit und Energie mit Jammern zu vergeuden.

Fröhlich: Ich bewundere schwerkranke Menschen, die tough Cookies sind.

Kleis: Ja, und wenn man keine echten Probleme hat und trotzdem jammern will, dann muss man sich halt auch sagen lassen, dass man sich einfach mal am Riemen reißen soll.

Fröhlich: Wer jammert, hat noch Kapazitäten.

Nimmt Jammern in unserer Zeit immer mehr Raum ein?

Kleis: Ich glaube schon, und zwar weil alles immer mehr psychologisiert wird. Kopfprobleme nehmen sich selbst so wichtig, und das ist ein gefährliches Hamsterrad, in das man sich auch hineinsteigern kann.

Ich habe das Wort „postfaktisch“ gefunden. Wann haben Sie das denn geschrieben? Ich kenne das Wort noch nicht lange, und erst mit dem neuen Duden ist es plötzlich in aller Munde.

Fröhlich: Wir ändern auch noch Sachen ganz taufrisch in der allerletzten Sekunde.

Und das musste unbedingt da rein?

Fröhlich (lacht): Wir haben sogar miteinander beratschlagt, wo wir es am besten noch unterbringen können.

Echt jetzt?

Fröhlich: Nein, Quatsch.

Wie schreibt man zu zweit ein Buch?

Fröhlich: Ganz profan. Wir entwickeln die Ideen zusammen, wir teilen die Kapitel auf.

Und sie haben sich regelmäßig miteinander getroffen, oder schicken Sie sich die Texte gegenseitig?

Kleis: Mal so, mal so. Man bekommt noch mal einen anderen Input und sieht beim anderen Sachen, die er nicht sieht. Einen zweiten Blick zu haben ist nicht verkehrt.

Fröhlich: Und wir kennen uns schon ewig lang und sind beste Freundinnen.

Gibt es noch etwas, das Sie gerne gefragt werden möchten?

Fröhlich: „Warum sind Sie eigentlich so klug, Frau Fröhlich?“

Tatsächlich finde ich klug, wenn Sie schreiben: Uns geht es doch eigentlich gut.

Fröhlich (feixt): Und Sie haben nicht gedacht, dass Sie jetzt ausgerechnet ein blödes Frauenbuch von der Fröhlich lesen müssen?

Ich habe auf diesen Messen schon so viele schräge Charaktere gesprochen, dass ich genügend Erfahrung mitbringe, um nicht zu erschrecken, wenn Susanne Fröhlich etwas Kluges schreibt.

Fröhlich: (lacht) Schreiben Sie das so.

 

Constanze Kleis und Susanne Fröhlich

 

 

Ich musste aber warten, bis RTL fertig war.

 

Als nächstes präsentiere ich Ihnen, welche Branchenleute ich heute den ganzen Tag getroffen habe!

 

LEUTE AUF DER MESSE

 

Heute war das Achhallo alle paar Meter besonders häufig, vielleicht weil am Freitag alle auf den Beinen und in Eile sind, um ihre Unerledigtheiten noch vorm Publikumsansturm am Wochenende zu bewältigen. An keinem anderen Tag dieser Woche nahm diese Rubrik so viel Platz ein wie heute. Leute!

 

Frau Dr. Reinhilde Ruprecht von der Edition Ruprecht führt einen sehr kleinen, aber erlesenen philosophisch-theologischen Göttinger Verlag, und wir machen das seit Jahren so: Ich kriege ein Schokolädchen, sie kriegt ein Foto im Messe-Mayer.

Das ist unser beider Philosophie, mal mit mehr, mal mit weniger Kakao.

 

Ich nehm Ritter Sport Joghurt.

 

 

Annett Stütze und Britta Vorbach sind zwei versierte, eingespielte und engagierte Kinderbuchautorinnen – die ich übrigens auch selbst schon mit einer Lesung im Hause hatte. Bei Patmos brachten Sie ein beachtliches Kinderbuch heraus: Opa, welche Farbe hat der Tod?

Ein greiser Hasenopa erklärt seinem Enkel, dass er bald sterben wird. Das klingt jetzt nicht nach Schenkelklopfer, und ich will jetzt auch nicht die Stimmung kaputtmachen, aber es ist ein dermaßen schönes, einfühlsames, verständliches Buch, dass ich es auch gerne weinend empfehle.

 

Wenn es schon sein muss, dann wenigstens mit diesem Buch.

