Kaffeehaussitzers Netzrückblick Fundstücke aus den Literaturblogs – Mai 2023

Uwe Kalkowski

Beim Flanieren durch die bunte Welt der Literaturblogs bin ich auch in diesem Mai wieder auf etliche spannende Fundstücke gestoßen, die hier als Leseanregung vorgestellt werden – und natürlich als Anregung, sich selbst zu einem Blogbummel aufzumachen. Es gibt viel zu entdecken.

Im Gemeinschaftsblog We Read Indie gibt es eine wunderbare Besprechung des Buches »Unser Deutschlandmärchen« von Dinçer Güçyeter, der für diesen Roman – wobei dieser Begriff das Werk nur unzutreffend beschreibt – den Preis der Leipziger Buchmesse 2023 erhalten hat. Erschienen ist das Buch im Mikrotext Verlag, daher passt diese Blogempfehlung gleich doppelt gut, denn auf We Read Indie werden ausschließlich Bücher aus unabhängigen Verlagen rezensiert.

Bei dieser Gelegenheit sei auch der schöne Rückblick auf die Leipziger Buchmesse 2023 im Blog glasperlenspiel13 empfohlen. Und bei mir im Blog Kaffeehaussitzer gibt es einen Bericht über die – von mir mitveranstaltete – Leipziger Wohnzimmerlesung, die dieses Jahr endlich wieder stattfinden konnte. Zu Gast war der Autor Stefan Ineichen mit seinem bei Wagenbach erschienenen Buch »Principessa Mafalda«.

In seinem Blog Lector in fabula stellt Julian Zündorf vier »Maximalist Novels« über den Zweiten Weltkrieg und die Shoah vor, die selbst schon (Literatur)Geschichte geschrieben haben. Es handelt sich um »Stalingrad« von Wassili Grossman, um »Die Enden der Parabel« von Thomas Pynchon, um »Die Wohlgesinnten« von Jonathan Littell und um »Europe Central« von William T. Vollmann. Ein spannender Blogbeitrag und eine große Leseempfehlung.

Die Bloggerinnen Sarah Reul (pinkfisch.net) und Alexandra Koch (Readpackblog) hatten sich zu einem Interview mit der in Los Angeles lebenden Autorin Gabrielle Zevin getroffen, als sie auf Lesereise in Deutschland war. Herausgekommen ist dabei ein wunderbares Gespräch über das Schreiben, über Kreativität, über Literatur und Gaming, über das Leben und natürlich über die vielen Facetten von Gabrielle Zevins Roman »Morgen, morgen und wieder morgen«.

»Was ist eigentlich ein Klischee? Und warum funktionieren sie manchmal, und manchmal eben nicht?« Um diese Fragen und noch einige mehr geht es in einem Blogbeitrag auf read eat live.

Apropos Fragen: Im letzten Netzrückblick hatte ich die 15 Bücherfragen aus dem Blog Wissenstagebuch vorgestellt. Diese Fragen sind als Einladung zum Mitmachen zu verstehen und so habe ich sie mir geschnappt und in meinem Blog Kaffeehaussitzer ebenfalls beantwortet. Es hat großen Spaß gemacht, darüber nachzudenken, in welchem Buch man leben möchte oder welches Buch außer einem selbst gefühlt alle anderen gemocht haben.

Joy Williams ist eine US-amerikanische Autorin, fast 80-jährig und bewundert von Lauren Groff, Don DeLillo, Raymond Carver und vielen anderen Schreibenden. Im deutschsprachigen Raum war sie bisher kaum bekannt, was sich nun zu ändern beginnt. Birgit Böllinger stellt in ihrem Blog (früher bekannt unter dem Namen Sätze & Schätze) den Band mit Short Stories vor, der 2023 in der Übersetzung von Brigitte Jakobeit und Melanie Walz bei dtv erschienen ist.

Am 1. Juni wird der Deutsche Sachbuchpreis 2023 verliehen. Einer der nominierten Titel ist »Über Israel reden« von Meron Mendel, der im Blog Poesierausch besprochen wird. Poesierausch gehört zu den Literaturblogs, die  den Sachbuchpreis begleiten.

