Tag 6 von 6: Wer braucht schon Überschriften? Oder: Die Schattenmesse
Liebe Freunde,
es ist geschafft.
Das war wieder eine Messe voller schöner Kontakte, zum Beispiel als der EU-Abgeordnete Martin Sonneborn Bernd Höcke eine Stauffenberg-Aktentasche überreichen wollte, was ich leider verpasst habe, aber was rasch viral ging.
Wenn man den Press- und Aufbaudienstag mitzählt, dann waren das sechs Tage voller Kontakt, Lärm und Freugesichterei, voller Eindrücke und Informationen, voller Perspektiven und Stationen, und jetzt sind wir alle müde.

Aber es ist eine charmante Müdigkeit, ganz ebenso wie die Buchmesse eine charmante Messe ist.

Das war der heißeste Oktober seit langem, ich habe das nur überstanden mit einem täglichen Spezialkickstart:

Und dann auf der Messe langsam auf die warmen Getränke übergehen, um den Kreislauf weiter zu stabilisieren.
Für den Satz „Frag nicht nach Sonnenschein!“ habe ich keinen wirkliche Quelle ausfindig machen können, aber ich kenne ihn selbst aus meiner Kindheit, und Frank Schätzing hat ihn in seinem Science-Fiction-Thriller verwendet, und das fand ich ulkig. Vielleicht verwende ich ihn selber nochmal hier, so zur Feier des Tages.
Wenn Sie das lesen, ist bereits alles vorbei, je nachdem ob Sie ein manischer Auspacker sind oder ob Ihr Koffer erst mal drei Tage geöffnet im Schlafzimmer liegt.
Aber ich darf noch die allerletzten Eindrücke dieser georgischen Buchmesse zusammenkratzen, noch zwei Interviews nachreichen und mich dann selber einfalten.
Viel Freude bei der Rückschau auf unseren letzten Messetag.
Cosplay
In den letzten Jahren ist das Cosplay an die beiden Buchmessen angewachsen. Aber am Anfang war es eine große Rätselhaftigkeit, dass hie und da krass kostümierte Jugendliche umhergingen; und erwachsene Menschen fragten einander tuschelnd: Was ist denn dieses Cosplay?
Heute ist Cosplay auch nur ein Wort, das im neuen Duden steht.


Die aufwendige Detailliebe und die seltsame Coolness auf den Punkt machen diesen preußischen Steampunk-Ghostbuster zu einem Hingucker.


Und vielerlei Gewandung mehr. Aber ich muss noch ganz viele Reste unterbringen.
Restefotos:

Was ich sonst noch alles sah
Einen Buchverschenker vom Literareon-Verlag. Zuschussdruckereien sind heute nicht mehr die schwarzen Schafe der Branche, sondern Dienstleister wie alle anderen auch.

Ich sah den Illumat:


Ich selbst gab folgenden Auftrag: „Carte Blanche – zeichnen Sie, was Sie wollen!“

Am Nachmittag sind allenthalben die Zeichen des baldigen Aufbruchs zu sehen, so zum Beispiel bei Salariya, London:

Und bei Customer’s Delight, wo ich mich eine Sekunde hinsetzen wollte, um kurz meinen Koffer zu richten, bat man mich halb höflich, halb empört, doch bitte die Messemöbel an anderen Ständen zu benutzen.

Die neue Kids Stage habe ich auch noch nicht besucht: Dort, wo früher das Blaue Sofa war, befand sich eine Veranstaltungbühne mit Kindersitzplätzen und entsprechenden Angeboten für Kinder.



I’m on the same Page: Der momentane Erfolg der Kampagne gegen Rassismus und Ausgrenzung war als Graffiti-Aktion zumindest messbar.


Ravensburger ist dieses Jahr der neue Guinnessbuchverlag. Weil Rekorde sich auch im Kleinen brechen lassen, versucht der Verlag aus Ravensburg es mit einhändiger Blitzsortierung von M&Ms.

Ein paar Geschenke habe ich noch eingesammelt:


Nochmal ein letztes Highlight aus der Cartoon-Ausstellung:

Und endlich besitze ich einen Plan aller Konferenzräume!

