Hohes Lied auf eine engagierte und höchst professionelle Buchhändlerin, in memoriam

Es ist – im Unterschied zu Verlegern – selten, dass die britischen Tageszeitungen einen großen Nachruf auf eine Buchhändlerin (oder einen Buchhändler) bringen. Aber Sue Butterworth, die Ende vergangenen Monats 54jährig an Krebs starb, war eine Leuchte engagierten unternehmerischen Buchhändlertums. Die Geschichte von ihr und dem Silver Moon Bookshop verdient auch hier zu Lande Beachtung.

Vorab sollte sie bei deutschen Kommunal- und Landespolitikern Beachtung finden. Buchhandlungen sind nämlich – bei Urbanitätsforschern und Städteplanern scheint es inzwischen eine harte Erkenntnis zu sein – ein unverzichtbares Kernelement innerstädtischen Lebens. Ken Livingstone, der damalige Chef (des von Margaret Thatcher aufgelösten) Greater London Council und heutige Londoner Oberbürgermeister) hat es früh gewusst. Darum wollte er das durch die modernen Veränderungen ausgedünnte legendäre alte Buchhändlerviertel an der Charing Cross Road im zentralen London wiederbeleben und unterstützte Sue Butterworth, die sich ihr Startkapital durch Darlehen aus dem Familien- und Freundeskreis besorgte, mit einer großzügigen Subvention.

Sue Butterworth und ihre Partnerinnen Jane Anger und Jane Cholmeley hatten einen Pluspunkt für sich: London ist kulturell eine Trends setzende Weltmetropole, und Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre herrschte in der angelsächsischen Welt eine große feministische Aufbruchstimmung, die in England auch verlegerisch fruchtbar war, u.a. mit den Publikationen des eigens dazu gegründeten literarischen Verlags Virago, und neue Leser(innen)bedürfnisse schuf. Darauf setzte Sue Butterworth, aus Überzeugung. Doch die Professionalität, mit der sie es anging, ist ein allgemeines buchhändlerisches Lehrstück.

Das Geschäft mit der Adresse 64 Charing Cross Road war zunächst winzig. (Das änderte sich erst 1992, als es auch die Räumlichkeiten des benachbarten, ehedem berühmten alten Collet’s Bookshop übernahm – ein deutliches Zeichen für den wachsenden Erfolg.) Denn Sue Butterworth verstand es, den Silver Moon Bookshop zu einem Zentrum der Buch- und Leserwelt zu machen, das zum übrigen etlichen Autorinnen zum Durchbruch verhalf. Sie organisierte – bevor in Großbritannien die großen Filialisten auf diese Praxis einstiegen – regelmäßige Autorenlesungen und –signierstunden. Sie fand die aktive Unterstützung von Schriftstellerinnen wie Margaret Atwood, P.D. James, Germaine Greer, Val Dermid, Toni Morrison, Ruth Rendell, Fay Weldon und Jeanette Winterson, um nur einige der auch bei uns bekannten Namen zu erwähnen; Schriftstellerinnen, die mit ihren ganz unterschiedlichen Arten des Schreibens zudem belegen, dass Sue Butterworth nicht eng ideologisch dachte – zur Kundschaft zählten selbstverständlich auch Männer, die herzlich willkommen waren.

Und Sue Butterworth etablierte das Silver Moon Quarterly, eine Zeitschrift, die es weltweit auf 10.000 Subskribenten brachte – womit sie Leserinnen in Ländern, wo dergleichen nicht zu entdecken und zu kaufen war, mit der Kenntnis solcher Literatur vertraut machte, die sie ihnen dann auch per Mailorder lieferte.

Auf die zahlreichen Aktivitäten, mit denen sich Sue Butterworth im Buchhändlerverband und sonstwie engagierte, will ich hier nicht eingehen. Erwähnt werden muss jedoch noch eines: Als sie den Silver Moon Bookshop 2001 verließ – er schloss im November des folgenden Jahres wegen rasant steigender Mietforderungen, wurde als Label allerdings von Foyle’s weitergeführt -, gründete Sue Butterworth Meercat, eine Agentur, die sich der Entwicklung und Durchführung von Autoren- und Buchpromotionen in – ausschließlich – unabhängigen Buchhandlungen widmet. Weil Sue Butterworth nach ihren Erfahrungen der Überzeugung war, dass diese – um gegen die Filialisten und Supermärkte bestehen zu können, ein starkes eigenes Profil entwickeln müssen. Übrigens: Auch diese wegweisende Marketingagentur kam durch Mittel der öffentlichen Hand zustande. Das Startkapitel steuerte der Arts Council of England bei. Mit Sue Butterworth hat die Buchhandels- und Verlagswelt, viel zu früh, eine unkonventionelle und überzeugte Kollegin verloren.

Gerhard Beckmann sagt hier regelmäßig seine Meinung … und freut sich über Antworten an GHA-Beckmann@t-online.de. Natürlich können Sie diese Kolumne auch im BuchMarkt-Forum diskutieren. Einfach oben auf der Seite den Button „Forum“ anklicken, einloggen und los geht‘s.

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