Klingt Georgien wie eine Basssaite? Der Messe-Mayer Frankfurt 2018: Dienstag

 

Tag 1 von 6: Klingt Georgien wie eine Basssaite?

 

 

Liebe Freunde,

 

also der Duden ist da sehr eindeutig:

 

(Das ist gar nicht aus dem Duden.)

 

Insofern begrüße ich Sie sehr, sehr vorfreudig, freundschaftlich, wichtig aussehend und herzlich zur 70. Frankfurter Buchmesse, zum Gastland Georgien und zum 15. Frankfurter Messe-Mayer, den das stadtbekannte Branchenmagazin BuchMarkt hiermit anbietet.

Der Messe-Mayer ist eine quasijournalistische, pseudobloggerische Heißluftparade von alledem, was mir, dem Messe-Mayer, auf der Messe so entgegenkommt und geschieht. Rechtfertigung gibt es dafür nicht wirklich.

 

Aber ich sehe wahnsinnig gut dabei aus.

 

Damit Sie am ersten Messetag auch schon etwas zu lesen kriegen, befinde ich mich immer schon vor der Messe auf der Messe, um das Prä-Programm auch voll mitzunehmen:

  • eine Pressekonferenz
  • eine Gastlandpavillionpräsentation
  • eine Essenserschleichung während einer Tagungspause
  • eine erste Besichtigung der Hallen
  • ein Altbieranstich

(In Armin Maiwalds Stimme:) Und das schauen wir uns jetzt alles mal an.

 

Die Eröffnungs-Pressekonferenz

…fand diesmal zum ersten Mal im neuen Frankfurt Pavilion statt. Weil das französische Lehnswort „Pavillon“ eine internationale Zumutung ist, soll man ihn lieber englisch aussprechen, und deshalb heißt er Pa-WILLjen. Wenn Sie das falsch machen, kommen Sie schon gar nicht rein.

Der Pavilion sieht aus wie ein Baiser, und von innen riecht er ein wenig nach Naphtalin.

 

Schade, dass es nicht umgekehrt ist.

 

Aber die Holzgerüststruktur ist sehr schön.

Ist das Bionik?

 

Neu war, dass die Konferenz auch auf Großbildschirme übertragen wurde:

Mir hätte schon eine große, deutliche Buchstabierung von „Chimanda Ngozi Adichie“ genügt.

 

Die bionische Verfächerung eignet sich auch hervorragend zur Unterbringung von Leuten:

Sitz- und Kletterwaben für die Branche – ist das eigentlich georgisch?

 

Natürlich sind mir auch wieder seltsame Dinge aufgefallen, nicht nur normale Messemitarbeiterinnen im Gebälk. Zum einen lief nämlich ein Journalist herum, der mir dreifach auffiel. Erstens sah er aus wie ein Beleuchtungsdouble von Juergen Boos. Zweitens stupste er jeden an, der seine Sicht störte. Und drittens hatte er die Frisur von Anton Chigurh aus No Country for Old Men.

Also stören Sie nicht seine Sicht.

Aber da meine eigene Frisur aussieht wie ein Eichhörnchennest, sollte ich da besser ganz still sein.

 

(Ein Foto von Anton Chigurh an dieser Stelle kann aus Urheberrechtsgründen leider nicht abgebildet werden.)

 

Die andere extrem seltsame Sache habe ich hier fotografiert: Penguin-CEO Markus Dohle ohne einen Kaffee in der Hand!  Schauen Sie sich das mal an. Wir ignorieren jetzt mal völlig die Sales Managerin der Messe, Barbara Roelle, die sich das Lachen verkneifen will, weil sie merkt, dass ich Dohle fotografiere.

Denn, um Gottes Willen, was ist da los: Wieso hat Markus Dohle keinen Kaffeebecher in der Hand?

Da läuft doch grade ganz gewaltig was schief.

 

Und das ist kein Photoshop-Trick! Im Gegenteil:

Das lässt sich eigentlich nur noch mit Photoshop richten.

 

 

Und hier ist der Auftritt der drei Sprecher: Branche, Messe und Gast.

