Der Messe-Mayer Donnerstag: Sugar Baby und Espresso

Liebe Freunde,

und vor allem: Lieber Buchhändler Carsten Vogt aus dem Allgäu,

bitte entschuldigen Sie meine Manieren. Als ich Sie auf der Rolltreppe erblickte, war ich von der Geschwindigkeit dieses Transports zu aufgewühlt, um Ihren Namen sofort parat zu haben. Aber das war ja okay. Dass ich aber dann gerufen habe „He, der Dings!“ – das war nicht höflich. Bitte entschuldigen Sie also. Frankfurt ist eben eine Stadt, in der einiges möglich ist.

Zum Beispiel Kunst aus dem Automaten, so gesehen am Hauptbahnhof.

Hat mal jemand 160,- Euro in Münzen?

Während Sie meinen Bericht vom Donnerstag lesen, bricht für Sie der letzte Werktag an, bevor Wotan seine Luke öffnet und sein Ungetrenntes über uns ausschüttet: Die Nichtfachbesucher.

Donnerstag ist übrigens der Tag Donars. So hieß Thor im Althochdeutschen. In Thors Tag kündigt sich bereits das Englische Thursday an. Sprache ist sowas Tolles! Aber ich schweifle ab. Lassen Sie uns lieber sehen, wie ich diesen Tag Thors verbracht habe.

Die gute Uta Niederstraßer ist zum Beispiel seit der Akte Eichborn bei Bloomsbury im Brot und Lohn und sieht sichtlich erleichtert aus. Bei Bloomsbury arbeitet man ja bekanntermaßen fleißig an der deutschsprachigen Positionierung der Marke Bloomsbury. Die Niederstraßerin einzustellen ist ja gar kein schlechter Anfang. Schlechtes Ende hatte sie ja nun beileibe genug.

Uta Niederstraßer (rechts / polychrom), Marketing Bloomsbury

Wer heute mit deutscher Fantasy handelt, der kauft und verkauft mit hoher Wahrscheinlichkeit Hennen, Heitz oder Hohlbein. Ich hatte die Freude, mal wieder mit dem Herrscher der Albenmark, seiner Bernhardhennenheit, zu plaudern. Sein neuer Roman „Drachenelfen“ ist bei Heyne erschienen und ist dicker als mein Bein.

Wieso schreiben Sie überhaupt etwas, wenn Sie nicht mal auf 10.000 Seiten kommen?

Was bedeutet dem Fantasy-Autor die Dicke seines Buches? Wieso werden diese Geschichten immer gleich 1000 Seiten lang?
Man schließt einen Vertrag über ein Manuskript von 700 Seiten und glaubt daran. Und dann schlägt der Erzähler durch. Meine Geschichten sind in mehreren parallelen Erzählsträngen aufgebaut, und das braucht dann halt Platz.
Ist das ein Fantasy-Problem oder ein Bernhard-Hennen-Problem? Warum schließen sie nicht einen Vertrag über 500 Seiten und überziehen dann auf 700?
Witzigerweise hat dasselbe Herr Hohlbein zu mir gesagt vor einer Weile. Der kennt das Problem genauso, seine Bücher werden in der Regel auch dicker. Das hängt schon mit dem Genre zusammen.
Wenn ich es schon nicht gelesen habe, sagen Sie mir etwas zu Ihrem Buch?
Aber das ist doch der Horror – 1.072 Seiten in 30 Sekunden zusammenfassen.
Am besten noch im Unterschied zu Ihren bisherigen Büchern.
Sie sind subtil darin, einen Autor fertig zu machen. Es geht um eine Elfe, die in ein politisches System hineingezogen und missbraucht wird, und zwar für …bestimmte Dinge, und die aber in dem Moment, wo sie sich mehr und mehr selbst findet, …bestimmte Dinge anfängt zu hinterfragen, sich von ihren Stiefeltern fort entwickelt und die dann ein Ärgernis wird für diejenigen, die sich eine hohe Position aufgebaut haben. …das war jetzt sehr abstrakt.
Aber druckfertig formuliert. Und es klingt innovativ.
Aber es könnte genauso gut ein Thriller sein, wenn man das Wort „Elfe“ rausstreicht.
Die Fans sagen, Sie haben sich diesmal selbst übertroffen.
Ich bin unglaublich erleichtert. Sie glauben ja gar nicht, wie man als Autor mit Sorgen bei Amazon reinschaut.
Was fiel ihnen bei ihrem neuen Buch am leichtesten?
Das neue Setting. Die Menschenwelt spielt diesmal zwischen Bronze- und Eisenzeit, ich habe vorderasiatische Altertumskunde studiert, da musste ich mir nicht so viel anlesen.
Was war das schwerste?
Es termingerecht zu einem Ende zu bringen, das man als Autor auch mag.
Was war der letzte Film, den sie mit Hohlbein im Kino gesehen haben?
(lacht) Sie sind aber gut informiert. Das war die neue Fassung der „Drei Musketiere“. „Conan“ haben wir auch wieder nicht geschafft. Conan hätte ich jetzt vielleicht nicht sagen sollen, aber wir sind Fantasy-Autoren, aus beruflichen Gründen müssen wir Conan gucken.
Fehlt ihnen Harry Potter?
Nein. Ich habe sie alle gelesen und finde sie rund und abgeschlossen, aber ich würde wetten, dass da irgendwann noch etwas nachkommt.
Ihre Meinung zum e-Buch?
Ich bin mit einigen Veränderungen im Buchhandel nicht ganz glücklich. Man kann sich natürlich nicht dagegen stemmen, aber das Buch wird nicht verschwinden. Im Gegenteil, das wird auch positive Effekte haben, dass die Verlage sich zum Beispiel mehr Mühe geben, schöne Bücher zu machen, die man gerne in die Hand nimmt. Das Taschenbuch wird es mittelfristig schwer haben.
…und Bernhard Hennen wird es mittelfristig leicht haben, wenn seine Bücher anscheinend immer besser werden. Vielen Dank für dieses selbstironische, sympathische Gespräch.