 

Am Stand des Börsenvereins kann ich eine ganze Kaffeerunde von gutgelaunten Menschen abfrühstücken, zum Beispiel den singenden Ex-Richter und Hochschulprofessordoktor Peter Förschler, der aber viel lieber als Tanzpalastbariton auftritt als den Richterhammer zu schwingen. Wenn er nicht gerade bei C.H. Beck dicke juristische Fachkommentare verfasst.

 

Vielleicht sollte man daraus ein Buch machen.

 

Ich treffe hier Iris Hunscheid, Sprecherin der IG Unabhängiges Sortiment, und ich will sie unbedingt im Messe-Mayer haben:

 

Schauen Sie nur, wie natürlich ich dastehe

 

Johannes Monse, Maren Ongsiek, Karen Grol-Langner und der Mann mit dem Selleriebuch, Roland Tauber.

 

Ich freue mich, dass Johannes Monse immer noch mein persönlicher Messe-Arzt ist.

 

Wahrscheinlich muss er mich nur gleich erschießen.

 

Und ich freue mich auf das Selleriebuch von Roland Tauber. Ich bin bereits ein großer Fan seines Pumpernickelbuches, und jetzt sucht er nach neuen Hasslebensmitteln. Felix Busse vom Vielfliegerverlag und ich haben Wirsing vorgeschlagen, der wie Pumpernickel und Sellerie nur geliebt oder nur gehasst wird.

 

Apropos Zutaten: Das berühmte Frankfurter Restaurant Café Größenwahn ist eine Institution in der Messe-Stadt, aber das Café Größenwahn gibt es auch als Verlag. Den ganzen Tag schon bin ich auf der Suche nach Sevastos Sampsounis, der beides betreibt, und dann laufe ich ihm über den Weg anstatt umgekehrt.

 

Aber dank mir gibt es Häppchen beim Verlag.

 

Und jetzt haben Sie mich erwischt, wie ich meine Öhrchen schon vor dem Manga-Wochenende trage.

 

Hier erwische ich mal Denis Scheck:

umzingelt von mindestens einer attraktiven Frau

 

Und apropos Frau: Ohne meine Lieblingsautorin Dora Heldt getroffen zu haben, wäre es keine richtige Messe. Und das meine ich beides ernst.

 

Und dazu muss ich nicht eines ihrer Bücher gelesen haben.

 

Ich laufe fast in sie hinein, als ich bei dtv nach ihr suche, sie mich zuerst sieht und mich mit ihrem Wedelhalstuch herbeipeitscht.

 

Apropos Peitsche: Beim Grüffeloverlag Beltz finde ich das berühmteste Grüffeloweibchen der Televisions-Prekariatspädagogik im Gespräch: Katharina Saalfrank, die Supernanny!

 

Als Nächstes: Supernanny vs. Batnanny

 

 

Wie könnte ich meinen Leutereigen besser abschließen als mit einem Besuch bei KBV? Der rheinische Kultverlag mit dem unglaublichen Verleger ist ein extrem beliebtes und renommiertes Krimihaus. Immer, wenn ich dort einfalle, machen Verleger und Vortragskünstler Ralf Kramp und ich ein extra schön gestelltes Foto, auch dies eine Tradition, die mir ähnlich süß und lieb ist wie die philosophische Schokolade aus Göttingen.

 

Kramp, Nina Röttger und ich: Affige Denkerposen im Blendlicht des Kronleuchters

 

Ralf Kramp sagt, Intelligenz werde in Dioptrin gemessen.

 

Aber dann wären Sie ja hellsichtig, lieber Kollege!

 

Jedenfalls sind die Kaspereien bei KBV immer mein persönliches Highlight.

 

Ich könnte den ganzen Tag solche Fotos mit diesem Mann machen.

 

Aber nun wird wieder richtig gearbeitet, denn ich treffe meinen nächsten Prominenten, und ich hoffe, dass er mich nicht grillt.

 

 

INTERVIEW DEN HENSSLER

 

Steffen Henssler ist so richtig Koch, seit er sich mit einem Lottogewinn eine Sushi-Ausbildung in Los Angeles gönnte. Im neuen Jahrtausend fand er in Rainer Sass einen Mentor. Fortan tauchte die Hamburger Schleckerschnauze immer öfter im Fernsehen auf, bis er heute als einer der populärsten und bekanntesten Köche Deutschlands seine eigene Spielshow hat.