Ein sehr interessantes Listenprojekt gibt es im Blog Denkzeiten. Bloggerin Sandra von Siebenthal hat damit begonnen, Biographien vorzustellen, die sie mochte. Und zwar alphabetisch nach Namen sortiert: Im ersten Beitrag dazu geht es um elf Biographien mit dem Buchstaben A, im zweiten um zwölf mit dem Buchstaben B – bis Z wird da einiges zusammenkommen, ich bin schon sehr gespannt.

In ihrem Blog Emerald Notes nimmt uns Elena Wiest mit zu einem Autritt des Autors Benedict Wells, der gerade mit seiner Hard-Land-Lesereise in die zweite Runde gegangen ist; er tourt wieder gemeinsam mit dem Musiker Jakob Brass. Ein schöner Blogbeitrag, der einem das Gefühl vermittelt, selbst dabeigewesen zu sein.

Jedes Mal, wenn ich in einem Literaturblog auf die Besprechung eines Klassikers stoße, freue ich mich, denn dies setzt dem viel zu schnelllebigen Buchmarkt etwas entgegen. Im Mai wurde ich im Blog Miss Booleana fündig, in dem Bloggerin Stefanie Höfig »Mansfield Park« von Jane Austen rezensiert.

Im Blog Nur Lesen ist schöner schreibt Stephanie Sack über die neueste Folge der Glockenbachwelle, ein Podcast-Gemeinschaftsprojekt zwischen ihr und Pamela Scholz von der Glockenbach-Buchhandlung in München. Diesmal geht es um Kinderbücher und zu Gast sind Verlegerin Anna Kindermann sowie Journalistin und Autorin Christine Schulz-Reiss.

Eine der spannendsten Neuerscheinungen in diesem Jahr ist für mich der Roman »Fünf Winter« von James Kestrel. Auch im Blog Kaliber .17 gibt es eine begeisterte Rezension zu diesem grandiosen Buch.

Sehr lesenswert ist der Text über Ernst Tollers »Eine Jugend in Deutschland« im Blog von David A. Lindsam. Darin wird auch ein Satz Tollers zitiert, den ich schon öfters gelesen habe, der aber  jedes Mal unter die Haut geht und dessen Verneinung jeglichen nationalistischen Denkens zeitloser ist denn je: »Eine jüdische Mutter hat mich geboren, Deutschland hat mich genährt, Europa mich gebildet, meine Heimat ist die Erde, die Welt mein Vaterland!«

Eliane Fischer stellt in ihrem Blog Mint & Malve das Buch »Afrika ist kein Land« von Jennifer McCann vor; ein Werk, das die Vielfalt dieses Kontinents abbildet und den eurozentrischen Blick sowie das Vermächtnis der Kolonialzeit kritisch hinterfragt.

Und zum Abschluss geht es einen  Abstecher zum Blog Bücher wie Sterne mit einem Beitrag über den Umgang mit Büchern. Und über die ganz persönlichen Marotten dabei.

Das war er wieder, der Bummel durch die Literaturblogs, der wie üblich nur an der Oberfläche dieser vielfältigen Bloglandschaft kratzen kann. Ich wünsche viel Spaß beim Lesen und Entdecken.

Uwe Kalkowski ist seit über 25 Jahren in der Buchbranche tätig und kennt sie aus unterschiedlichen Perspektiven: Als Buchhändler, als Absolvent des Studiengangs Verlagswirtschaft in Leipzig und als Mitarbeiter verschiedener Verlage. Seit August 2019 arbeitet er als Produktmanager für den Eichborn Verlag in Köln. In seinem Blog Kaffeehaussitzer schreibt er über Bücher, Literatur und Leseerlebnisse und stellt in der monatlichen Kolumne »Kaffeehaussitzers Netzrückblick« auf buchmarkt.de lesenswerte Fundstücke aus den unterschiedlichsten Literaturblogs vor. »Vollkommen subjektiv, handverlesen und rein persönlich ausgewählt – ohne Anspruch auf Vollständigkeit, denn eine solche kann es in einer so vielschichtigen Szene gar nicht geben«, wie er sagt.

Kommentare (1)
  1. Vielen herzlichen Dank für die ganzen wundervollen Tipps, Uwe Kalkowski!
    Jetzt werde ich im Kaffeehaus wohl übernachten – wie einst Karl Valentin im Café Voilà – und all den interessanten Fährten folgen. Ein wahrer Link-Schatz!

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