Als Marketingmensch eines Verlages hat man regelmäßig mit der BuchMarkt-Redaktion zu tun. Bei einem Treffen mit Christian von Zittwitz vor einigen Wochen kam das Gespräch auf das Thema Literaturblogs. Da ich selbst als Blogger Beiträge über Bücher und Literatur veröffentliche, entstand die Idee zu dieser neuen Kolumne – künftig immer am letzten Tag eines Monats.
Dann gibt es nun an dieser Stelle einen kurzen Rückblick über das, was sich in der Literaturblog-Szene getan hat. Von lesenswerten Beiträgen über Diskussionen und Disputen bis zu weiterführende Linktipps. Subjektiv, handverlesen und rein persönlich ausgewählt ohne Anspruch auf Vollständigkeit – denn eine solche kann es in einer so vielschichtigen und lebendigen Szene gar nicht geben.
Der August ist ein guter Monat für den ersten Rückblick: Die Longlist zum Deutschen Buchpreis 2016 wurde bekanntgegeben und bewegt zahlreiche Literaturblogs. Mit den Buchpreisbloggern gibt es dabei bereits zum wiederholten Mal eine offizielle Kooperation zwischen dem Deutschen Buchpreis und sechs ausgewählten Blogs, die das Auswahlverfahren im Netz begleiten werden. Die Buchpreisblogger 2016 sind Tobias Nazemi mit buchrevier, Herbert Grieshop als Videoblogger mit Herbert liest, Sophie Weigand mit Literaturen, Jochen Kienbaum mit lustauflesen.de, Jacqueline Masuck mit masuko13 und Gérard Otremba mit Sounds & Books. Die Beiträge werden auf der Facebookseite des Deutschen Buchpreises zusammengeführt, und wer mehr über die Personen hinter den Blogs erfahren möchte, dem sei eine Vorstellungsrunde ans Herz gelegt. Eine schöne Auswahl lesenswerter Blogs wie ich finde, bei denen sich ein Besuch nicht nur zu Buchpreiszeiten immer lohnt. Zwei der Buchpreisblogger – Sophie Weigand und Herbert Grieshop – reden in einem Radiobeitrag von WDR 5 darüber, wie sie zum Bloggen gekommen sind und was sie damit verbinden. Reinhören lohnt sich.
Die Buchpreisblogger sind übrigens nicht zu verwechseln mit dem Buchpreisblog, eine von der bekannten Bloggerin Mara Giese (Buzzaldrins Bücher) mit fünf Mitstreitern neu gegründete Plattform, auf der es um Literaturpreise generell gehen soll. Wir dürfen uns also auf spannende Beiträge zum Deutschen Buchpreis, möglicherweise auch zum Bachmannpreis und zu vielen anderen literarischen Wettbewerben freuen.
Noch einmal Deutscher Buchpreis. Als Jury kann man es naturgemäß nie allen recht machen. Ich hätte die fiktive Longlist auf buchrevier deutlich spannender gefunden und gebe Tobias Nazemi recht, wenn er an die Jury schreibt: „Vergesst einfach mal alle Erwartungshaltungen von außen und folgt dem Bauchgefühl. Denn die Aufgabe des Deutschen Buchpreises ist nicht nur, den besten deutschsprachigen Roman des Jahres zu küren, sondern auch für deutschsprachige Literatur und das Lesen an sich zu werben. Und hier wünsche ich mir in diesem Jahr eine Longlist mit Titeln, die einfach Spaß machen zu lesen, die einen verblüffen, fesseln, zum Nachdenken und zum Lachen bringen; auf die man sich als berufstätiger Mensch abends nach einem harten Arbeitstag einfach freuen kann, die einen fordern, aber nicht überfordern.“ Und da wir gerade bei diesem Blog sind, sei auch auf den Beitrag „Das ist anspruchslos – das lese ich nicht“ hingewiesen, in dem es um acht Punkte geht, die seiner Meinung nach ein Buch zu Literatur machen. Ein Thema, das man wohl nie abschließend behandeln kann; vor einiger Zeit führten Sophie Weigand und ich dazu eine Diskussion auf unseren Blogs.