Die Action-Koch-Spaß-Show Grill den Henssler war davon eine Vorstufe, und bei Gräfe & Unzer ist das Abschiedsbuch zur Sendung erschienen.

BuchMarkt traf den sonnigen Markknochen auf der Messe und ließ sich ein wunderbares Interview aufs Band schnoddern.

 

 

BuchMarkt: Ist Steffen Henssler ein sehr gut durchdachtes Showkonzept, oder sind Sie wirklich eine solche Adrenalinmaschine?

Steffen Henssler: (lacht) Man kann sich natürlich viel vornehmen; man kann versuchen, etwas vorzuspielen, aber das kann man dann auf Dauer nicht durchhalten. Ich glaube, mein großer Vorteil ist, dass ich dabei wirklich viel Spaß habe, und dadurch wirkt es auch locker. Ich hatte schon immer richtig Bock auf eine Spielshow, und ich mache nur Sachen, auf die ich Bock habe. Ich bin sehr lebensbejahend, aber davon ist nichts durchgeplant oder Konzept. Ich lache einfach sehr viel. Den ganzen Tag. Das mag eine Art sein, die im Fernsehen ihre Wirkung hat.

Die Amerikaner gehen damit viel lockerer um, wenn ein Entertainer die Sparte wechselt, wenn ein Sportler Moderator oder ein Moderator Sänger oder ein Sänger Koch wird. Warum müssen wir Deutschen das immer erst mal verdauen?

Das ist natürlich unser Schubladendenken. Das ist ja auch berechtigt, das habe ich ja auch teilweise. Aber ein gutes Beispiel ist doch Kollege Horst Lichter: Extrem erfolgreicher Fernsehkoch gewesen, und jetzt arbeitet er sozusagen auf dem Trödelmarkt, guckt Antiquitäten an und hat mit „Bares für Rares“ einen nie dagewesenen Erfolg. Und er ist glücklich damit, ihm geht’s damit gut, und das ist der entscheidende Faktor. Der Zuschauer merkt: Das passt. Dieses ganze Setting, die Antiquitäten, das hat er ja selber schon im Restaurant so gehabt, das passt zu ihm. Und so ist es bei mir auch: Der hat Bock auf Spielen, der hat Bock auf Gewinnen, der ist bei „Schlag den Henssler“ gut aufgehoben. Würde ich jetzt die Tagesschau moderieren, dann würde es sicher heißen: Was ist denn jetzt mit dem los? Oder wenn ich bei Maischberger übernehmen würde und Fragen zur politischen Lage stellen würde, dann würden alle denken: Hä? Was’n jetzt los? Aber den Schritt in die Spielshow kann jeder Zuschauer nachvollziehen und geht ihn auch mit.

Haben Sie Horst Lichters Buch gelesen? Das ist voriges Jahr ebenfalls hier bei GU erschienen.

Ich komme drin vor, das weiß ich. Er hat mich vorher auch gefragt. Wir mögen uns gerne. Ich habe das Buch partiell gelesen. Nicht ganz durchgeballert, aber immer mal so reingeglotzt.

Wenn ich dieses Interview heute abend abtippe, darf ich dann Ausdrücke wie durchgeballert und reingeglotzt so stehen lassen?

(grinst) Logisch.

In welcher Zeit in der Vergangenheit können Sie sich am besten vorstellen zu leben?

Boah, Steinzeit. Ehrlich, einfach, Keule, Mammut umhauen, essen, schlafen, der Frau noch ein Küsschen geben – das wäre meine Zeit gewesen.

Ich hätte jetzt auf das Schlachtfeld getippt.

Ooooh ja, das wäre natürlich auch fein. Als Ritter oder so bravehearttechnisch unterwegs zu sein… Also wenn ich Braveheart schaue, würde ich auch am liebsten das Schwert schnappen und aufs Feld rennen…

Mit halb blauem Gesicht…

Genau, halb blau angemalt, Rock anziehen… Aber ich bleibe bei der einfacheren Variante, der Steinzeit. Wo das Leben zwar hart, aber noch nicht so kompliziert war.

In Ihrem Kochbuch verwenden Sie Gundermannskraut. Was um Gottes Willen ist das?

