Beckmann kommtiert Die „Großen“ als Bannerträger des modernen Buchhandels?

Waren (oder sind) die seit langem selbstherrlich bewusst auftretenden Großfilialisten tatsächlich die moderneren, effizienteren, besseren Buchhändler – und die selbstständigen kleineren Sortimenter wirklich nur Ladenhüter einer überholten Geschäftskultur? Neue Zahlen und Geschichten stellen bisherige Ansprüche und Vorurteile in Frage.

Endlich mal wieder eine positive Nachricht aus der Welt der Großfilialisten! Hugendubel hat die Möglichkeit eines Umzugs genutzt, um seine Fläche in Bad Homburg von 1.400 auf 500 Quadratmeter zu reduzieren. Da hing natürlich der Verdacht in der Luft, es sei der Vormarsch des Online-Handels, insbesondere von Amazon, der dem Buchhandel vor Ort auch hier den zum Erhalt der alten Größe notwendigen Umsatz weggenommen habe.

Aber nein, erklärte Angela Birke, die Filialleiterin, der Frankfurter Rundschau im Januar 2013, mit schlechten Verkaufszahlen bzw. dem zunehmenden Bücherkauf über das Internet habe die Entscheidung, die Ladenfläche um 900 qm, also um fast zwei Drittel, zu reduzieren, nichts zu tun. Sie gab dafür eine ganz andere Erklärung: „Wir haben Flächen, die wir nicht brauchen, das, was wir verkaufen, geht auch mit weniger Platz.“

Anders gesagt: Sie war überzeugt, dass fast zwei Drittel der Fläche für das Erreichen des gewohnten Filialumsatzes überflüssig seien.

Die Erklärung erfolgte vor gut einem Jahr, der Umzug im Oktober, also vor knapp einem halben Jahr. Und hat die Erwartung eines bei drastischer Flächenaufgabe gleichbleibenden Umsatzes sich bestätigt? „Nicht ganz“, antwortet Hugendubel, es sei aber doch so, dass seit Eröffnung der neuen, kleineren Geschäftsräume „der Umsatz nur geringfügig gesunken ist, in keinerlei Verhältnis zur viel größeren Flächenreduzierung“.

Das spiegelt, zum einen und ersten, eine sicherlich hervorragende buchhändlerische Arbeit von Angela Birke und ihrem Team (dazu später mehr). Zum andern wird es, natürlich, ein klares positives betriebswirtschaftliches Ergebnis zeitigen. Das zeigt: Das stationäre Buchgeschäft ist, allen Unkenrufen zum Trotz, an sich durchaus existenzfähig und lohnenswert.

Gerade, weil es eine so überraschend positive Geschichte erzählt, ist es aber auch ein schlagender Beleg für die sich noch immer viel zu langsam durchsetzende Einsicht, dass die lang praktizierte Flächenexpansionspolitik der Großfilialisten letztlich wohl kaum in Folge eines gründlich durchdachten ökonomischen Planens und auf der Basis solider Buchmarkt-Kenntnisse entwickelt wurde.

Hat es, so muss heute gefragt werden, überhaupt eine reale Basis für die Strategen des Großfilialentums und ihren Anspruch gegeben, die Zukunft des Buchhandels gehöre ihnen – während selbständige Sortimenter mit ihren relativ kleinen Geschäften zu einer Zukunft als Randexistenzen in Nischen mit ehrenwerter Bedeutungslosigkeit verurteilt wurden? Waren sind sie wirklich die besseren, weil moderneren Buchhändler?

In Bad Homburg wurde aus einer Großfiliale eine Filiale von mittlerer Sortimentsgröße: Das Erfolgsgeheimnis dieser Umwandlung ist jedoch ein überraschendes Faktum, das Angela Birke mit Recht voller Stolz im Januar 2013 der Frankfurter Rundschau ankündigte: “Es wird keine Personalentlassungen geben;“ man werde „auch in der kleineren Filiale mit voller Mannesstärke arbeiten“. Mit anderen Worten: Der Erfolg ist der Entscheidung zu danken, von der Großfilialrezeptur – Fläche statt Personal – zur Erfahrungsweisheit des traditionellen Buchhandels zurückzukehren und auf einen ausreichenden qualifizierten Mitarbeiterstab zu setzen.