Was war noch? Die endlose Diskussion um eine Daseinsberechtigung von Literaturblogs neben der „klassischen“ Literaturkritik in den Feuilletons ging in eine neue Runde. Diesmal aber mit einem äußerst lesenswerten Beitrag von Katharina Herrmann auf ihrem Blog Kulturgeschwätz, der einen weiten Bogen schlägt und zahlreiche offene Baustellen des Literaturbetriebs anspricht. Im Kern geht es dabei um die Teilhabe an Literaturdebatten – vor dem Hintergrund, in welcher Art und Weise bei uns über Literatur diskutiert wird. Und von wem.
Der diesjährige Ehrengast der Frankfurter Buchmesse heißt Flandern & Die Niederlande. Viel passiert schon im Vorfeld, um uns die Literatur unserer Nachbarn näher zu bringen. Ein schönes Projekt war eine fünftägige Bloggerreise im August, die einen Bus voller Literaturblogger und Journalisten von Antwerpen nach Amsterdam führte. Die Teilnehmer erhielten einen intensiven Einblick in die dortige Literaturszene in all ihren Facetten. Auf Twitter sind unter dem Hashtag #grenzverkehr die unmittelbaren Eindrücke dieser spannenden Tour nachzulesen.
Der Blogger Thomas Brasch (nicht der Schriftsteller) hat auf Facebook die Bloggerin Mareike Fallwickl „Queen der Verrisse“ genannt. Und in der Tat nimmt sie kein Blatt vor den Mund, wenn es um Lese-Enttäuschungen geht und seziert in deutlichen Worten die Schwachstellen so mancher Romane. Im August gab es einige davon. Aber sie kann auch anders: Viele großartige Buchempfehlungen habe ich schon auf ihrem Blog Bücherwurmloch gefunden.
Es wird wieder ernst: Am 19. August ging die Nachricht durch die Presse, dass in Leipzig Unbekannte die öffentlich präsentierten Photographien Gerda Taros mit schwarzer Farbe übermalt hatten. Gerda Taro war eine begnadete Photographin, die – selbst aus Nazi-Deutschland geflohen – während des Spanischen Bürgerkriegs an vorderster Front photographierte – und dort auch ums Leben kann. Im Blog glasperlenspiel13 findet man im Zusammenhang mit der Besprechung des Buches „Warten auf Robert Capa“ einen lesenswerten Beitrag über das wechselhafte Leben dieser faszinierenden Frau, die stets im Schatten ihres berühmten Lebensgefährten Robert Capa stand. Dass Taros Bilder von Krieg und Flucht aktueller sind denn je, erschließt sich aus der Tatsache, dass es Barbaren für nötig hielten, sie zu übermalen. Und ihnen dadurch noch mehr Publicity bescherten.
Da gerade das Stichwort „Spanischer Bürgerkrieg“ fiel, sei abschließend auf ein Leseprojekt zu diesem blutigen Konflikt hingewiesen, der sich dieses Jahr das achtzigste Mal jährt. Ein Jahrestag, der sich trotz seiner großen Bedeutung für die europäische Geschichte seltsamerweise kaum in den aktuellen Verlagsprogrammen niedergeschlagen hat, zu dem es aber dennoch viel Lesenswertes gibt.
Uwe Kalkowski ist seit vielen Jahren in der Buchbranche tätig und kennt sie aus unterschiedlichen Perspektiven: Als Buchhändler in großen und winzigen Buchhandlungen, als Student der Verlagswirtschaft in Leipzig und als Marketingmensch in verschiedenen Fachverlagen; seit 2009 ist er Marketingleiter des RWS Verlags in Köln. Als Kaffeehaussitzer bloggt er über Bücher, Literatur und Leseerlebnisse. In der Kolumne Kaffeehaussitzers Netzrückblick gibt er auf BuchMarkt regelmäßig eine Übersicht über lesenswerte Fundstücke aus der Literaturblogszene.