Kaffeehaussitzers Netzrückblick Fundstücke aus den Literaturblogs – Januar 2022

Uwe Kalkowski

Der erste Monat des neuen Jahres ist schon wieder vorbei, faszinierend, wie die Zeit vergeht. Doch auch in den letzten vier Wochen bin ich beim Stöbern in der Welt der Literaturblogs auf viele lesenswerte Texte gestoßen; einige davon stelle ich hier vor. Wie immer kann diese Kolumne nur an der Oberfläche der vielfältigen Buchblogszene kratzen und wie immer ist sie als Einladung zu verstehen, darin einzutauchen und sich weiter umzusehen.

Beginnen möchte ich mit Loppa vom Spiegel. Hinter diesem Namen, der klingt wie aus einem historischen Roman, verbirgt sich eine Buchillustratorin, die um das Jahr 1350 wirkte. Dem Kölner Museum Schnütgen ist es zu verdanken, dass sie durch die Ausstellung »Von Frauenhand« dem Vergessen entrissen wurde. Sie und andere Künstlerinnen des Mittelalters, denn das Kopieren und Gestalten der Bücher jener Zeit war keineswegs nur Männerarbeit. Zu sehen waren seltene mittelalterliche Handschriften und es hat mich sehr beeindruckt, vor sechs-, siebenhundert Jahren alten Büchern zu stehen, deren Farben immer noch Leuchtkraft haben. Im Blog Bücheratlas stellen Martin Oehlen und Petra Pluwatsch den Katalog zur Ausstellung vor.

Auf ihrem Blog LiteraturReich schreibt Petra Reich über ihr Lesejahr 2021. Eine schöne und persönliche Titelzusammenstellung, die auch für das kommende Jahr tolle Leseanregungen gibt – denn gute Literatur ist nicht an Erscheinungstermine gebunden.

Ein Besuch beim Blog Kulturgeschwätz lohnt sich immer. Zum Start des neuen Jahres hat Bloggerin Katharina Herrmann eine Liste von runden Jubiläen zusammengestellt. Es sind bekannte Autorinnen und Autoren darunter, aber auch Namen, die zu Unrecht im Dunkel der Geschichte verschwunden sind. Meistens Frauen – umso wichtiger sind Texte wie dieser.

Als im Januar der Roman »Im Paradies« von Hanya Yanagihara erschien, wurde meine Timeline geflutet mit Buchvorstellungen und Rezensionen. So ganz konnte und kann ich den Hype nicht verstehen, denn schon »Ein wenig Leben« hatte mich – trotz einiger starker Stellen – nicht überzeugt. Daher fand ich es umso interessanter, auch erste kritische Stimmen zu »Im Paradies« zu lesen, etwa die ausführliche Besprechung im Blog girl.with.the.bookshelves.

Auch »Allein« von Daniel Schreiber war in den letzten Monaten sehr präsent. Und das ist kein Wunder; Marit Blossey bringt es im Blog Litaffin auf den Punkt: »Daniel Schreiber hat mit ›Allein‹ ein Buch geschrieben, das genau zur richtigen Zeit kommt – dabei ist es kein Corona-Buch.« 

Stichwort Corona in der Literatur: Auf Twitter habe ich eine kleine Umfrage gestartet und die Ergebnisse als Beitrag in meinem Blog Kaffeehaussitzer vorgestellt.

Die beiden Autorinnen Gudrun Lerchbaum und Ellen Dunne sind befreundet und von beiden erscheint nun ein Buch im Haymon Verlag: »Das giftige Glück« von Gudrun Lerchbaum am 11. Januar 2022 und »Boom Town Blues« von Ellen Dunne am 22. Februar. Im Blog Bücherkaffee gibt es ein Doppelinterview mit den beiden.

Am 30. Januar vor 89 Jahren wurde Hitler zum Reichskanzler ernannt und der Weg in den Abgrund eines Zivilisationsbruches ohnegleichen begann. Nur wenige Monate nach der Machtübernahme erschien seinerzeit der Roman »Der Kopflohn« von Anna Seghers. Darin geht es um die Auswirkungen der Reichstagswahl, um die erst schleichende, dann immer dynamischere Übernahme der Macht durch die Nazis – das alles am Beispiel eines fiktiven Dorfes. Im Literaturblog Zeichen & Zeiten stellt Constanze Matthes das Buch vor. Große Leseempfehlung.

Im noch recht neuen Blog Horatio-Bücher bin ich auf eine Besprechung von Hari Kunzrus »White Tears« gestoßen. Was mich sehr gefreut hat, denn dieser Roman gehört für mich zu den außergewöhnlichsten und besten Büchern der letzten Jahre.

Im Blog buchpost stellt Anna K. das 1981 erschienene Buch »Überleben« der Schweizer Autorin Margrit Bauer vor. Eine Autorin, die zwar erst 2017 gestorben ist, doch zu der es heute kaum noch Informationen gibt. Ihre Bücher sind – wenn überhaupt – nur noch antiquarisch erhältlich; Zeit für eine Wiederentdeckung. Die zitierten Textauszüge machen jedenfalls sehr neugierig.

Gabriela Wendt bespricht in ihrem Buchperlenblog »Der eisige Schlaf« von Owen Beattie und John Geiger – ein packend geschriebenes Sachbuch über Sir John Franklins 1845 katastrophal gescheiterte Polarexpedition.

J.A. Geißler schreibt auf Jargs Blog begeistert über das herausragend gestaltete Sachbuch »Das Museum des Meeres«, das Kinder ebenso anspricht wie Erwachsene.

Die Buchbloggerin Friederike Kipar gibt einen Ausblick auf die Jugendbuch-Neuerscheinungen, auf die sie sich im Frühjahr 2022 am meisten freut.

Neu entdeckt habe ich den Blog Zeitfäden. Er hat sich auf historische Romane spezialisiert, ein Genre, bei dem es nicht einfach ist, die Spreu vom Weizen zu trennen. Doch das scheint hier gut zu gelingen, denn der Ausblick auf das Frühjahr 2022 klingt vielversprechend.

Und schließen möchte ich mit dem Bericht vom Ende einer Suche. Denn seit über einem Jahr habe ich intensiv einem vergriffenen Buch hinterherrecherchiert – völlig ergebnislos; so, als habe es nie existiert. Bis vor ein paar Tagen ein Überraschungspäckchen die Suche beendete. Auf Kaffeehaussitzer habe ich die Geschichte dazu aufgeschrieben.

Das war es für diesen Monat; ich wünsche viel Spaß beim Stöbern in den Literaturblogs. Wir lesen uns.

Bis dahin: Passen Sie auf sich auf.

Uwe Kalkowski ist seit über 25 Jahren in der Buchbranche tätig und kennt sie aus unterschiedlichen Perspektiven: Als Buchhändler, als Absolvent des Studiengangs Verlagswirtschaft in Leipzig und als Mitarbeiter verschiedener Verlage. Seit August 2019 arbeitet er als Produktmanager für den Eichborn Verlag in Köln. In seinem Blog Kaffeehaussitzer schreibt er über Bücher, Literatur und Leseerlebnisse und stellt in der monatlichen Kolumne »Kaffeehaussitzers Netzrückblick«auf buchmarkt.de lesenswerte Fundstücke aus den unterschiedlichsten Literaturblogs vor. »Vollkommen subjektiv, handverlesen und rein persönlich ausgewählt – ohne Anspruch auf Vollständigkeit, denn eine solche kann es in einer so vielschichtigen Szene gar nicht geben«, wie er sagt.

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