1. Ist das, was sich in Bad Homburg tut, allgemein von Belang? Die Geschichte macht etliche Fragen virulent.

Man sollte sie beispielsweise zum Anlass nehmen, einem Verdacht nachzugehen, der kaum öffentlich zur Sprache kommt, in Gesprächen mit Buchhändlern und Lesern jedoch häufig geäußert wird. Und man sollte sogar ganz laut davon sprechen, wenn wieder mal ein Spitzenfilialist in Nöten das baldige Ende des stationären Buchhandels prophezeit, weil der Buchverkauf künftig übers Internet gehen solle. Ach ja? Und wenn ja, warum? Könnte es damit zu tun haben, dass allzu viele Filialen „Service-Wüsten“ geworden sind, wie Elmar Krekeler einmal in der Tageszeitung Die Welt feststellte? Um es auf die Frage zu bringen, die mir schon so oft gestellt worden ist: Ist es – in Deutschland mit seinem festen Ladenpreis für Bücher – deshalb zum Aufstieg der Online-Händler gekommen, weil kaufinteressierte Leser auf vielen Flächen der aktuell rund 420.000 Quadratmeter umfassenden Filialwelt miserabel oder gar nicht bedient oder kompetent beraten wurden?

2. Es könnte sich auch lohnen, wenn die Buchwissenschaft in Erlangen, Leipzig oder München der interessanten Frage nachginge, inwieweit die rasant zunehmende Zahl der Buchfilialen und der riesige Zuwachs an Fläche ein vergleichbares Wachstum des gesamten stationär buchhändlerischen Umsatzes entsprochen hat. Was hat die Expansion der Filialisten, die so viele alte, ortsansässige Sortimenter aufgekauft oder verdrängt haben, für die Verbreitung des Buches gebracht bis zum Filialhöhepunkt von 2009, als man die Fläche immerhin noch um 1,2 Prozent steigerte, nachdem sie 2008 um stolze 13 Prozent in die Höhe getrieben worden war? Sind angesichts dessen im stationären Gesamtumsatz ein kleines Minus für 2008 und ein 0,1-prozentiges Umsatzuzwachstums 2009 nennenswert?

3. Die Buchwissenschaftler könnten ihre Forschungen ja auch aus umgekehrter Richtung anstoßen.

„Die 2013 geschlossenen Buchhandelsfilialen und die für 2014 angekündigten Schließungen addieren sich“, schrieb das Branchenmagazin Buchreport im Januar, „auf knapp 33.000 qm. Vor einem Jahr belief sich der Flächenrückbau auf 40.000 qm Den summierten Rückgängen von 73.000 qm stehen in den beiden Jahren Flächengewinne von Filialisten durch Übernahmen und neue Standpunkte von 14.000 qm gegenüber. Insgesamt ist der Flächenpegel gegenüber dem Höchststand von 2009 um 11 Prozent zurückgegangen … und die Filialzahl ist um gut 8% geschrumpft.“

Wie ist da, bitte sehr, zu begreifen, dass der Umsatz im stationären Buchhandel im letzten Monat mit einem Plus von 3,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr den stärksten Januar-Anstieg seit 2008 brachte, wie Matthias Koeffler, der neue Herausgeber von Langendorfs Dienst, soeben mitgeteilt hat – nachdem der Barumsatz des stationären Buchhandels überraschenderweise bereits 2013 um 1,9 Prozent angestiegen war. Trotz des angeblich unaufhaltsamen Aufstiegs vom Online-Handel …

Wer und was ist, wenn es die Großfilialisten nicht für sich reklamieren können, nun dafür verantwortlich?

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