Das müsste ich selber erst googeln. Das war sicher eine Zutat in einem der Impro-Gänge. Da gab es viele Sachen, die ich eigentlich nicht kenne. Da habe ich fürs Buch auch viel rausgestrichen, weil der Impro-Gang ja immer absichtlich dermaßen bescheuert zusammengestellt war. Aber da erwischen Sie mich auf dem richtigen Fuß. Ich glaube, das ist so’n büschen was wie so ’ne Kresse, so was Kamillenmäßiges, glaube ich. Aber das kann man auch ganz beruhigt weglassen.

Wen hätten Sie gerne in der Sendung gehabt?

Angela Merkel hätte ich sehr gerne gehabt.

Wurde die denn ernsthaft angefragt?

Nein. Es gab mal eine Phase, als Schröder noch Kanzler war und den Medien sehr zugetan war, wo er auch zu „Wetten, dass…?“ gegangen ist und so, ich glaube, da hätten wir das wagen können. Aber Angela Merkel bei „Grill den Henssler“ ist wohl ein dickes Luftschloss. Aber ich hatte es auf jeden Fall im Kopf.

2004 waren Sie das erste Mal im Fernsehen, als Gast bei Koch Rainer Sass. Wie sind sie denn da reingeraten?

Er ist an mich geraten. Er war Gast in unserem Familienrestaurant, das ich mit meinem Vater führte. Unser Küche war für 2001 sehr modern, wir hatten lauter Sachen, die es noch nicht so gab, Sashimis, California Shushi Style und so. Er kam sehr gerne zu uns essen, und eines Tages wollte er sein Kochmobil auch mal in unserem Restaurant parken und mit mir zusammen für den NDR kochen. Und so kam das. Das war seine Idee, unsere besondere Küche mal seinem Publikum zu zeigen. So fing das damals an.

Sie haben ein enges Verhältnis zu Rainer Sass?

Wir treffen uns zwei- bis dreimal im Monat und essen zusammen. Eine sehr authentische Person. Der sagt, was er denkt, sagt auch, was er nicht mag. Der ist sich immer sehr treu geblieben. ich schätze ihn sehr. Nach „Grill den Henssler“ hat er mich immer Montags gegen 09.00 Uhr angerufen und eine Manöverkritik der Sendung gehalten. Selbst bei „Schlag den Henssler“ hat er mich am nächsten Morgen angerufen und mir erzählt, was gut war und was besser geht. Er ist auch ein tierisch lustiger Typ. Mit Rainer zu kochen macht viel Spaß. Aber wenn wir essen gehen und er bezahlt, gibt es immer nur Pasta und Pizza, und wenn ich bezahle, gibt es Kalbsfilet und Tartar. Das muss man ja auch mal angemerkt haben. Das müssen Sie schreiben!

Mögen Sie Maggi?

Ich habe es neulich im Urlaub mal wieder probiert. Ich war in einem Haus mit Küche, und da gab’s Maggi. Und ich dachte: Nicht schlecht, unsere deutsche Sojasoße. Man darf es nicht überall draufmachen, aber es hat was.

Trotz der Hefeextrakte?

Joooa, irgendwas ist doch immer. Aber geschmacklich ist das schon ein Ding, kann man nichts anderes sagen. Das ist wie bei Nutella, das besteht auch nur aus Öl und Zucker, aber wenn Du Lust drauf hast – na dann aber hallo!

In Henssler hinter Gittern kochen Sie mit Sträflingen, aber als ein verurteilter Mörder in der Show auftrat, gab es große Empörung. Wie war das genau?

Es gab noch vor der Ausstrahlung der ersten Folge ein Riesenrummel. Der Mann war wegen Beihilfe zum Mord zu 14 Jahren verurteilt. Ich dachte mir aber, wenn wir so eine Sendung machen, dann ist das auch Teil der Realität. Im Knast gibt es nicht nur Schwarzfahrer oder Leute, die einer Oma die Handtasche geklaut haben, sondern eben auch Bankräuber, Erpresser und Mörder. Und wenn wir eine Sendung über Knast machen, dann gehört das auch dazu. Natürlich soll man Verbrechern kein Forum geben, aber das haben wir ja nicht. Das war ja keine Talkshow, wo die Straftäter sich dann groß verteidigen durften, sondern die sollten kochen. Und deshalb hat mich auch der Shitstorm aus allen Medien gestört, weil ja noch gar keiner diese Sendung gesehen hat. Ich konnte natürlich die Vorbehalte verstehen: Oh je, RTL und Henssler und dann auch noch im Knast. Aber ich glaube nach wie vor, dass wir die Sendung sehr gut gemacht haben, sehr distanziert, und ich würde es wieder so machen. Das ist die Realität. Auch wenn es natürlich ein extremer Fall war und ich verstehen kann, dass Menschen enttäuscht oder sauer oder verwirrt waren deswegen. Intern war das auch keine leichte Entscheidung.

