ARCHIV Günter G. Rodewald über Mörderisches in Barcelona

In der vergangenen Woche wurde in Barcelona viel gemordet. Aber bleiben Sie gelassen: Es floss kein Blut und die Stadt wurde auch nicht gefährlicher oder ungefährlicher als man sie kennt.

Man gab aber die Semana negra, die „Schwarze Woche“. Das dritte Mal wurde dieses Treffen abgehalten, das der Buchhändler Paco Camarasa im Jahre 2005 aus der Taufe gehoben hatte, und das sich mittlerweile zu einem gut besuchten Ereignis entwickeln konnte, zu dem sich bei dieser Ausgabe über 20 Krimiautoren aus zehn Ländern miteinander und mit ihren Lesern trafen.

Den spektakulärsten Zulauf hatte ohne Zweifel der Auftritt von Henning Mankell im Teatre Romea, einem der schönsten Theatersäle Barcelonas, der mit fast 800 Zuschauern bis in die höchsten Ränge zum Bersten überfüllt war. Mankell war schon am Vortag im Rathaus der Premio Pepe Carvalho verliehen worden. Der Preis erinnert an den Schöpfer des mittlerweile legendären Privatdetektivs aus den Romanen von Manuel Vázquez Montalbán (1939-2003), die Barcelona auf so liebenswürdige Art bekannt gemacht haben.

Der große Zulauf und das rege Medieninteresse, das die Semana negra hervorlocken konnte, sind eindeutige Zeichen dafür, dass sich das Genre der novela negra, des Kriminalromans, nun wohl endlich auch in Spanien etablieren kann.

Denn das war nicht immer so: Noch vor wenigen Jahren scheiterten wiederholte und engagierte Versuche, diese Literaturgattung durchzusetzen, die eine so große Tradition unter anderem beim angelsächsischen, französischen und ja auch schon lange beim deutschen Leser aufweisen kann. Der schon zitierte Vázquez Montalban galt hier immer „nur“ als Literat, wurde nie als Autor von Kriminalromanen klassifiziert.

Und auch ein Autor wie Henning Mankell hat seinen ganz großen Publikumserfolg erst in den letzten drei, vier Jahren festgesetzt, sein spanischer Verlag Tusquets war sich alles andere als sicher, wie man mit diesem Autor weitermachen solle, nachdem die ersten Publikationen lange nicht an die rasanten Verkaufsrekorde, die der Autor in anderen Ländern aufwies, anknüpfen konnten.

Aber in den letzten drei, vier Jahren ist Bewegung in diesen scheinbar verfahrenen Fall gekommen, und gerade junge Leser scheinen eine wichtige Rolle bei seiner Lösung zu spielen.

Wieder einmal! Denn der Einfluss dieser neu herangewachsenen Leserfraktion wird immer wichtiger. Gerade auch den vielen Neugründungen kleiner literarischer Verlage und bei deren Bemühungen, sich beim Leser und der Kritik durchzusetzen, leistet sie entscheidende Hilfestellung. Es scheint fast eine emanzipatorische Bewegung und Koalition, die für die Existenz guter Bücher und gegen mediale Vermassung kämpft.

Inzwischen sind es viele Verlage, kommerzielle wie literarische, kleine wie große, die Kollektionen mit Kriminalliteratur eingerichtet haben, und endlich gewinnt das Genre an Ansehen und Kaufkraft. Vieles zu dem Erfolg haben Autoren aus dem Ausland beigetragen, aber ebenso erfolgreich sind längst auch die auf Spanisch und Katalanisch schreibenden Kollegen.

Anlaufstellen wie die Buchhandlung Negra & Criminal sind unersetzlich, die in der Barceloneta, dem alten Fischerviertel am Hafen der Stadt, auf kleinstem Raum ein unendlich erscheinendes Sortiment feil bietet (sogar mit einer echten Leiche im Keller!), der man bei ihrer Gründung natürlich ein langes Leben wünschte, aber nicht so recht daran glauben mochte. Aber der umtriebige Paco Camarasa, der sich eben auch bei der Semana negra als einer der Haupttäter profiliert hat, hat allen gezeigt, dass auch aussichtslos erscheinende Fälle mit ungewöhnlichen Ermittlungsmethoden gelöst werden können.

Es hat sich also viel in nur recht kurzer Zeit geändert, wie die Lesung mit dem schwedischen Autor bestens unterstreicht, dazu vor dem Hintergrund, dass große Autorenlesungen und Lesereisen hier (noch) so gut wie unbekannt sind.

Überhaupt hat sich das Erleben von Literatur über andere Sinne, wie z.B. das Hören, noch nicht durchgesetzt. Es gibt hierzulande keinen Hörbuch-Markt, obwohl sich sicher auch das bald ändern wird, man hört (!) deutsche Nachtigallen trapsen, die ihre Erfahrung nach Spanien exportieren wollen.

Aber das ist dann schon wieder ein ganz anderes Thema.

Der Link zum kompletten Programm der Semana Negra: www.bcn.es/cultura/bcnegra/Secundaris/castella/index2castella.htm

Günter G. Rodewald ist Literaturagent und arbeitet in der Literaturagentur Ute Körner www.uklitag.com in Barcelona

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