Beckmann kommtiert Es gibt richtungsweisende Titel, die Sortimenter und Verleger unbedingt lesen sollten , weil sie damit dann in ihrem politischen und gesellschaftlichen Umfeld selber erfolgreich Politik für die Zukunft des Buches machen können

Es sieht ganz so aus, als ob all zu viele Verleger und Sortimenter den Glauben an die eigene Zukunft verloren haben. Angesichts des anscheinend unaufhaltsamen Vormarsches von IT-Konzernen wie Amazon, Facebook, Google oder Microsoft geben sie sich, ihr angestammtes Geschäftsfeld und ihre über Jahrhunderte gewachsene gesellschaftliche Aufgabe und Stellung offenbar auf. Und, ja, die Lage ist zweifellos ernst. Nicht nur für sie, sondern – das darf nie vergessen werden – auch für die Autoren und für die Leser.

Es gibt neuerdings aber laufen Anzeichen dafür, dass die Lage, so ernst sie momentan auch sein und scheinen mag, mitnichten hoffnungslos ist. Statt schon die Segel zu streichen oder auf – noch überaus allgemein skizzierte, vage – neue Branchenstrategien zu bauen, die ein bloßes Spiegelbild von Ideen und Vorgaben der IT-Welt sind, sollten Buchhändler und Verleger also wieder Mut schöpfen.

Dass ein einzelner Verlag, oder gar ein vereinzelter Sortimenter keine Chance hat, aktiv gegen Amazon vorzugehen, ist allen klar. Dass man – aus wettbewerbsrechtlichen Gründen, die der Online-Konzern sofort einklagen würde – nicht als Konsortium gegen Amazon angehen kann, ist allen Verlagen bewusst. Dazu bedarf es der Politik. Allein der Gesetzgeber vermag die Rahmenbedingungen neu zu definieren und zu kontrollieren, die Amazon und seinesgleichen so einhegen, dass sie nicht mehr alles Bestehende einfach niederwalzen können.

Denn diese Konzerne sind ja auch keineswegs, bloß dank der Unwiderstehlichkeit ihrer neuen technologischen Mittel, nur dank selbsteigener geschäftlicher Tüchtigkeit so unglaublich reich und mächtig geworden. Das schier unvorstellbare Tempo, mit dem sie sich in den USA, in Europa und weltweit binnen kürzester Zeit durchgesetzt haben, resultiert nicht zuletzt von den Riesenstäben aus 1-A-Wirtschaftsjuristen, die im Buchstabengeflecht der existierenden staatlichen und internationalen Regelwerken immer neue Lücken und Löcher aufspürten, welche von diesen Konzernen dann skrupellos ausgenutzt wurden (z.B. um die Steuern zu vermeiden, die ihre traditionellen Konkurrenten natürlich zu zahlen hatten.)

Nun hat sich, was die Hoffnung auf Politiker betrifft, mittlerweile eine große Skepsis breit gemacht – vor allem, wenn’s Dinge betrifft, die mit Kultur zu tun haben. Und so hat denn die Schriftstellerin Sibylle Berg in einer ihrer viel gelesenen Kolumnen auf Spiegel Online die Verleger und Sortimenter gleich gewarnt: „Und merkt euch eins: Die Politik wird die Buchbranche nicht retten.“

Sibylle Berg pflegt einen oft schnoddrig frechen, direkten Ton. Es trägt viel dazu bei, dass ihre Kolumnen so erfolgreich sind. Es löst allerdings auch viele hämische Reaktionen aus. Oft zu Unrecht. Denn sie trifft – und darin besteht wohl der Hauptgrund für ihre weite Leserschaft -, fast immer einen Nerv. Auch mit ihrer oben zitierten Mahnung trifft sie haargenau einen wunden Punkt. Denn wenn Verleger und Sortimenter oder auch der Börsenverein sich mit der Forderung an die offizielle Öffentlichkeit wenden, die Politik müsse ihre Branche retten, sind sie nicht besser dran als der Hund, der in stiller, sternklarer Nacht auf weitem Feld herzerweichend und laut den Mond anbellt. Um die Mahnung Sibylle Bergs an die Kollegen in unserer Branche in der Tonart ihrer Spiegel-Kolumne – sinngemäß – auszuspinnen: Wenn ihr die Politik um Mitleid und Erbarmen für eure durch Amazon und Konsorten gefährdete Existenz anbettelt, könnt ihr’s vergessen. Der Politik seid ihr doch völlig egal. Und Sibylle Berg ist eine kluge Frau, auf die man hören sollte.

Buchhändler und Verleger sollten darum gut darüber nachdenken, WAS sie stattdessen tun könnten. Denn es ist wichtig, dass sie etwas tun. Und es GIBT Möglichkeiten. Denn Amazon hat seine rasant wachsende Monopolstellung nur erreichen können, weil er gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen ausnutzen konnte, die aus Zeiten vor der IT-Technologie, vor Hedge-Fond- Börsenstrategien und vor der heutigen Art globaler Konzerne stammt – sie sind total überholt und veraltet. Das wäre Politikern – zumindest auf einen ersten, vielleicht all zu langen Blick – ziemlich egal, wenn es bloß um Verleger und Buchhändler, bzw. um Autoren, „Literatur“ und das Bildungsbürgertum ginge. Geht es aber eben nicht. Falls die Politik die gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht ändert, werden Konzerne wie Amazon,
Facebook, Google und Microsoft in ihren Omnipotenz-Allüren und Allmachtsphantasien ganze Gesellschafts- und Sozialstrukturen aushebeln – nicht nur in Deutschland oder Europa, sondern noch verheerender in den USA selbst, wo diese Konzerne sitzen und ihr destruktives Handeln immer zuerst praktizieren. Es geht hier nicht (nur) ums Buch. Es geht ums Ganze.
Und das wird Politiker zum Handeln zwingen.

Genau das wird Politikern allerorten nun langsam doch bewusst. Der gesellschaftliche und politische Blick beginnt sich zu ändern. Markus Hatzer – Chef der Buchhandlung und des Verlages Haymon in Innsbruck – hat es jüngst ausgesprochen: In den letzten Jahren „haben wir uns noch in einem relativ frühen Stadium der Entwicklung im Internetzeitalters befunden . In einer Art gesetzlosem Zustand, in dem Einzelne vorpreschen konnten und traditionelle Unternehmen wie gelähmt zusahen. Aber dass wird sich mit der Zeit wieder verschieben.“

In den nächsten Kolumnen werde ich Titel vorstellen, die erklären, wie und warum solcher Wandel eingesetzt hat – und wo es noch hakt . Sie werden das öffentliche Bewusstsein verändern – je mehr, wenn Buchhändler diese Bücher nicht nur verkaufen, sondern auch
selber lesen und in ihrem eigenen Umkreis selber mit ihnen arbeiten.

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