Wie leicht Elke Heidenreich es hat, vermag ich nicht zu beurteilen, aber solange sie weiterhin so schön schreibt, kann Sie im Fernsehen gerne vermurksen, was sie will.

Autorin Elke Heidenreich mit Sessellehnenbeisitzerin

Ebenfalls bei Random House sehe ich Reinhold Calmund sitzen. Der heißt so! Der heißt gar nicht Reiner. Den habe ich dieses Jahr leider nicht auf der Interview-Liste. Ohne die üblichen Calmund-Klischees allzu arg strapazieren zu wollen, würde mich seine Meinung zu den Messe-Würstchen natürlich brennend interessieren.

…und ob er sie mit oder ohne Senf nähme.

Bis zum nächsten Gespräch ist noch etwas Zeit, daher kann ich frei cruisen. Aber um welchen Preis? Da, sehen Sie nur: Bastei Lübbe hetzt mir einen christlich relevanten Bekehrer auf den Hals, um auf digitale Innovationen im vatikanthrillerlichen Bereich hinzuweisen.

Tatsächlich sollte man den Dresscode vor der Berufswahl nicht unterschätzen

Am besten einfach gar nicht ignorieren. Ich ziehe meines Weges stoisch und unerschütterlich, so wie dieser Mann.

ist über die Aufwärtsrolltreppe in Halle 3.0 heruntergekraxelt

Was macht der hier? Hat er ein Buch geschrieben? Also schon wieder? Oder zieht es ihn einfach in Sauerstoffmangelbiotope? Keinen Sauerstoff findet man hier ja mehr als genug.

Aber nicht nur an Sauerstoff mangelt es, sondern auch an anderen Substanzen. Zum Beispiel an genügend Platz und Plätzen, wenn Charlotte Roche aus ihrem Meisterwerk-Zyklus vorträgt.

Ach, da ist sie ja!

Wie sie an der Perspektive des Bildes erkennen können, bin ich leider weit genug entfernt, um nicht mehr gut zuhören zu müssen, deshalb freue ich mich nun auf mein nächstes Interview. Ich darf mit einem Star sprechen, der als fescher Bub den Rock’n’Roll nach Deutschland zerrte: Peter Kraus!

Bei Südwest ist seine Biographie „Für immer jung“ erschienen, und ich habe sie gelesen.

Bevor unser Gespräch überhaupt losgehen kann, muss Kraus zunächst die schlangestehenden Fans abarbeiten. Aber das ist ja bei Terminen, die Daniela Völker betreut, fast schon die Regel. Daher habe ich Zeit mitgebracht; und außerdem ist schon dies ganze Treiben im Vorfeld interessant.