Von links nach rechts: Messe, Gast und Branche.

 

Zunächst sprach Juergen Boos für die Buchmesse und dann Heinrich Riethmüller für die Buchbranche. Keiner von beiden hat heute das Wort „Storytelling“ verwendet, wahrscheinlich weil es nun durch „Narrative“ abgelöst wurde. Die Narrative ist das neue Literaturweltwort der Stunde. Mal schauen, wie oft ich es hier eingebaut kriege.

 

…bevor der Chef mir was vor die Narrative haut.

 

Riethmüller sagte, der Buchhandel sei die wirtschaftsstärkste Kulturbranche, mehr als Holly- und Bollywood zusammen. Da staune ich aber, das wusste ich nicht. Ich wünschte, jemand würde es nachprüfen, der nicht nachts Messequatschberichte schreiben muss.

Da muss er selber schmunzeln.

 

Boos‘ zitierenswerteste Aussage war für mich, dass ihm das derzeitige Erregungsniveau der politischen und gesellschaftlichen Sachbücher nicht gefalle. Ich wünschte, der Satz hätte einen Like-Button.

Als Gastrednerin kam dieses Jahr die nigerianische Schriftstellerin Chimanda Ngozi Adichie zu uns. Das war der lauteste, längste, herzlichste, johlendste Applaus, den ich in all den Messejahren jemals für einen Gast gehört habe. Kein Coelho, kein Rushdie und kein Hockney haben diese Freude hervorgerufen.

Und zu Recht: Wie sie da die Likeability der Frau in Zeiten von Trump und Co. in der Luft zerfetzt und dabei trotzdem noch das Publikum amüsiert hat, das war fast schon likeable. Die Frau sagte so viele kluge und herzliche und vor allem entschlossene Dinge, dass man bei aller AfD und allem Erregungsniveau aufstehen und sie umarmen will.

Das habe ich nicht gemacht, weil ich keinen Ärger will. Also nicht solchen. (Und positives Erregungsniveau ist ja auch Erregungsniveau.)

 

Aber umarmt wurde sie dennoch.

 

Chimanda Ngozi Adichie hat das Publikum so sehr eingenommen, dass alle gingen, als sie ging. Keiner wollte mehr doofe Fragen stellen. Sie so: Good bye. Und wir alle so: wink, aufsteh und rausgeh.

Und das war mal eine lustige Pressekonferenz. Bis auf den Zwischenfall mit Dohle natürlich. Kreuzt der einfach ohne Kaffee auf.

 

Gastlandpavillon

Jedes Jahr bekommt das Gastland der Frankfurter Buchmesse die – ja was denn nun? Einladung? Verdammte Pflicht? – die Aufgabe jedenfalls, das Forum auf Ebene 1 schick herzurichten und sich dabei selbst zum Ausdruck zu bringen.

Wie hat sich Georgien dieser feierlichen Kreativität nun angenommen? Was und wie ist denn georgisch?

Archaische Hologramm-Szenarien und kaukasisches Brummen zum Beispiel.

 

Georgisch ist allem voran das georgische Alphabet, und nicht nur als Kulturerbe diese Welt, als Motto dieser Messe und Wahrzeichen dieses Volkes, sondern auch in der Gestaltung dieses Raumes. Der Georgier hat alles verdunkelt und dann sein komplettes Alphabet nachgebaut! Brummend!

Art Déco meets Halfpipe

 

Da gibt es ja zunächst immer diese zwei Schulen im Gastlandpavillonbau: Der lichte Raum und der dunkle Raum. Frankreich letztes Jahr war sehr licht, aber diesmal holt Georgien alles raus aus den verschwindenden Horizonten schwarzer Belappungen.

Bauhaus meets Captcha

 

Kleine Lichtoasen im Sitzbereich – da schmeckt der Kaffee doppelt gut.

 

Walnuss und Rote Beete sind die Nahrungsmittel und Exportschlager der Georgier. Ich wollte das standhaft als Klischee ignorieren, aber das erste georgische Essen meines Lebens bestand aus Walnuss und Roter Beete.

