Beckmann kommtiert Eine dringend notwendige Reform im deutschen Buchhandel

Im deutschen Einzelhandel muss, wie das Statistische Bundesamt am 9. Januar bekannt gegeben hat, für 2007 mit einem Umsatzrückgang von 0,7 bis 1 Prozent gerechnet werden.

Da hätte man auch gern gewusst, wie der Buchhandel in Deutschland 2007 abgeschlossen hat. Doch nichts Genaues weiß man nicht.

Das Branchenmagazin Buchreport meldet, der deutsche Buchhandelsumsatz sei im vergangenen Jahr um 3 Prozent gestiegen. Laut Langendorfs Dienst sind es 2 Prozent. Der Börsenverein will seine entsprechende Ziffer am kommenden Mittwoch veröffentlichen; sie weicht meist von den beiden anderen ab, tendenziell nach oben; sollte es diesmal nicht so sein?

Da zwingt sich einem geradezu die Frage auf: Wie hoch ist das Buchhandelswachstum 2007 wirklich gewesen?

Das Statistische Bundesamt, dessen Zahlen als verlässlich gelten, kann uns hier nicht aus der Patsche helfen, weil es unter der relevanten Umsatzkategorie Bücher und Zeitschriften subsumiert.

Wäre es aber nicht ausreichend zu wissen, wäre es nicht entscheidend, dass das Pendel allemal positiv ausgeschlagen hat?

Ist es denn zweifelsfrei positiv ausgeschlagen? Schön wär’s. Nur ist davon keineswegs jeder fest überzeugt.

Natürlich: Auch eine „gefühlte“ positive Entwicklung hat etwas Positives. Sie gibt Anlass zu Hoffnung, sie macht Mut – und das ist gewiss hilfreich angesichts einer nicht zuletzt auch durch die Medien immer wieder angeheizten Untergangsstimmung, unter dem wachsenden Konkurrenzdruck der Neuen Medien befinde das Buch sich grundsätzlich auf einem absteigenden Ast. Doch von wie vielen Branchenteilnehmern wird die angeblich positive Entwicklung tatsächlich „gefühlt“?

In meinem Leitartikel der BuchMarkt-Januarausgabe habe ich betont, wie Recht der Vorsteher des Börsenvereins damit tut, wenn er positive Akzente hervorhebt. Gottfried Honnefelder hat in einem persönlichen Interview vor Jahresende auch darauf hingewiesen, dass „wir nach Jahren von Stagnation und Rückgang (2001 – 2004) im deutschen Buchhandel für 2007 zum dritten Mal eine leichte Steigerung verzeichnen können“. Es ist verständlich, er könnte kaum anders als sich dabei auf das Zahlenwerk des Börsenvereins zu stützen. Nur: Dürfen wir wirklich über drei Jahre eine Trendwende annehmen? Hat nicht der Buchreport für 2006 einen Rückgang des deutschen Buchhandelsumsatzes um 0,3 Prozent, hat Langendorfs Dienst nicht sogar ein Absacken von 1,9 Prozent konstatiert?

Hier soll keine Häme auf die Erhebungen des Börsenvereins abgeladen werden. Ob die Angaben des Buchreport letztendlich zutreffender sind, steht dahin; sie basieren schließlich nur auf Stichproben. Und die Daten von Langendorfs Dienst, die auf viele glaubwürdiger und realistischer wirken, gründen auf einer recht schmalen Erhebungsbasis.

Es geht hier um etwas anderes, viel wichtigeres. Der deutschen Buchbranche lässt sich nicht gerade ein gesundes Selbstbewusstsein nachsagen, ebenso wenig eine realistische Einschätzung ihrer Stärken und Schwächen. Beides wird in Zeiten eines rasanten Strukturwandels zudem erschwert.

Der deutsche Buchhandel ist jedoch in vielem besser und leistungsstärker, als er selbst glaubt, wie im Vergleich zu anderen Einzelhandelssparten, wie die gesellschaftliche, kulturelle und ökonomische Akzeptanz, wie die Nutzung und Wirkung seiner Produkte betreffend, die (meist sehr viel lauter für sich trommelnden) konkurrenzierenden Medien.

Die oben angeführten Zahlendifferenzen und -unsicherheiten geben Anlass für ein Plädoyer. Die deutsche Buchbranche, insbesondere der Börsenverein, sollte endlich alles daran setzen, dem bisherigen „Zahlenvodoo“ (Volker Hasenclever) ein Ende zu bereiten und eine solide, verlässliche Statistik aufzubauen. Schon allein, um ihrer selbst gewisser werden zu können. Um nach außen hin sicherer auftreten und konstruktiver agieren zu können. Es wäre zudem eine dringend nötige, gute Werbung für das Buch.

Gerhard Beckmann freut sich über Antworten an GHA-Beckmann@t-online.de

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