Wen ich alles traf
Ich traf endlich meine Odenwälder Rindswurst beim XXL Medienservice.

Theresa Bolkart hat ihren Gesternjussi gegen eine Heutedora ausgetauscht, und wieder gibt es eine Autogrammstunde bei dtv. Dora Heldt signiert ihr aktuelles Buch „Drei Frauen am See“

Selbstverlegende Zecken-Autorin Dr. Petra Sommer:

Im Café der Verlage hatte ich noch ein wenig Gemütlichkeit, Saft und Kaffee.



Ursula Poznanski lässt es sich nicht nehmen, mich ihrerseits zu paparazzen, ohne meine schriftliche Genehmigung einzuholen.

Bevor diese Messe endet, schnappt sich Imke Schuster den Messe-Mayer und macht schon mal klar, dass Dumont nächstes Mal dabei sein möchte.

Die Schattenmesse
Hermann Gummerer und sein Folio-Verlag haben sich einen Auftritt im Messe-Mayer gewünscht.


Ähnlich der Prä-Party vor dem offiziellen Messe-Betrieb am BuchMarkt-Stand gibt es bei Folio eine After-Fair-Party nach dem offiziellen Messebetrieb.



Das sind ja dieselben Leute, die auch am Anfang der Messe schon bei uns mitfeiern!



Und das schlimmste an dieser Party: Ich war gar nicht dabei. Gummerer hat die Fotos bei mir eingereicht, und ich habe sie durchgewunken. Ich muss diese launigen Texte schreiben, wenn andere Leute ihre Messe-Partys feiern.
Aber ich will kein Mitleid, denn es ist der beste Job der Welt.
Frag nicht nach Sonnenschein.
Interviews
Am Samstag hatte ich das allergrößte Vergnügen, eine Viertelstunde mit einem Star meiner eigenen Kindheit und Jugend zu verbringen: In der deutschkaribischen Wundersoap Das Traumschiff war Heide Keller als Chefstewardess Beatrice nicht wegzudenken. Beim deutschkaribischen Wunderverlag Droemer Knaur hat sie ihre Memoiren herausgebracht, und ich stehe nun vor der Beichte, dass ich sie zum Termin leider nicht lesen konnte. Ich treffe auf eine charmante, geistvolle Dame, die noch sichtlich enttäuscht war vom vorangegangenen Termin, weil ein Journalist ihr Buch nicht gelesen hatte.