Und war sehr lecker.

 

Sie kennen mich. Ich esse sogar Walnuss und Rote Beete.

 

Das Dessert war dann Walnuss ohne Rote Beete.

 

 

Wo kommt nur dieser kaukasische Basston die ganze Zeit her?

 

 

 

Tagungspause

Es ist nicht zu glauben, wie einfach das geht: Wenn sich in einem Tagungszimmer eine Pause abzeichnet, weil das Catering angekarrt wird, dann mischen Sie sich einfach unter die Pausierenden und langen zu. Danach verschwinden Sie einfach wieder.

Und das klappt, hihi.

 

Auf diese Weise komme ich an leckeres Tagungs-Catering, muss aber keine Tagung ertragen. Obwohl ich über solche Tagungen nur Gutes höre!

Na gut, es ist jetzt kein Super-Coup als wäre ich Clyde Barrow. Es ist nicht so, dass es irgendjemanden stört.

Und solange die hier nicht abgezählt sind…

 

…oder die hier…

 

Blöd ist es einzig, wenn man dann Leute trifft, die man kennt und die genau wissen, dass sie NICHT den ganzen Vormittag mit Dir eingepfercht waren.

 

Folkert Roggenkamp und der Typ, dessen Frau aus Georgien kommt

 

 

links und rechts außen: Ursula Rosengart und Barbara Wüst von GABAL, dazwischen Maren Ongsiek vom Börsenverein des westdeutschen Buchhandels und ich.

 

Bitte entschuldigen Sie den plötzlichen knallroten Rahmen, aber Marks Traum war es immer, bei 1,2 oder 3 das Kamerakind zu sein. Vielleicht gibt es da noch mehr Leute!

 

Die Hallen

In den Hallen wird entweder noch gedreckt oder schon pausiert. Ich habe mal alles kontrolliert und bin soweit zufrieden. Das verspricht eine interessante Messe zu werden:

 

Hejo Emons bietet Pizza feil. Letztes Jahr war das noch Whisky.

 

 

Eines der feineren Exponate aus der Cartoon-Ausstellung auf der Agora

 

 

Flauschigster Teppich der Messe: Carlsen Verlag

 

Bei Carlsen kann man wieder mooswandern und im Teppich versinken, sozusagen einlullen von unten, während von oben das neue Cover Harry Potters droht.

 

Es gibt Lover, es gibt Hater – normal.

 

Gelobt seien die Panikkäufe im Buchhandel, weil die Fans noch schnell die alten Cover nachkaufen.

 

Dieses Jahr feiern wir ohne GU, ohne BLV, aber dafür wieder mit Taschen:

Auch unfertig verspricht der Stand von Benedikt Taschen – wie immer – ein Hingucker zu werden.

 

Oetinger hat extra ein Birkengewirk für Peter Wohlleben errichtet:

Da kann er dann immer mal wohlleben, wenn es ihn überkommt.

 

Bei dtv bekomme ich zwei Bücher geschenkt, die eigens für die Messe einen ungeschnittenen Buchblock haben, den sogenannten Raw Cut.

 

Sieht eigentlich viel hübscher aus.

 

Ebenfalls viel hübscher: Frau Schwerdtfeger-Schmiedeknecht und Frau „Welcome Back“ Bolkart.

Viel hübscher als ich, heißt das.

 

Hier mein Blick über die Agora:

Doch, doch: wie ein großes, süßes Baiser.

 

Bei Rowohlt erlange ich ein Foto von Buchpreisträgerin Inger-Marie Mahlke, allerdings nicht als Motiv, sondern als Fotografin:

Das ist ja fast noch cooler.

 

 

Bei Suhrkamp tausche ich mich mit dem lieben Kollegen Michael Geißler über Bücher aus, und er stopft mir wieder zwei, drei Empfehlungen in den Koffer.

(Gilt das eigentlich auch, Herr Kessler?)