Kraus hat Andrang
Kraus kriegt Fangeschenke
Kraus autografiert
Sohn / Fotograf Mike Kraus und Daniela Völker vom Verlag

Was fiel ihnen bei ihrem Buch am leichtesten und was am schwersten?
Leicht war, dass ich erstmal alles aufgeschrieben habe, was ich wollte, egal ob es passte oder nicht. Zeitkolorit, Fitness, usw. Die Schwierigkeit… eigentlich hatte ich keine!
Sie haben geschrieben, dass sie Psychiater prinzipiell ablehnen.
(lacht) Das muss jeder für sich entscheiden, aber ich glaube, ich komme mit mir selber klar. Ich strebe es zumindest weiter an. Das soll aber nichts Böses gegen Psychiater sein.
Sie waren mit 13 schon hinter den Mädchen her –
Die waren hinter mir her!
– in einem Alter, wo man zur damaligen Zeit noch gar nicht wusste, was man mit dem anderen Geschlecht anstellen soll?
Das war aber das Schöne an der Zeit. Das war ja wesentlich schöner als mit 7 Jahren von der Bravo aufgeklärt worden zu sein. Das war richtig schön.
Die alten Jazzer waren skeptisch bei Ihrer Musik, Max Greger, Hugo Strasser. Dabei war Jazz doch selbst eine Revolution vorangehender Musik.
Ja richtig, aber sie haben natürlich nicht diese Vereinfachung, sich auf drei Harmonien zu begrenzen und immer dieselben Riffs zu wiederholen. Bill Haleys „Rock around the clock“ war ja ein Riesending, aber für einen Jazzer – 16 Takte immer dasselbe Ding – das kann ja nichts werden. Das hat nichts mit Improvisation zu tun. Der Max, der Hugo, das mussten die erst von den Amerikanern lernen.
Fühlen sie sich wie ein Pionier? Sie sind ja nicht auf einer Welle mitgeschwommen, sondern sie haben diese Welle überhaupt nach Deutschland gebracht.
Ach Gott, Pionier. Ja, schon (grinst lausenbübisch). Aber in Italien war es der Celentano, in Frankreich Billy Halliday… der Rock’n’Roll wäre eh gekommen.
Elvis oder Beatles?
Die Beatles natürlich, weil sie ihre Sachen selber geschrieben haben. Elvis war eher so wie ich. Bei uns war es ja so, das es überhaupt nicht erlaubt war, selber zu schreiben. Das durften erst Liedermacher wie Reinhard Mey in den 70ern.
Haben sie immer noch Lampenfieber?
Jaja. Es kommt natürlich ganz drauf an: Trete ich mit einem neuen Programm auf oder mit etwas, das ich schon lange im Repertoire habe? Aber ein gewisses Lampenfieber baue ich mir immer auf. Das gehört dazu.
Ein gutes Schlusswort!

Wer ist denn jetzt hier das Sugar Baby?

Was Peter Kraus für die Skandalmusik der 50er war, ist der Duden für die Sprache: Ein richtungsweisendes Urgestein. Als ich gestrig dazu aufrief, mir bitte aktuelle Standrenovierungen zu melden, meldete Duden sich als erstes.

Und so sieht der neue Stand aus

Wir sehen hier das Offene und den Zusammenwuchs; die Wege wurden dem Schwarmverhalten des Besucherstromes angepasst, die Duden-Optik (gelb) löste die Brockhaus-Optik (blau) ab, die Werbemotive emotionalisieren die Marke Duden, und in der Mitte stehe der große Duden-Leuchtturm.

Leuchtturm?
Ich erkenne eine Stehlampe, wenn ich eine sehe

Ernährung

Zum Thema Nahrung habe ja noch gar nichts gesagt.

Erstens: Ich nehme endlich meine heißgeliebte Odenwälder Rindswurst bei Edition XXL zu mir. Viel Gespräch kommt (noch) nicht zustande, denn Stefan Richter hat dieser Tage mehr Arbeit als der Seitennummerierer bei Bernhard Hennen, aber immerhin erhalte ich Zehrung.

Man weist mich darauf hin, dass Würste hier nicht mehr im Topf dauergewässert werden, sondern im gastrofähigen Wursterwärmer, den man extra meinetwegen angeschafft habe. Wenn also das kulinarische Niveau dieser Messe steigt, so bin ich nicht ausschließlich Profiteur, sonden tatsächlich auch Mitverursacher.

Hat so ein Gerät auch einen Terminus Technicus?

Apropos Wursterwärmung: Im Regalsegment von tosa findet sich diese seltene Sammlung von Flensburger Sexbüchern aus den 80er Jahren!

Vielleicht sind die mal was wert!

