Beckmann kommtiert Eine mutige, zukunftsweisende Resolution des Sortimenterausschusses zur Erweiterung der (sinkenden) Mitgliedschaft im Börsenverein

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels ist ein ehrwürdiger Verband mit historischem Renommee. Wie groß es noch immer ist, lässt sich schon an drei Details ermessen. Er ist, als Veranstalter der bedeutendsten internationalen Buchmesse der Welt, ein unersetzlicher Faktor der kulturtragenden deutschen Außenpolitik. Er vergibt den deutschen Kulturpreis mit dem größten internationalen Standing: den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Und wenn sein Chef, mit dem Titel „Vorsteher“ beim Bundespräsidenten oder Bundeskanzler um einen Termin ersucht, wird die Bitte – was manch andere Prominenz aus der Wirtschaft vor Neid ergrünen macht – sozusagen postwendend erfüllt. (Letzteres soll jedenfalls bis vor gar nicht langer Zeit so gewesen sein.)

Nun hat der Börsenverein, wie manch andere historische Institutionen, mittlerweile mit einem Problem zu kämpfen, einem Schwund der Mitglieder; und solches Problem erfüllt ihn – wie beispielsweise auch die Kirchen – mit brennender Sorge; denn damit erodieren die Einnahmen aus Beitragszahlungen, vulgo, die wirtschaftliche Basis dörrt aus, mit drastischen Folgen, wie sie der Öffentlichkeit im Falle der Kirchen inzwischen bekannt sind.

Es ist deshalb höchst begrüßenswert, dass – bevor es hier ebenfalls so weit kommt – ein so zentrales Verbandsgremium wie der Sortimenteraussschuss sich auf seiner Herbstsitzung auch diesem Thema, das aktuell und in naher Zukunft von großer Bedeutung ist tatsächlich und resolut befasste.

Um den bisherigen, Besorgnis erregenden Trend zu wenden, befürwortet er also „die Einrichtung einer Mitgliedschaft für branchennahe Dienstleister“. Mehr noch: Er geht so weit, hier geht es ans Eingemachte, eine dazu notwendige Satzungsänderung vorzuschlagen, damit „z.B. Betriebsberater, PR-Agenturen, Druckereien oder Software-Firmen in Zukunft Leistungen des Börsenvereins gegen Mitgliedsgebühr in Anspruch nehmen können“, wie es im SoA-Newsletter vom 16. November heißt.

Das ist revolutionär. Wie revolutionär diese Resolution ist, wird aus zwei restriktiven Punkten ersichtlich: „Mitglieder aus dem Dienstleistungsbereich haben kein Wahlrecht und erhalten keine buchhändlerische Verkehrsnummer.“

Betriebsberater etc. werden somit, folgt man dem SoA, Beiträge zahlen, nicht aber darüber mitbestimmen dürfen, was der Börsenverein treibt. Und wie empfindlich die Einschränkung für Betriebsberater, PR-Agenturen, Druckereien oder Software-Firmen ist, vermag wohl nur der nachzuvollziehen, der zumindest davon gehört hat, wie zentral Wahlentscheidungen der Mitglieder für die Strategie wie die konkreten Maßnahmen dieser mustergültig demokratisch operierenden Standesorganisation sind. (Man denke nur einmal an die alle drei Jahre anstehende Wahl des Börsenvereinsvorstandes.)

Man wird jedoch davon ausgehen dürfen, dass die Betriebsberater, PR-Agenturen etc diese bittere Pille schlucken werden. Dafür ist der potentielle Image-Gewinn einfach zu groß. Hier sei nur auf eins hingewiesen: Künftig würde sogar ein Drucker bzw. Software-Produzent seinen Briefkopf und seine Visitenkarte mit dem Zusatz schmücken können: „Mitglied des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels“. Ein Drucker mag dann sogar berechtigt sein, sich „Buchhändler“, ein Software-Programmierer, sich „Verleger“ zu nennen.

