Kaffeehaussitzers Netzrückblick Fundstücke aus den Literaturblogs – Oktober 2017

Der Kaffeehaussitzer in seiner natürlichen Umgebung Foto: © Vera Prinz

Oktober. Buchmessemonat. Dieses Mal ist es aber anders, denn auch in den Literaturblogs beherrschen die unsäglichen Ereignisse rund um den Messeauftritt dreier Kleinverlage die obligatorischen Messerückblicke. Beispielhaft genannt sei an dieser Stelle der Beitrag der Bücherkrähe, die darin Klartext redet. Und damit einen Nerv trifft, wie die zahlreichen Kommenatare unter dem Beitrag zeigen. Ebenso lesenswert dazu fand ich den Text von Julia Schönborn auf ihrem Blog fisch+fleisch.

Nun ist die Buchmesse schon immer ein Spiegel der Debatten in unserer Gesellschaft gewesen. So ist es kein Wunder, das sich Themen, über die seit Monaten erbittert in der Medienlandschaft gestritten wird, auch in Frankfurt wiederfinden. Schade dabei ist, dass das sonstige Messegeschehen mit all seinen unterschiedlichen Akteuren, seinen Gesprächen, Diskussionen, Geschäften und Feiern dadurch so in den Hintergrund gerückt ist. Einen sehr lesenswerten Beitrag zur Messe gibt es im Blog Buch-Haltung: Blogger Marius Müller zieht unter dem Titel „Mehr Politik wagen“ ein Resümee über die Autoren aus dem Gastland Frankreich und bewundert dabei, wie sehr sich diese mit ihren Texten in die Tagespolitik einmischen. Er wünscht sehr, dass sich auch in Deutschland mehr Autoren den übergreifenden gesellschaftlichen Themen widmen würden, ein Wunsch, dem ich mich anschließe.

Wie jedes Jahr wurde im Oktober bekanntgeben, wer den Literatur-Nobelpreis erhält. Nach dem nuschelnden Folksänger des letzten Jahres hat es dieses Mal einen würdigeren Kandidaten getroffen. Die Buchbloggerin nahm dies als Anlass, Kazuo Ishiguro auf eine sehr persönliche Art und Weise vorzustellen.

Die Welt der Buchblogs ist in stetem Wandel und seit einiger Zeit wird in der Szene – oder vielmehr in manchen Unterszenen – über das Thema Monetarisierung diskutiert. Ich persönlich finde solche Dinge wie Mediakits, gesponsorte Beiträge etc. reichlich überflüssig, da meiner Meinung nach der Blog an sich eine einzigartige Visitenkarte im Netz darstellt, die man nicht verwässern sollte. Wie gesagt, das ist meine persönliche Meinung, aber umso mehr habe ich mich über den Beitrag auf Papiergeflüster gefreut, in dem Simone Stratil – eine Buchbloggerin, die schon viel länger dabei ist, als die meisten anderen – laut über diese Entwicklungen nachdenkt.

Der Deutsche Buchpreis ging dieses Jahr an Robert Menasse. Die Blogs novelero, BücherwurmlochPinkfischnovelieren, Frank O. Rudkoffsky sowie der YouTube-Kanal BuchGeschichten haben das gesamte Prozedere mit zahlreichen lesenswerten Beiträgen begleitet. Auf dem offiziellen Kanal Deutscher Buchpreis Blog sind sie alle gesammelt.

Es gehen in die nächste Runde: Der Blogbuster-Preis 2018 und der Bloggerpreis Das Debüt, der vom gleichnamigen Blog ausgelobt wird. Der Unterschied ist, dass Blogbuster ein unveröffentlichtes Manuskript sucht und dieses mit einem Verlagsvertrag prämiert, während Das Debüt ein bereits in einem Verlag erschienenes Erstlingswerk auszeichnet. Bei Blogbuster ist dieses Mal Kein & Aber mit an Bord, letztes Jahr war es Klett-Cotta/Tropen, wo jetzt als Siegertitel der sehr lesenswerte Roman „Wer ist B. Traven?“ von Torsten Seifert erschienen ist. Blogbuster-Initiator Tobias Nazemi freut sich in seinem Blog buchrevier zu Recht über das gelungene Ergebnis. Und Marc Richter gibt in seinem Blog Lesen macht glücklich einen Einblick in die Juryarbeit zu Das Debüt.