Heide Keller: Oh, brauchen Sie Ohrenwärmer?
BuchMarkt: Ich bin Ihr nächster Gesprächstermin.
Oh, dann brauchen Sie eher Ohrenfilter? Hallo Herr Ohrmayer. Ich will Sie gleich selber etwas fragen: Ist es normal, dass ein Journalist oder eine Journalistin sagt: „Ich habe Ihr Buch gelesen, es hat mir gut gefallen, aber was war für Sie das lustigste Kapitel?“
Viele meiner Kolleginnen und Kollegen sind in der Verlegenheit, die Bücher erst sehr kurzfristig zu erhalten. Manchmal lesen wir quer, manchmal lesen wir die Hälfte, und manchmal kommen wir zum Termin, ohne unsere Hausaufgaben gemacht zu haben.
Ja, aber sie hat behauptet, es gelesen zu haben. Und als sie wissen wollte, was am lustigsten war, sagte ich, dass das in dem Buch ganz ausdrücklich beschrieben sei, sie könne es gerne zitieren. Das war eine höfliche Antwort, aber Ihre Kollegin beharrte weiter auf Ihrer Frage, die sie unbedingt von ihrer Liste abhaken wollte. Das hat mich enttäuscht. Die können Sie schön von mir grüßen.
Dann muss ich Ihnen jetzt wohl selber reinen Wein einschenken –
Sie sind von der BILD!
Oh, das wäre ja eine Auszeichnung.
Wie bitte?
Diese Art von sehr grellem Journalismus erfordert eine ganz präzise handwerkliche Unschärfe. Diese Art von Kunstprodukt auf gleichbleibendem Tiefstniveau zu produzieren, erfordert ja wiederum ein hohes Arbeitsniveau. Die BILD ist ja nicht versehentlich so. Handwerklich würde mich das sehr reizen.
Aber das würde den Charakter verderben. Ich hatte neulich ein Gespräch mit jemandem von der Bild am Sonntag. Ich fand ihn sehr sympathisch, und er stellte auch keine dummen Fragen. Aber meine Agentin brauchte Stunden, um ihm die Schlagzeilen auszureden, die er bereits vor dem Gespräch im Kopf hatte. Dort geht es also nicht darum, etwas zu differenzieren oder zu beleuchten, sondern etwas aufzublasen und damit zu prahlen. Und das verdirbt den Charakter.
Aber als Journalist muss ich einräumen –
Das ist doch kein Journalismus. Das ist im Müll kramen und mit Dreck werfen.
Aber egal wie schlecht eine Rolle geschrieben ist, Sie würden sie doch als Schauspielerin mit all Ihrem Können füllen müssen.
Aber manche würde ich auch erst gar nicht spielen. Aber Sie waren gerade dabei, mir reinen Wein einschenken zu wollen. Sie sind also nicht von der BILD.
Nein, ich bin harmlos. Aber ich habe nicht eine einzige Seite Ihres Buches gelesen. Ich habe vorhin noch verzweifelt das Inhaltsverzeichnis überflogen, aber das bringt ja alles nichts. Ich will ehrlich zu Ihnen sein – wir müssen uns einfach so unterhalten.
Ein Journalist ist ehrlich!
Sie sind eine Vollblutbühnenschauspielerin. Bühne und Kamera sind ja zwei sehr unterschiedliche Medien.
Auf der Bühne muss man auch für die letzte Reihe spielen. Das Schauspielen, das Empfinden ist immer gleich, aber die Wahl der Mittel hat mit der Größe der Aufnahme zu tun.
Robert Mitchum sagte: Ein Schauspieler muss seinen Text können und wissen, wo er sich hinstellen muss.
Und Robert Redford sagt so etwas nicht.
Wie war denn die Arbeit mit Harald Schmidt auf dem Traumschiff?
Wunderbar. Ich liebe Harald Schmidt, ich freue mich, dass ich ihn kenne. Wir sind uns freundschaftlich und respektvoll näher gekommen. Schmidt begegnet anderen Menschen auf Augenhöhe und sehr respektvoll, also ganz anders, als vielleicht sein Ruf sein mag. Er hat keinen blöd aussehen lassen, und er hat versucht, mit jedem ins Gespräch zu kommen, weil er Menschen gern hat. Ich schätze ihn viel höher ein als Schauspieler, als er sich selber einschätzt. Ich habe jeden Dreh mit ihm genossen.
Arbeiten und reisen – ist das von Anfang an schön?
Ich war Theaterschauspielerin, und plötzlich kommt da diese Fernsehsache, und ich fliege bis ans andere Ende der Welt, in die Karibik. Für mich war das wie ein Sechser im Lotto. Das war First Class mit Puderzucker obendrauf. Aber wir hatten auch Momente von Krankheit und ein langes Abschiednehmen, das mit Wolfgang Rademanns Krankheit einsetzte. Und wir haben auch nicht jedes Drehbuch gleich gut gefunden. Aber wir hatten viele Jahre lang unsere Traumschiff-Familie.
Wenn Sie privat mit einem Schiff reisen, können Sie dann die Rolle Beatrice so ganz abstellen?
Ja, natürlich, ich schon. Aber während der Dreharbeiten passierte es früher sehr oft, dass echte Passagiere mich für eine Stewardess hielten und mich dies und jenes fragten. Und denen habe ich meistens sogar geholfen. Und dann hat Wolfgang Rademann den Passagieren die Crew vorgestellt, und dann haben die Gäste erst gemerkt, dass ich nicht echt bin.
Konstantin Stanislawski, der Begründer des Method Acting, wäre sicher stolz auf Sie gewesen.
Ich habe sogar einen Arbeitsplatz geschaffen: Als immer mehr Passagiere des Traumschiffs eine Chefstewardess wie Beatrice vermissten und nach ihr fragten, hat der Reeder eine echte Beatrice gesucht und eingestellt.
Nun ist das Traumschiff ja weit mehr als nur eine langlebige Fernsehsendung, sondern es ist ein Stück deutsche Fernsehgeschichte.
Das hat auch Harald Schmidt so gesagt.
Ah! Also: Harald Schmidt und ich finden, dass das Traumschiff ein Stück deutsche Fernsehgeschichte ist. Wie fühlt man sich damit?
Als ich meinen letzten Satz aller Dreharbeiten sagte – „Danke, schön war’s.“ – ging ich danach in meine Kabine und schickte eine SMS an Harald Schmidt: Es ist vollbracht. Jesus hat das gesagt.