Bei Dr. Oetker serviert Johann Lafer wieder seine Köstlichkeiten. Bestimmt wieder Ochsenbäckchen. Als ich Chefred von Zittwitz bat, sich für ein Foto zusammen mit Lafer zu positionieren, dachte ich mehr an etwas Vorzeigbares.

…aber die Ein-Mann-Hover-Hand-Polonaise ist auch schon sehr freundlich, vielen Dank.

Der beste Messe-Kaffee wird soweit serviert an einer winzigen Theke im Stand von Random House. Immer frisch gemahlen und immer frisch gebrüht. Die Marke war nicht herauszufinden, aber der Geschmack ist voll und rund und aaaah. Das sollte, ohne hochnäsig sein zu wollen, bei Big Playern aber auch der Standard sein. Dies zumindest zu versuchen. Dass renommierte Häuser wie dtv kannengewärmten Pumpkaffee servieren, macht mir Sorgen. Sowas führt dann am Ende schneller zum Fall der Preisbindung als man ahnt.

Es ist so leicht, das Richtige zu tun.

Aber das sind ja Themen, die einen abgeklärten Briten jenseits aller Preisbindungsgesetze ohnehin kaum rühren können. Der englische Schauspieler Rupert Everett war da, um sein filmisches Oscar-Wilde-Projekt zu bewerben. Er sah zwar etwas erschöpft aus, aber ich weiß nicht, ob das an seiner Erschöpfung lag oder am womöglichen Englisch des Moderators.

How this was?

Überhaupt noch nicht besucht hatte ich die Halle 4.0. Dort finden sich Börsenverein und Nonbook-Bereich. Im Nonbook-Bereich wollte ich zwei Dinge abgreifen: Zum einen habe ich mir ein Sigel-Notizbuch mit persönlicher Namens-Einprägung geholt!

Das wurde live zubereitet!
Jetzt kann ich es nur noch an Leute verschenken, die mit mir verwandt sind.

Dann wollte ich gerne so ein fantastisches Lentikular-Lesezeichen haben.

Hiefür weise ich auf den Verlag yesbox hin, der das Lentikularverfahren auf der Höhe seiner Zeit wieder unter die Leute bringt. Lentikular ist Wackelbild.
Als ich den Stand fotografieren wollte, ging gleich jeder aus dem Weg. Dabei will ich doch Menschen auf den Bildern haben, was aber wiederum die Menschen nicht wollten. Ich wusste nicht, dass Lentikular so kompliziert ist. Wir haben uns dann darauf geeinigt, dass jeder so tun dürfe, als sei er beschäftigt, damit auf dem Foto wenigstens was los ist.

Hier ist das Action-Foto:

Der Chef dreht sein Sortiment, und die Kollegin telefoniert sofort mit ihrem Joghurtbecher.

Na gut, das kriegen wir schon noch.

Und ich kriege jetzt endlich Feierabend. Auf dem Weg nach draußen stolpere ich aber in die Weihnachtsvorbereitungen vom Frech-Verlag. Dort hat man sich zwei strickende Skandinavier eingeladen, um zur Happy Hour mal was anderes anbieten zu können. Zu den Skandinaviern wird Fisch und Bier gereicht, damit ich nachher in der vollen U-Bahn auf jeden Fall einen Bannkreis um mich habe, der sogar Bartimäus imponieren würde.

Die sind doch nicht echt! Das sind doch Geheimagenten!

Gestrickt werden hier übrigens Julekuler für den Julekulerbaum:

Und in Leipzig häkeln wir dann das Låmäda dazu.

Nach meinem Abgreifen war es nun umgekehrt Dr. Michaela Naumann und ihre Kolleginnen von Everybody’s public, die mich abgreifen wollte für nicht weniger als drei Grimassenfotos. Drei!
Die braucht sie für ihr komisches Netzwerking und Zeugmaching.

Und die sollten sie kriegen. Grimassen sind nicht mein Problem.
Mein Problem ist, dass ich meinen Preis habe.
Für drei Fotos mit je einer Grimasse verlangte ich im Gegenzug ein einzelnes Foto mit drei Grimassen.

Ich will das mal gelten lassen, obwohl mein Gesicht viel blöder ist.

Ja, das ist die Messe. Manchmal ein großer Gleichmacher.
Ich wünsche Ihnen und mir einen zu bewältigenden Freitag und viel Kraft fürs Wochenende.

Ihr
Matthias Mayer

herrmayer@hotmail.com
www.herrmayer.com

Edda-Sammelbild Nummer 3 von 6: Der Reifriese Bergelmir
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