Und die Moral von der Geschicht?

Das kann ich Ihnen sagen: Einer dieser Häftlinge wird demnächst bei mir seine Prüfung als Koch bestehen. Der hat es tatsächlich auf die Kette bekommen, sich bei mir zu bewerben. Der ist seit drei Jahren Lehrling bei mir und beendet nun seine Ausbildung. Ich kann das Echo von damals verstehen, aber es war sehr undifferenziert.

Meine vorletzte Frage gilt Ihrem berühmten, verweigerten Impro-Gang. Als man Ihnen als Zutaten Mett, Quark, Knoblauch, Chicoree, warmes Bier und kalte Pizza vorsetzte und sehen wollte, ob sie daraus etwas kochen können, haben sie dicht gemacht: Sie haben die Pizza ans Publikum verteilt, das Bier getrunken und der Jury die Koblauchzehe serviert. Hätte man denn nicht aus dem Mett und dem Chicoree irgendetwas hinkriegen können?

Der Improgang ist ja lustig, wenn das völlig bescheuerte Zutaten sind, aus denen man etwas zaubern muss. Aber bei acht Aufzeichnungen in zehn Tagen wurde es immer bunter, und bei kalter Pizza und Mett musste ich ein Zeichen setzen: Heute könnt Ihr mich an die Füße fassen, heute bleibt die Küche kalt. War mir egal.

Haben Sie ein kulinarisches Guilty Pleasure, das Sie eigentlich verschweigen möchten?

Kalte Bockwurst finde ich geil. Mit mittelscharfem Senf. Da stehe ich sogar drauf, wenn ich keinen Hunger habe.

 

Interview gegrillt: Wenn er nicht gerade gegen Sie antritt, ist Steffen Henssler viel auskömmlicher, freundlicher und abgeregter als im Fernsehen.

 

Na, aber jetzt habe ich mir einen Whisky verdient. Oder vier.

 

 

WHISKY-TASTING BEI EMONS

 

Emons aus Köln ist einer von zwei sehr in der Branche verankerten Regionalkrimi-Verlagen. Aber Emons aus Köln hat auch die 111-Reihe erfunden, die seitdem als geniales Konzept die Warengruppensystematik eines Genre-Verlages vervielfacht, ob 111 Orte in der Schweiz, 111 Geschäfte in London, 111 Katzen oder 111 Berliner, die man kennen muss, und natürlich 111 Biere und 111 Weine.

Aber jetzt endlich:

 

(lange, ehrfürchtige Atempause.)

 

Und etwa dreizehn davon hatte Hejo Emons im Gepäck.

 

Danke, Hejo Emons.

 

Eine schöne Phalanx von interessanten, konventionellen und überraschenden Bränden. Ich wollte nur zwei oder drei kosten, und bei vier oder fünf habe ich auch angefangen, mich daran zu halten.

Am furchtbarsten war der thailändische Whisky, der wie schal vergorenes Cefrisch schmeckt. Ja, ich hatte Cefrisch vergessen. Bis ich thailändischen Whisky im Mund hatte.

Habe auch hanseatischen Whisky gekostet und eine Madeirareifung. Rauch und Bourbon habe ich für heute sein gelassen.

Aber ich musste schon deswegen viel probieren, um den Thailänder zu vergessen.

 

Und wie passend da auch meine Schottenmusterkrawatte ist!

 

Dann bin ich nämlich jetzt in der einzig richtigen Verfassung, um einer deutschen Rocklegende einen Fotobesuch abzustatten. Hicks.

 

 

EIN FOTO VON UDO LINDENBERG

 

Jawohl, Udo war auf dieser Messe. Weil er bei teNeues einen Konzertfotoband herausgebracht hat, hat er gleich sein ganzes Panikorchester mitgebracht für einen Konzertauftritt auf der Agora.

Spektakulärer war allerdings seine Presseaudienz am Stand von teNeues. Ein unglaublicher Pulk von Fans musste von Sicherheitsleuten und Sicherheitsbändern gebändigt werden, und auch die größten Fernsehsender hatten jeweils nur ein paar Sekunden mit dem Megastar.