Letzte Stationen
Das wären dann für diese Messe wieder MVB und Diogenes. Das hat nun wirklich keiner kommen sehen.
Bei Diogenes bekomme ich nämlich noch ein Urs-Widmer-Buch und eine tolle Miffy!


Der Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels ist dieses Jahr mein Ort des Gongs. Sie müssen wissen: Um 17.30 Uhr gibt es den Messe-End-Gong, und dann kreischen wir alle vor Glück.
Wo verbringe ich den Gong? Dieses Mal beim MVB. Der MVB hat wieder viel geleistet auf dieser Messe (Cocktails mixen in Lederhosen), und entsprechend verdient erschöpft ist er nun:

Auch Markus Fertig ist mit mir gemeinsam am Ende aller Kräfte angelangt.

Aber hierfür reicht es noch:

Nun, und eigentlich dachten wir, dass nun genug herumgekaspert sei, schließlich ist auch mal gut irgendwann. Aber dann wirft irgendwer – wahrscheinlich der unheile Markus Fertig – DIES hier mehrfach in die Runde:

Doppelseitig.

Am Schlimmsten daran ist, dass dieser Papp-Artikel mir auch noch ähnlich sieht.

Und es wird immer schräger:

Und jetzt die absolute Hackfressen-Inception:

Ich sollte nach Hause gehen.
Zum Geleit
Und das war die Frankfurter Buchmesse 2018, Gastland Georgien.
Wie immer ist meine Bilanz positiv, da bin ich wenig originell: Ich will hier nur ein wenig ernsthaften Spaß haben, satt werden und Teil dieser Welt sein.
Wie immer musste ich auch Dinge missen: Was habe ich wieder alles verpasst und nicht besucht. Das Blaue Sofa, die eBuch-Genossenschaft, KBV, den Kieselverlag 360 Grad, das Lesezelt oder die komplette Halle 6 habe ich streichen müssen, damit ich möglichst oft Rindfleisch beim Tre Torri / Beefer Food Truck essen konnte.
Ich bedanke mich bei Kathrin Grün, der Kommunikationsleiterin der Buchmesse, für alle nützlichen Infos, Same-Page-Sticker und diese georgische Messetasse:

Ich bedanke mich auch bei allen Verlagen für Nahrung und Netzwerk, für Hilfe und Heißgetränk.
Und bei Dir: Danke, Maren Ongsiek vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Wenn ich tatsächlich das Kamerakind immer kenntlich gemacht hätte, dann hätte jedes zweite Bild einen bunten Maren-Rahmen.
Aber Maren Ongsiek macht hier nicht nur Faxen mit mir oder hält die Kamera, sondern Maren Ongsiek haut viel Arbeit da rein, dass der Messe-Mayer attraktiv bleibt und die richtigen Leute kennenlernt.
Aber dennoch ist auch die Frankfurter Buchmesse etwas Flüchtiges, etwas Momentanes. Beim Rausgehen sehe ich schon die Entsorgung der Buchpreisfolder und Messekataloge beginnen:




Wir sehen uns im März 2019 in Leipzig.

Herzlichst,
Ihr und Euer
Matthias Mayer
Georgische Buchstaben, die aussehen wie niedliche Figuren, Teil 6 von 6:
