Geheimnisse eines Agenten Geheimnisse eines Agenten Teil 7: „Jagd auf Dr. No“

An dieser Stelle schreibt Literaturagent und Autor Thomas Montasser regelmäßig über die Absonderlichkeiten des Literaturbetriebs – heute um die Preisentwicklung bei Büchern. 

Thomas Montasser: „Wir alle sehen, dass uns die Kosten davonlaufen. Papier ist der neue Goldstandard, bald wird man Währungen an den Materialwert von Banknoten koppeln müssen!“

Agenten haben ja generell etwas Rätselhaftes. In diesen Tagen gefällt sich der Autor dieser Kolumne darin, Verlagsleuten im Gespräch ein kleines Rätsel aufzugeben. Es sind ganz bestimmte und für unsere Zeit sehr typische Gespräche. Darin geht es um die Frage, wie viel ein Buch kosten soll, darf oder muss, je nach Blickwinkel. Denn dieses Thema bewegt die Branche.

Und es bewegt sie zurecht! Wir alle sehen, dass uns die Kosten davonlaufen. Papier ist der neue Goldstandard, bald wird man Währungen an den Materialwert von Banknoten koppeln müssen! Von allem Anderen, das die Preise treibt, ganz zu schweigen.

Mein Rätsel geht so: „Hier sehen Sie den Erstling einer unserer langjährigen Autorinnen. Der Roman ist erschienen im Jahr 1999, der Preis ist noch in DM ausgezeichnet. Und hier sehen Sie eines ihrer jüngsten Werke, erschienen 2020. Was hat der damalige Roman im Laden gekostet, was kostet der aktuelle?“

Dazu zeige ich zwei Bücher, bei in bekannten Publikumsverlagen erschienen, beide im Segment gehobene Unterhaltung, das erstere als Hardcover mit Schutzumschlag, das letztere als Quality Paperback.

Nun? Was denken Sie? Welchen Verkaufspreis hatte Buch 1, welchen Buch 2?

In all den Gesprächen hatte ich noch keinen einzigen Treffer für das Jahr 2000! Für 2020 tippen viele ziemlich richtig. Da lag der Ladenpreis bei € 14,99 (die meisten sagen sechzehn bis achtzehn Euro). Für das Jahr 2000 aber ist die Überraschung in der Regel groß.

„Ich würde sagen achtzehn Mark.“

„Nein.“

„Ich schätze, dass es eher zwanzig Mark waren?“

„Nope.“

„Weniger?“

„Nein!“

„Also mehr. Hm. Vierundzwanzig Mark?“

„No.“

Der Preis lag damals bei sage und schreibe DM 39,90!

Wir alle wissen, dass wir ein Verhältnis DM zu Euro von 1:1 längst hinter uns gelassen haben. Was vor 22 Jahren 40 Mark kostete, kostet heute längst mehr als 40 Euro. Nur Bücher nicht. Bei denen lief es genau anders herum. Sie wurden billiger.

Man mag einwenden, das eine sei ja ein Hardcover, das andere eine Broschur. Aber erstens kosten auch heute die populären Hardcover kaum mehr als 22-24 Euro, zweitens gilt die Broschur heute als State of the Art im historischen Roman (und wird oft äußerst wertig ausgestattet), drittens sind wir dann immer noch nur bei der Hälfte des Geldwertes.

A propos State of the Art: Für die Autor*innen hat dieser Aspekt den zusätzlichen Effekt, dass sie pro verkauftem Buch nicht nur absolut, sondern auch noch relativ geringere Einnahmen erzielen. Denn für ein Paperback bekommt man durchschnittlich ein bis zwei Prozent weniger Beteiligung. Das bedeutet bei einer Gesamtroyalty von, sagen wir mal großzügig: 10 %, dass man auf zehn bis zwanzig Prozent seiner möglichen Einkünfte verzichten muss, wenn das Buch als Broschur erscheint.

Alles in allem führt das dazu, dass Autor*innen heute drei- bis viermal so viele Bücher verkaufen müssen wie vor zwanzig Jahren, um das gleiche Einkommen zu erzielen. In Zeiten generell sinkender Verkäufe für die allermeisten ein Ding der Unmöglichkeit.

Dass die Verlage endlich unter dem Preisdumping, auf das sie sich selbst eingelassen haben, zu leiden beginnen, ist deshalb eine gute Entwicklung, auch wenn sie schmerzhaft ist. Denn das Nein zu Preiserhöhungen über so viele Jahre hat es für viele Autor*innen nahezu unmöglich gemacht, über die Runden zu kommen. Für ausgezeichnete Werke sollte meiner Meinung nach auch ein angemessener Preis ausgezeichnet werden. Wer das nicht wagt, verkennt den Wert seiner Ware – und den Wert der Literatur an sich. Von mir an dieser Stelle ein klares Ja zu höheren Preisen!

Zuletzt schrieb Thomas Montasser über über die vielen Verlagsleute, die auf die Agentur-Seite wechseln:

Kommentare (0)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert