Beckmann kommtiert Hut ab! Aber was nun, mit entblößtem Haupt in den Seitenböen des Handels?

Als ich die Nachricht las, im ersten Moment, habe ich gedacht, frei nach dem alten Volkslied von de schwäb’sche Eisebahne. „Lupf den Hut. He, Gevatter, seid ihr gut.“

Doch dann hat ein Windstoß den Hut ergriffen, und aus war’s mit meinem „Chapeau“… Denn was dem einen sein Säckel fällt, geht andern ja flöten. Und ist es nicht so, dass unser Herz für alle schlägt?

Also: Was dem Stuttgarter Barsortiment KNV da gelang, die 74 kleineren Buchsortimente mit 50 bis 200 Quadratmetern Fläche von Karstadt compact unter seinen Hut zu bringen, das ist schon ein Coup.

Und: Ganz schön clever, die Karstadt-Compact-Manager der britischen Investoren Hilco und Dawnay Day, die Bestückung des Boulevard-Sortiments in ihren 74 Läden KNV zu übertragen – das Barsortiment weiß ja aus dem Eingang der täglichen Bestellungen genau, was aktuell gerade geht.

Jedoch: Zum einen haben wir da schon wieder ein Indiz für den Trend, dass der gute alte Vertreter nicht mehr gebraucht und überflüssig wird.

Zum zweiten: Schon wieder ein Breitengrad Lufthoheit, den die Verlage (im Verhältnis zum Handel) verlieren – und sei’s über Subunternehmen von Rackjobbern

Und drittens: Schon wieder eine neue Seite, von der gerade unsere unabhängigen mittleren und kleinen Buchhandlungen in die Zange genommen werden. Denn je effizienter im Sinne von Gängigkeit die Karstadt compact-Läden an immerhin 74 Standorten sortieren, umso mehr wird der Umsatz mit solchen Titeln diesen Buchhandlungen entgehen, die auf dergleichen Selbstläufer eigentlich nicht verzichten wollen.

Da ist aber noch ein weiterer bedenklicher Punkt zu erwähnen. Das Buch verliert wegen des allerorten zunehmend dominant präsentierten gleichförmigen Angebots an Image. Nun wird das alles also noch um einen Dreh gleicher aussehen. Welch ein kontraproduktiver Effekt auf die öffentliche Wahrnehmung der Preisbindung, die doch unsere kulturelle Vielfalt sichern soll und sichert, allerdings auch dazu genutzt wird, alles gleich zu machen – obwohl der Kunde und Leser davon gar nichts hat und nicht kapieren kann, wieso er den Eindruck gewinnt, dass das Buchangebot immer langweiliger wird. Über diesen Missstand haben Volker Hasenclever und ich uns seit der Frankfurter Buchmesse den Kopf zerbrochen und im Novemberheft von BuchMarkt ein paar Leid- und Leitgedanken gemacht. Könnten Sie darüber mit ihren Kollegen und mit uns in eine Diskussion eintreten? Es würde uns freuen.

Gerhard Beckmann freut sich über Antworten an GHA-Beckmann@t-online.de

Weitere Beiträge der Kolumne „Beckmann kommentiert“ finden Sie im Archiv unter dem Stichwort: „beckkomm“.

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