Weil also zu erwarten steht, dass Tausende von Betriebsberatungs-, PR-,. Druckerei- und Software-Firmen in den Börsenverein drängen, kann dem Sortimenterausschuss gar nicht hoch genug angerechnet werden, dass er die damit verbundenen Gefahren frühzeitig erkannt und ein probates Mittel zu ihrer Eindämmung entwickelt hat; er hat seiner konstruktiven Empfehlung sozusagen von vornherein den potentiellen Giftzahn gezogen.

Denn es gäbe Anlass zur Sorge, dass sonst der Börsenverein überfremdet worden wäre; dass alle für die historische Branche zukunftsweisenden Strategien und Projekte abgeblockt werden könnten, wenn die Buchhändler und Verleger gegenüber Betriebsberatern, PR-Agenten, Druckern und Software-Ingenieuren nur mehr eine Minderheit bildeten. Ja, es wäre nicht auszuschließen gewesen, dass der für seine Einmütigkeit und Solidarität berühmte Stand des Verlagsbuchhändlers die historische Durchschlagskraft seiner Einheitsfront verloren hätte; dass der Verband sich durch Sonderinteressen in fragwürdige Mehr- und Minderheiten aufsplittern würde.

In ähnliche, wenngleich andere Richtung geht die zweite Einschränkung, um sich der möglichen Folgen der zu erwartenden Beitrittswelle von unbotmäßigen „Immigranten“ zu erwehren, insofern der Sortimenterausschuss sie nämlich sozusagen intern ausschließen will, und zwar dadurch, dass ihnen keine buchhändlerische Verkehrsnummer zugeteilt wird. An dieser Stelle kann nicht auf das (in wie außer sich höchst komplizierte) Nummernkomplexwerk des buchhändlerischen Verkehrs eingegangen werden; dazu wären außerdem Einlassungen zu hochtechnologischen modernen Handelsverkehrsstandards vonnöten, wie etwa Onix-Regelwerk, European ARTICLE Number Systems,. ILN, mit denen das westliche Ausland sich vom deutschen Binnenmeer abgekoppelt hat: eine langweilige, schwierige Materie; eine heikle Materie auch, falls zutreffen sollte, was böse Zungen behaupten, dass nämlich die Herrschaften im Börsenverein nebst seiner Wirtschaftstöchter unter dem Dach der MVB mit ihr nicht hinlänglich vertraut sind; eine gefährliche Chose schließlich, weil bei Lesern der Eindruck entstehen könnte, das Regularium unseres buchhändlerischen Binnenverkehrs sei hoffnungslos out of dateund geschäftsfeindlich. Der Börsenverein hat es ohnehin schwer genug.

Eine Zuteilung von Verkehrsnummern an Betriebsberater etc. verbietet sich schon von selbst, hat doch von den rund 16.000 im VLB verzeichneten Verlagen gerade mal eine Minderheit von zirka 2.000 Verlagen selbst eine Verkehrsnummer. Da würden Verkehrsnummern für Betriebsberater etc doch die geschäftliche Kommunikation der Buchindustrie total überfremden. Man nehme nur einmal die heutige Situation auf den deutschen Autobahnen mit ihrer Überbeanspruchung durch Fremdverkehr als Beispiel.

Der Sortimenterausschuss hat also mit seiner Resolution und Empfehlung in jeder Hinsicht Weisheit bewiesen, wenn er die Zukunftssicherung der wirtschaftlichen Basis unseres historischen Verbandes mit dem zentralen Vorbehalt versieht: Sie darf keinesfalls den Vorstellungen der traditionellen Mitglieder des Börsenvereins zuwiderlaufen oder ihnen gar Mühe bereiten.

Gerhard Beckmann freut sich über Antworten an GHA-Beckmann@t-online.de

Weitere Beiträge der Kolumne „Beckmann kommentiert“ finden Sie im Archiv unter dem Stichwort: „beckkomm“.

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