Ich selbst durfte aber ebenfalls mit zu Udo, und entsprechend habe ich versucht, in der Zeit, die eine Sekunde zum Zersplittern braucht, genügend gute Fotos zu machen.

 

Pressesprecherin Andrea Rehn behält die Nerven und schleust mich mit ein

 

Krasser Security-Gorilla-Blick, daneben Udo und die Fotografin Tine Acke

 

 

 

Seine Majestät malt jetzt erst mal ein Bild.

 

 

 

Kurs belegt bei Helge Schneider

 

 

 

Fotografin und Lebenspartnerin Tine Acke

 

Aber jetzt bin ich nun mal hier, also spreche ich ihn an und bitte ihn, mal herzuschauen, damit ich ihn fotografieren kann. Das tut er, und er spendiert mir gleich zwei Gesichtsausdrücke:

 

Erst diesen.

 

 

 

Und dann noch diesen.

 

Nachdem ich dann zu Stein geworden bin, haben mich die Sicherheitsleute weggetragen und zu den anderen gestellt, die er ebenfalls direkt angesehen hat. Aber gelohnt hat es sich.

 

Apropos wegtragen: Nach diesem fleißigen Tag begehe ich noch eine Happy Hour auf dem Rausweg und mache dann Feierabend für heute.

 

 

HÖRBUCHMENSCH DES JAHRES

 

Was ist ein Hörbuchmensch? Das ist einer, der sich darum verdient gemacht hat, besonders viele Hörspiele besonders schön in die Welt zu bringen. Der Autor und Regisseur Leonhardt Koppelmann nimmt die Auszeichnung am Gemeinschaftsstand der Hörbuchverlage entgegen.

Ich nehme Knabbereien und Getränk entgegen, allerdings bei weitem nicht so verdient.

 

Kilian Kissling vom Argon-Verlag macht es spannend

 

 

Koppelmann ist gerührt und beladen

 

 

Börsenvereinsverlagsbeauftragte Petra Fust und Börsenvereinssortimentsbeauftragte Maren Ongsiek

 

 

ZUM GELEIT

 

Und das war mein Donnerstag: Zwei gute Interviews, sagenhafte Leute getroffen, erfreulich viel Whisky getrunken. Aber auch Kakerlaken müssen irgendwann mal den Fahrstuhl nehmen.

 

Den Satz habe ich nur geschrieben, damit jetzt das Bild passt

 

 

Habe ich eigentlich das Gastland Frankreich schon ausreichend gewürdigt? Am Bahnhof bemerke ich einen Stand des Le Crobag-Verlages, aber man hat keine Pressematerialien für mich zur Hand.

 

Muss ich vielleicht morgen früh nochmal nachfragen.

 

Am Samstagabend wird wieder das geheime Whiskytreffen stattfinden. Wie immer habe ich keine Ahnung, wer kommt und was ausgeschenkt wird, aber ich weiß schon, wie ich meistenteils gucken werde!

 

So.

 

Wenn Sie mit mir auf dieser Messe sind, wünsche ich Ihnen, dass der Samstagsschock nicht allzu hart wird. Vielleicht haben Sie ja Glück und sind in einer dieser langweiligen Hallen, wo eh keiner durchläuft, 4.0 oder 4.2 vielleicht.

Ansonsten wird am Wochenende jeder Verlagsstand zu einer Insel, auf die man sich retten kann. BLV in Halle 3.0 E 84 ist dabei am besten gelegen: Strategisch mitten in der Halle, aber nach drei Seiten geöffnet und erreichbar, offen und luftig (soweit das in einer Messehalle am fünften Tag noch sagbar ist), leicht erhöhte Aussicht auf die restliche Halle, und dazu mit Essen und Notgetränken mein absoluter Favorit auf dieser, ach was, auf jeder Frankfurter Messe.

So furchtbar voll er aber auch werden mag, der Samstag: Ich freue mich auf ihn. Wenn Sie das lesen, müssen Sie nur noch einmal schlafen, und wir haben es alle geschafft.

Herzlichst,

Ihr Matthias Mayer

 

Erfindungen, die wir den Franzosen verdanken, Teil 4 von 6:

 

Kriminalitätsrate in Saint Tropez

 

 

www.herrmayer.com

herrmayer@hotmail.com

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