Auch der Bayerische Buchpreis hat dieses Jahr eine offizielle Blogger-Begleitung erhalten: Birgit Böllinger von Sätze & Schätze, Katharina Herrmann von 54books und Marius Müller von Buch-Haltung begleiten den Preis im Netz. Dabei sind einige lesenswerte Beiträge zusammengekommen.

Noch einmal 54books: Der von Tilman Winterling gegründete Blog wird inzwischen von einem ganzen Redaktionsteam betrieben. Inzwischen sind fünf Personen daran beteiligt. Ich finde diese Entwicklung deshalb erwähnenswert, weil es ein Schritt hin zu einem Online-Magazin ist – und damit zu noch mehr Vielfalt in der Literaturwelt. Bei dieser Gelegenheit sei auch auf die dort erscheinende Beitragsreihe von Katharina Herrmann aufmerksam gemacht, die sich mit Autorinnen in der Literaturgeschichte beschäftigt. Im ersten Beitrag dazu geht es um Luise Adelgunde Victorie Gottsched. Genau, Gottsched. Ihren Mann kennt man noch. Seit diesem Text kenne ich auch sie.

Einen wehmütigen Nachruf gibt es auf lustauflesen.de. Einen Nachruf auf die Rowohlt-Monographien, die nach vielen Jahren still und leise von uns gegangen sind.

Im Blog notizhefte stellt Norman Weiß das Buch „Der ausgewanderte Autor“ vor – ein spannendes Werk des chinesischen Exilanten Ha Jin über die Suche nach der eigenen Sprache.

Blogger Ilja Regier war in Moskau auf literarischer Spurensuche und schreibt auf seinem Blog Muromez darüber. Schöner Text! Und viele Photos gibt es auch.

Zwei Blogs möchte ich vorstellen, die ich neu entdeckt habe und die mir sehr gut gefallen: Ein eigenes Zimmer bietet eine sehr interessante Literaturauswahl und ist eine wahre Fundgrube engagierter und persönlicher Texte. Travel Without Moving hat ein schönes Grundkonzept: Jeden Monat gibt es einen Länderschwerpunkt zu dem ausgewählte Bücher vorgestellt werden. Ein Horizontwerweiterung im wahrsten Sinne des Wortes.

Die Woche unabhängiger Buchhandlungen beginnt am 4. November. Silvia Walter vom Blog Leckere Kekse hat Buchhändlerin Dorothee Junck interviewt, eine der Organisatorinnen der WuB. Und dazu gibt es auf Leckere Kekse die Aktion „Meine Lieblingsbuchhandlung“, bei der Beiträge gesammelt werden, um die Vielfalt der Buchhandlungen in Deutschland darzustellen.

In diesem Sinne: Der Bücherherbst kann kommen.

Uwe Kalkowski ist seit vielen Jahren in der Buchbranche tätig und kennt sie aus unterschiedlichen Perspektiven: Als Buchhändler in großen und winzigen Buchhandlungen, als Absolvent des Studiengangs Verlagswirtschaft in Leipzig und als Marketingmensch in verschiedenen Fachverlagen; seit 2009 ist er Marketingleiter des RWS Verlags in Köln. Als Kaffeehaussitzer bloggt er über Bücher, Literatur und Leseerlebnisse. In der Kolumne Kaffeehaussitzers Netzrückblick gibt er hier auf buchmarkt.de regelmäßig eine Übersicht über lesenswerte Fundstücke aus den Literaturblogs. „Vollkommen subjektiv, handverlesen und rein persönlich ausgewählt ohne Anspruch auf Vollständigkeit, denn eine solche kann es in einer so vielschichtigen Szene gar nicht geben“, wie er sagt.

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