 

 

Altbieranstich

Während drüben im Congresscenter die Messe feierlich und mit Festakt eröffnet wird, eröffnet meine Hausredaktion ihrerseits (und exakt zur selben Uhrzeit) die Messe für alle erschöpften Standbeschicker mit einem traditionellen Altbieranstich.

 

Das sieht nur aus wie das achte Bier. In Wahrheit haben die grad erst angestoßen.

 

Was soll ich da schreiben?
Es wird angestochen, dann angestoßen, dann wird getrunken.
Alle sind da.
Ich zähle sie gar nicht erst auf.

 

Außer vielleicht Frau Kilian, Frau Jonas und Frau Ongsiek.

 

Nur, damit Sie einen Eindruck haben.

Nehmen Sie vielleicht das nächste Foto nicht unbedingt zur Grundlage Ihrer Eindruckhabung, des irren Blickes wegen:

Schön auch, wie Michael Geißler (vormals Kamerakind Gelb) unser an sich irrblickendes Foto mit seinem durch und durch ernsthaften Blick zerbombt.

 

Bleiben wir beim irren Blick: Im vergangenen Jahr fand mein Restaurantbesuch bei Matthias Seuring nicht statt, und das darf dieses Jahr aber nicht wieder passieren. Wir haben einen herrlichen Ausflug durch die georgische Küche für Samstag eingeplant.

Das wird gut.

 

 

Abschluss

Und das war mein Aufbautag. Das klingt ja fast wie Aufbautraining. Aber alle Witze über das Aufbauen von Messeständen und das Abbauen von Körperkräften wurden bereits auf allen Messen jemals von allen Messemitarbeitern jemals verbraucht.
Also war das mein Aufbautag. (Und dabei habe ich ja noch nicht mal was aufgebaut.)

Was erwartet uns alles auf dieser Messe? Also außer göttlichsten Speisen, herrlichsten Getränken und erstaunlichen Interviews mit den Stars der Szene?

 

Amazon wirft immer mehr eigene Autoren und Verlage in den Ring.

 

 

Irgend ein Napp hat das Blaue Sofa von Halle 5 nach Halle 3 getragen.

 

 

Die Hydrantendeckel sind jetzt rot angemalt. Endlich.

 

Immer mehr Food Trucks bestimmen die kulinarische Vielfalt draußen auf dem Platze:

Sogar die Messe selbst stellt einen accente-Truck hin.

 

Ich muss die morgen alle mal inventarisieren.

 

 

Auch ich bekenne mich bei aller Satire, bei allem Relativismus und bei aller Vermeidung heikler und ernster Themen am Ende doch zu Freiheit und Meinung für alle:

Hahaha, Sie dachten, da kommt jetzt irgendwas Ironisches!

 

 

Ach ja, und eines noch: Wenden Sie bitte keinen entstellenden Panda-Apps auf Ihre Mitmenschen an.

Das sieht ja aus wie GlamRock auf Mumps. Das geht ja gar nicht.

 

Nein, Julia Graff, das auch nicht. So wird man kein Kamerakind.

 

 

Und Henning Baum war auch schon mal überzeugender.

 

 

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Mittwoch!

Ihr und Euer

Matthias Mayer

(herrmayer@hotmail.com)

 

 

Georgische Buchstaben, die aussehen wie niedliche Figuren, Teil 1 von 6

Ban, der zweite Buchstabe des georgischen Alphabetes, entspricht unserem B und sieht aus wie eine kleine Maus.
Kommentare (3)
  1. Das lass ich grade so durchgehen mit den Empfehlungen.
    Trotzdem ist ein Update der Homepage fällig…
    Und die Panda App ist sensationell.
    Die Kamerakinder haben die Messlatte ja ganz schön hoch gelegt.

    Ansonsten sehr gelungener Auftakt!

    • Lieber Riddler,

      meine Homepage ist dermaßen hinterher, seit ich Ladenbesitzer bin, dass ich sie nicht mal mehr mit angeben in den Messetexten. Zu finden ist die verstaubte Mai-Seite natürlich dennoch. Und ja, meine Kamerakinder waren alle Klasse.
      Danke sehr.

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